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Northgard (Taktik & Strategie) – Die Wikinger-Siedler

Seit Ubisoft der Siedler-Reihe eine Pause verordnet hat, werden die
wuseligen Baumeister von vielen Aufbau-Strategen schmerzlich vermisst.
Northgard von Shiro Games, das kürzlich die Early-Access-Phase verlassen
hat, verspricht neues Aufbaufutter mit Wikinger-Charme. Für den Test
haben wir Gebäude gebaut, Nahrung gebunkert, Krieg geführt und Handel
getrieben.

© Shiro Games / Shiro Games / Merge Games / Playdigious

Mehr Siegbedingungen mit mauer Balance

Eine Northgard-Partie kann man auf mehrere Arten gewinnen. Neben der militärischen Vorherrschaft kann man einen Ruhm-Sieg anstreben, in dem man viele Sektoren auf der Karte erobert, dadurch Ruhm anhäuft und letztendlich den Altar der Könige errichtet. Oder man strebt den Handelssieg an, der es erfordert, sehr viele Kröwns (Ingame-Währung) zu sammeln, einen Leuchtturm am Hafen zu bauen und das Geld in Handelseinfluss umzutauschen. Eine weitere Alternative ist der wissenschaftliche Triumph, in dem man den Segen der Götter durch die Erforschung von einem Dutzend Technologien erhält und vier aktive Meister der Lehren oder Seefahrer in seinen Reihen haben muss. Last but not least gibt es auf den Karten oft eine spezifische Siegbedingung, die es zum Beispiel erfordert, eine Schmiede zu bauen, um das Schwert des Odin wiederherzustellen oder Yggdrasil zu erobern und gegen Angreifer zu verteidigen usw.

Da es mehrere Siegmöglichkeiten gibt, ist es besser, sich gleich zu Beginn für eine Siegart zu entscheiden und entsprechend darauf zu fokussieren – idealerweise wählt man schon vorher den brauchbarsten Clan für das Ziel aus. Nur leider gibt es bei den Siegbedingungen ein ziemliches Ungleichgewicht in der Spielbalance. Handelssieg und Wissenschaftssieg sind im Vergleich zu anderen Siegmöglichkeiten zu leicht zu erringen. Ein militärischer Sieg sowie die Erfüllung des Karten-spezifischen Ziels sind oftmals zeitaufwändiger oder teurer – und ja, die Computerintelligenz ist durchaus gewillt, die einfacheren Ziele in Gefechten oder Mehrspieler-Partien zu erfüllen.

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Im tiefsten Winter-Schneesturm wird ein gegnerischer Sektor angegriffen. © 4P/Screenshot

Der Handelssieg ist zwar in der Early-Access-Phase angepasst worden (Umtausch von Kröwns in Handelseinfluss), jedoch weiterhin zu leicht. Zum Glück lassen sich vor dem Start einer Partie die Siegarten individuell an- und ausschalten.

Seichte Spieltiefe und die Routine

Northgard ist generell nicht so komplex wie Siedler oder Banished. Die meisten Partien sind nach ein oder zwei Stunden vorbei – auch im Mehrspieler-Modus. Hat man die Anfangsphase überstanden, dehnt man sein Gebiet rasch aus und da keine Rohstoffe weiterverarbeitet werden müssen, mangelt es klar an Spieltiefe. Aber durch die starke Verzahnung der Grundelemente, das Mikromanagement der Siedler und die Siegmöglichkeiten tritt dieses Manko zunächst in den Hintergrund. Später aber wünscht man sich mehr. Spezialisierte Waren, Waffen sowie Werkzeuge oder Wikinger, die mit der Zeit in ihren Berufen besser werden, fehlen einfach, weswegen sich im Aufbaualltag – auf dem eher gemächlichen Spieltempo (nicht veränderbar) – schnell lästige Routine einstellt.

Für etwas mehr Abwechslung sorgen die verschiedenen spielbaren Wikinger-Clans. Auf dem ersten Blick klingen die Unterschiede der sechs Fraktionen (Hirsch, Ziege, Wolf, Rabe, Bär und Eber) gar nicht so stark, doch das trügt, da allesamt auf bestimmte Aspekte mit eigenen Technologien und teils Gebäuden/Einheiten spezialisiert sind. Der Wolf-Clan erhält zum Beispiel Fleisch, wenn die Krieger Wölfe oder Braunbären töten und die Soldaten erhalten einen Kampfbonus, wenn sie abseits des eigenen Territoriums kämpfen.

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Zwischen den Kampagnen-Missionen führen schicke Diashow-Zwischensequenzen die Geschichte fort. © 4P/Screenshot

Als Raben-Chef kann man Söldner im Hafen kaufen und Küstenareale überall auf der Karte attackieren. Die Heiler des Eber-Clans produzieren unterdessen Forschungspunkte, wenn sie nicht mit der Heilung beschäftigt sind. Als Oberhaupt des Bärclans trifft einen der Wintereinbruch nicht so schwer, da der Produktionsverlust in der kalten Jahreszeit verringert wird und die Kämpfer einen Resistenzbonus bekommen.

Einzelspieler-Kampagne, Gefecht und Mehrspieler-Modi

Die Eigenarten jedes Clans, die grundlegenden Spielelemente und die Siegtypen werden anschaulich in der elf Missionen langen Einzelspieler-Kampagne erklärt und sind überraschend clever in die Geschichte um Rache und Ehre unter den Wikinger-Clans integriert. Je nach Mission darf man im Kampf gegen den „bösen“ Raben-Clan die Geschicke eines anderen Clans leiten und dabei die Wikinger gegen einen Aggressor vereinen – insgesamt ganz in Ordnung, aber nichts Weltbewegendes. Präsentiert wird die Geschichte zwischen den Einsätzen mit toll gezeichneten, spärlich animierten Dia-Zwischensequenzen. Innerhalb den Missionen setzt Shiro Games auf schön gezeichnete (nicht animierte) Charakterporträts und Dialogboxen.

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In den Missionen werden gelegentlich Porträts der wichtigen Charaktere sowie Dialogtextboxen eingeblendet. Sprachausgabe fehlt hierbei. © 4P/Screenshot

Neben der Kampagne können Einzelspieler-Partien mit spärlichen Optionen und Multiplayer-Matches erstellt werden. Im Mehrspieler-Modus (Europa-Server oder Peer-to-Peer) dürfen bis zu sechs Spieler teilnehmen. Neben Duell und Free-for-All gibt es Team-Matches (2-gegen-2, 3-gegen-3 und 2-gegen-2-gegen-2) als Varianten. Sämtliche Partien lassen sich mit KI-Gegnern auf drei Schwierigkeitsstufen (Gering, Mittel, Hoch) auffüllen. Die gleichen Schwierigkeitsabstufungen gibt es in der Kampagne. Auf „Gering“ lässt sich entspannt siedeln. „Normal“ kann unter Umständen je nach Mission oder Karte eine überraschend große Herausforderung für erfahrene Spieler sein, während man sich auf „Hoch“ im Winter mit Angriffswellen herumschlagen muss.

Ein Beispiel zum Schwierigkeitsgrad „Normal“ im Team-Mehrspieler-Modus (2-gegen-2-gegen-2): Während mein Team sich mit drei KI-Gegnern kriegerisch anlegt und immer wieder Gebiete in der Mitte der Karte übernommen werden, setzt ein anderer KI-Gegner fernab vom Kampfgeschehen auf den Handelssieg und bekommt von seinem KI-Mitspieler sogar einen Sektor überschrieben. Gar nicht so einfach, auf solch eine Bedrohung zu reagieren, zumal das andere KI-Team ihm den Sieg nicht abspenstig machen wollte.