Dass Visual Concepts und 2K Sports nicht aus reiner Menschenliebe ihre Basketballspiele entwickeln, ist klar. Auch dass die hohen Produktions- und Lizenzkosten wieder eingespielt werden müssen. Doch es muss andere Wege geben als diese penetrante Einbindung von VC (Virtual Currency, virtuelle Währung, Anm. d. Red.) in die Karriere. Es kann einfach nicht sein, dass man seine Werte nur dann aufbessern darf, wenn man die Spielwährung investiert, die man sich nicht nur über alle Spielmodi hinweg verdienen kann, sondern auch gegen bare Münze in den jeweiligen Stores erwerben kann. Sprich: Theoretisch darf man sich in der Karriere eine massive Abkürzung zum Erfolg erkaufen. Wenn man seine Kohle aus dem Fenster werfen möchte, um sich kosmetisch vom Rest der Spieler in der „Shared World“ abzuheben, habe ich kein Problem damit. Jedem das seine. Dass man mit seinem digitalen Alter Ego aber eben nicht nur in der Karriere, sondern auch den anderen Modi antreten kann, macht das System zu einem Paradebeispiel für „Pay-to-Win“.
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Allerdings muss ich Visual Concepts auch zugestehen, dass sie sich der Kritik, die mit den letzten Ausgaben der Korbjagd auf sie eingeprasselt ist, angenommen haben. Die Ausschüttung der virtuellen Währung ist immer noch nicht da, wo ich sie mir wünschen würde, aber deutlich großzügiger als noch in den Jahren zuvor. Und im MyTeam-Modus (quasi dem Gegenstück zu myClub in PES und Ultimate Team in den diversen EA-Sports-Titeln) wird zudem mit einer eigenen, ebenfalls in passabler Größenordnung ausgeschütteten Währung der Zwang zum Echtgeldeinsatz minimiert – auch wenn bestimmte Pakete nervigerweise nur mit VC zu bekommen sind. Und man darf auch nicht vergessen, dass Visual Concepts nicht an den Mikrotransaktionen bzw. den Echtgeld-Optionen außerhalb von MyTeam festhalten würde, wenn Spieler davon keinen Gebrauch machen würden. Das wiederum wird von der hohen Qualität, die NBA 2K vor allem dieses Jahr erreicht, begünstigt. Mit der sich langsam, aber stetig steigernden Konkurrenz im Nacken, die dieses Jahr vor allem mit dem Modus „Court Battles“ neue Wege geht, hat man auch hier auf den Courts zugelegt, nachdem man in den letzten Jahren nur das Nötigste getan und vor allem die Mikrotransaktions-Schraube überdreht hat.
Das ewige Talent
Nehmen wir z.B. die Karriere: Diese hat in den letzten Jahren erzählerisch zunehmend abgebaut – nicht einmal Regie-Ikone Spike Lee konnte sich mit seinem Drehbuch zu „Livin‘ Da Dream“ in NBA 2K16 gegen die zunehmende Monotonie stemmen. Doch hier hatte ich nach dem Einstieg wieder richtig Lust, mich zum x-ten Mal mit einem Nobody hochzukämpfen, um schließlich einen der raren Plätze in einem NBA-Team zu ergattern. Vor allem die ersten Stunden, in denen man mit dem als ewiges Talent verschrienen A.I. in der chinesischen Liga spielt, nachdem man beim Draft von den Scouts geflissentlich ignoriert wurde, haben mich stärker in das Geschehen gezogen als in den Jahren zuvor. Alles wirkt hier aus einem Guss: Die Kommentatoren, die einen im kantonesischen Original begrüßen, bauen die Sprachbarriere, mit der sich A.I. befassen muss, auch vor dem Bildschirm auf. Das Drehbuch, das einen von China in die G-League führt, quasi das Gegenstück zur Minor League im amerikanischen Baseball oder der dritten bzw. Regionalliga für die Nachwuchsmannschaften der großen Vereine im deutschen Fußball, bietet eine erstaunliche emotionale Bandbreite von Humor und Drama über Intrigen oder Seitenhiebe auf Social-Media-Wahn bis hin zu Egozentrik vs. Teamgedanke wird die immer wieder von Matches unterbrochene Geschichte
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filmreif sowie sehr unterhaltsam erzählt. Im Detail ist die Mimik zwar weiterhin das Problemkind der Engine. Doch die Qualität der Story und die (englischen) Sprecher wie z.B. Michael Rapaport (Atypical, True Romance), Anthony Mackie (Falcon in Avengers/Captain America) oder Haley Joel Osmont (The Sixth Sense) erledigen ihren Job außergewöhnlich gut.
Bis zum Aufstieg von A.I. in die NBA schafft Visual Concepts zudem die richtige Balance zwischen aktivem Einsatz auf dem Court sowie dem passiven Betrachten der Geschichte – im Gegensatz zu EA, die mit den Story-Modi bei Madden oder FIFA jeweils ins entgegengesetzte Extrem gehen. Doch auch wenn man vom NBA-Alltag eingeholt wird und der erzählerische Anteil an der Karriere zunehmend zurückgefahren wird, gibt es immer wieder überraschende Momente, die mit dafür verantwortlich sind, dass die Motivation oben gehalten wird. Dazu gehören Interviews, die sich auf die Teamchemie oder die Fans auswirken, aber auch Einspieler von A.I., in denen er wie auch andere NBA-Stars in vorproduzierter Dokumanier Fragen beantwortet. Dass zudem im Rahmen der erneut verbesserten Präsentation mit ihren teils fantastischen, aber sich mittlerweile auch schon früher wiederholenden Kommentatoren auch Gäste wie Kobe Bryant auftauchen können, um sich das Headset zu schnappen und nicht nur auf die eigene Karriere, sondern auch auf A.I.s eingehen, sorgt für ein nicht zu unterschätzendes Überraschungsmoment. Dass Visual Concepts aber auch immer noch alte Zöpfe in jeglicher Hinsicht mitschleppt, ist nicht nur an den Mikrotransaktionen, sondern auch der inhaltlich eigentlich gelungenen Pre-Game-Show abzulesen. Die drei Analysten, zu denen auch Shaquille O’Neal gehört, wirken unbewegter als Waldorf & Statler aus der Muppet-Show. Daher bin ich irgendwann dazu übergegangen, die zwar inhaltlich passenden, aber ermüdend vorgetragenen Analysen abzubrechen und gleich in die Kabine oder auf den Court zu gehen, damit das Match starten kann.