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Marvel vs. Capcom: Infinite (Prügeln & Kämpfen) – Helden mit Startproblemen

Es ist Zeit für einen Neubeginn. Zumindest, wenn es um die Marvel-vs-Capcom-Serie geht. Der letzte Teil auf 360 und PS3 liegt sechs Jahre zurück und der kaum bekannte Höhepunkt der Reihe (Teil 2) erschien sogar schon im Jahr 2000. Wie sich das Stelldichein von Iron Man, Rocket Raccoon & Co auf der einen sowie Dante, Frank West, Ryu usw. auf der anderen Seite schlägt und ob es die DC-Superhelden der Netherrealm Studios zu einem Gefecht herausfordern kann, beantworten wir im Test.

© Capcom / Capcom

Zwei Welten prallen aufeinander

Obwohl die Mischung von Superhelden aus den Capcom- sowie Marvel-Comic-Universen inhaltlich reizvoll ist und spielerisch seine Klasse schon in mehreren Episoden unter Beweis gestellt hat, kommt man erst jetzt auf die Idee, eine erzählerische Basis für das Zusammentreffen zu schaffen. Und dafür verantwortlich zeichnet Paul Gardner, der mittlerweile zu den Veteranen der Branche gezählt werden dürfte und der als Schreiber sowohl Erfahrung im Comic-Bereich als auch bei Videospielen gesammelt hat. Auf der einen, der Comic-Seite, hat er u.a. für den Dieselpunk-Comic Carbon Grey von Hoang Nguyen das Skript geschrieben. Und auf der anderen hat er nicht nur für das Mäuse-Abenteuer Ghost of a Tale (zur Vorschau, Eindruck: gut) die Story mit entwickelt, sondern auch für die Comic-Umsetzung Afro Samurai (2010) oder das Horror-Spiel Splatterhouse in die Tasten gehauen. Unterstützt wird er hier von Frank Tieri, der ein reichhaltiges Portfolio vor allem bei Marvel, aber auch bei DC Comics gesammelt hat und schon bei Marvel vs. Capcom 3 mit von der Partie war.

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Die Geschichte, in der Helden aus den Marvel- und Capcom-Universen kooperieren müssen, ist konzeptionell gelungen. Bei der Dramaturgie und den Dialogen gibt es allerdings Nachholbedarf. © 4P/Screenshot

Dementsprechend schlüssig klingt das Story-Konzept auch hier: Im Rahmen der so genannten Konvergenz (die genauen Gründe lassen wir aus Spoiler-Gründen außen vor) werden die Welten der Marvel- (hier insbesondere das von Mega Man X) sowie der Capcom-Universen verschmolzen. Eines der unvermeidlichen Ergebnisse ist das Entstehen des Superbösewichts Ultron Sigma, der (natürlich) ein Amalgam der Antagonisten Ultron (Marvel Avengers) und Sigma (Mega Man X) ist, die nicht nur in ihrem Hass auf alles biologische Leben vereint sind. Da Ultron Sigma zwei der die Realität verbiegenden Unendlichkeitssteine besitzt, scheint die einzige Möglichkeit für die von Captain America und X angeführten Helden das Finden der übrigen vier Steine zu sein. Und das so schnell wie möglich – zumal auch noch andere Parteien involviert sind, die an den Juwelen interessiert sind.

Verschenktes Potenzial


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Rocket Raccoon gehört innerhalb des uneinheitlichen Artdesigns zu den besser ausgearbeiteten Figuren. © 4P/Screenshot

So interessant das erzählerische Konzept ist, so unausgegoren und qualitativ schwankend ist die Umsetzung während des etwa viereinhalb bis sechs Stunden langen Story-Modus. Die Dialoge haben eine Bandbreite von gelungen bzw. spannend bis hin zu fremdschämen und in seltenen Fällen sind die Einzeiler sogar hochnotpeinlich, so dass die in Ansätzen aufgebaute Atmosphäre immer wieder torpediert wird – was angesichts der grundsätzlichen Qualität der Schreiber einen merkwürdigen Eindruck hinterlässt. Klar: Man kann argumentieren, dass hier ähnlich wie bei Netherrealms DC-Superhelden-Prügler Injustice 2 die Story-Sequenzen eigentlich nur da sind, um zum nächsten Kampf überzuleiten. Doch das ist mir zu einfach. Denn zum einen sind die Dialoge bei Batman, Superman & Co zwar auch nicht über alle Zweifel erhaben, aber im Durchschnitt mindestens eine Klasse besser. Zum anderen ist die Inszenierung dort ungleich griffiger – und nutzt die auch in Infinite verwendete Unreal Engine um einiges besser bzw. effizienter. Während die Übergänge zwischen Zwischensequenz und Kampfgeschehen bei den DC-Helden nahtlos passieren, gibt es hier nicht nur stets eine unterbrechende Ladezeit, die auf der Xbox One sogar frustrierende Ausmaße annehmen kann. Zugleich zeigt die visuelle Qualität zwischen Cutscene und Kampfdarstellung bei Marvel vs. Capcom deutlich sichtbare Unterschiede, während Injustice 2 hier „wie aus einem Guss erscheint“.