Legt er in der Werkstadt ein paar Dollar drauf, darf er seinem Vehikel außerdem ein personalisiertes Nummernschild oder schicke Reifen verpassen sowie Motor und Fahrverhalten verbessern. Auch die Reparatur eines zerschrammten Wagens kostet Geld, das er ohne »Nebenverdienst« selten im Überfluss hat. Verzichtet er hingegen auf die Pflege, qualmen irgendwann die Zylinder. Einen derart zerstörten Motor müsste er von Hand wieder fit machen, so dass er das Auto wenigstens in die nächste Werkstatt retten kann – ein rüder Fahrstil hat also nicht nur gesundheitsgefährdende Folgen.
Außerordentlich stimmungsvoll ist auch der Soundtrack, denn wie im Vorgänger werden Menü und Filmszenen mit ausgezeichneten Orchesterstücken unterlegt. Ähnlich wie in Grand Theft Auto gibt es diesmal außerdem ein Autoradio, in dem drei Stationen neben Nachrichtigen zum Zeitgeschehen (bald soll man den Fernseher über eine Fernsteuerung bedienen können!) die Musik der 40er und 50er Jahre spielen. |
Eine wundervolle Tradition führen die Entwickler zudem aus dem Vorgänger fort: Wer viel fährt, muss an die Tankstelle! Benzin kostet zum Glück aber nicht die Welt.
Der Wolf im Schafspelz
Ich musste gleich mehrmals zahlen. Empire Bay ist so bildgewaltig, dass ich jeden Ausflug genossen habe. Die frei erfundene Metropole – ein Cocktail aus New York, San Francisco und anderen amerikanischen Städten – wirkt vom Armenviertel über die Innenstadt bis hin zur Villensiedlung in den Hügeln ungemein authentisch. Einzigartig waren schon die ersten Tage, kurz nachdem Vito verwundet aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte. Es waren nicht nur die verrauschten Nachrichtensprecher, die den baldigen Sieg der Alliierten prophezeiten oder jene Lieder, die den Vormarsch der US-Armee ausgelassen verharmlosten. Es war vor allem das Schneetreiben zwischen den Backsteinmauern, das die winterliche Idylle zu etwas Besonderem machte. Schnee knarzte unter den Füßen, Autos schlitterten über vereiste Straßen, Fußgänger rutschten auf dem glatten Gehweg: Fast konnte man Weihnachtslieder aus den belebten, wenn auch nicht begehbaren Schaufenstern hören.
Zu häufig wiederkehrende Elemente wie die ständig gleichen Frisuren der weiblichen Passanten, selbst bei Nacht geöffnete Läden sowie technische Schwächen der Konsolenfassungen stören den Eindruck leider ein wenig: Eckige Kanten und eine niedrige Bildrate stechen auf beiden Systemen ins Auge. Auf PS3 fehlen noch dazu Kleinigkeiten wie das spiegelnde Eis der zugefrorenen Straßen. Am PC ist das Bild nicht nur schärfer und detaillierter, sondern auch flüssiger. Nur optionale Physikeffekte wie im Wind flatternde Mäntel oder in tausend Splitter zerberstende Scheiben verlangsamen das Geschehen selbst auf starken Rechnern. Nicht zuletzt verweigert die PC-Technik nach langen Sitzungen schon mal die Zusammenarbeit und bleibt einfach hängen. Spätestens im Sommer des Jahres 1951, als das Bild in den Straßen stärker an den Vorgänger erinnerte, fehlten mir außerdem öffentliche Verkehrsmittel. Zwar halten Busse an Haltestellen – einsteigen darf Vito aber nicht. Ich vermisse besonders die Hochbahn, in der ich einst lieber unterwegs war als in den schon damals edlen Vehikeln. Zumindest stellen die Entwickler an anderen Stellen kleine Verbindungen zum ersten Teil her, die einen starken Eindruck hinterlassen.
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Mafia II legt viel Wert auf eine glaubwürdige Darstellung des Gangsteralltags, wie ihn sich das Kino vorstellt. Packende Bleiwechsel kommen allerdings nicht zu kurz! |
Man sollte stehenbleiben und genau hinhören, wenn Vito und Joe in ihrer Verkleidung als Reinigungskräfte aus dem Fahrstuhl steigen…
Im Jahr 1951 wird aber noch etwas ganz anderes deutlich: So ambitioniert das Drama um Vito Scaletta auch ist und so hervorragend es inszeniert wird – so sehr fehlt ihm eine konsequente Linie. Stattdessen ist jedes der insgesamt 15 Kapitel nicht nur spielerisch eine in sich geschlossene Einheit, sondern steht auch erzählerisch meist für sich. Natürlich bauen die Abschnitte aufeinander auf. Ich fühlte mich allerdings an die Romanvorlage zu The Witcher erinnert: Auch die erzählt ihre zusammenhängende Geschichte nicht in einem Fluss, sondern in Kapiteln, die in sich abgeschlossenen wirken. Vitos Auftreten kann zudem täuschen. Denn so nachvollziehbar sein Aufstieg in La Famiglia auch ist und so konsequent er sich zum skrupellosen Mörder entwickelt, so wenig spiegelt sich seine Persönlichkeit in Worten und Taten wider. Als er auf dem Weg zu seinem letzten Auftrag ist, hängen seine Vergehen gegen die Menschlichkeit wie der graue Regen über dem jungen Mafiosi – und trotzdem ist er noch der unauffällige schöne Mann, der er vor sechs Jahren war. Wenigstens eine Narbe hätte seiner Charakterisierung gut getan. Stattdessen lässt er viel zu selten den dreckigen Killer durchblitzen. Spätestens mit dem radikalen finalen Schnitt, der in einer Zeit der Download-Inhalte eine Fortsetzung andeuten könnte, zeigt sich somit, dass Mafia II ein gelungener Nachfolger – aber nicht die konsequente Weiterentwicklung – einer großartigen Geschichte ist.