Veröffentlicht inTests

Mafia 2 (Action-Adventure) – Mafia 2

Dunkle Regenschauer scheinen Empire Bay zu erdrücken. Der graue Schleicher verschluckt das leidenschaftliche Brummen des Verkehrs. Als wollte er das Unrecht vergessen machen, das hier geschehen ist. Als spülte er neues heran. Die Schritte fallen Vito Scalettas schwer. Oder kommt es mir nur so vor? Ich habe gesehen, wie aus dem unschuldigen jungen Mann ein ruchloser Mörder wurde. Ich war dabei, als er die Kontrolle über das Blutvergießen verlor. Vito Scaletta ist kein guter Mensch. Dies ist seine Geschichte.

© 2K Czech / Take 2

Ein anderes Element moderner Action ist die feste Deckung, hinter der Vito auf Knopfdruck-Geheiß Schutz sucht – Mafia II ist ein Shooter wie er heute im Buche steht und spielt sich auch so. Weniger ausgefeilt sind Faustkämpfe, in denen sich Vito ähnlich wie in Tekken nur in Relation zu seinem Kontrahenten bewegt. Die Mechanik gefällt mir, weil man taktisch boxt, anstatt immer wieder in den luftleeren Raum zu prügeln. Trotzdem war ich froh, dass Vito nur selten so unmittelbar auf einen Gegner prallt, denn spielerisch schrammt das Boxen unverschämt knapp an der Wimmelbildsuche vorbei. Es gibt gerade mal zwei Angriffskombinationen: zwei schwere und drei leichte Schläge. Halte ich einen dritten Knopf gedrückt, weicht Vito automatisch aus. Damit erschöpfen sich die Möglichkeiten im Grunde schon. Zu allem Überfluss liegt die Gamepad-Taste zum Ausweichen auf Kreuz bzw. A, so dass ich ungünstige Blickwinkel der freien Kamera in der Defensive nur mit Mühe korrigieren kann. So überzeugend die virtuellen Stuntmänner stolpern, wenn sie angeschossen werden, so müde wirken sie im Duell Mann gegen Mann – aus dem hätten die Entwickler mehr rausholen müssen.

Das Leben und Sterben des Vito Scaletta

Ohnehin wirken alle Versatzstücke bis auf die zentralen Elemente Action und Fahren nicht voll ausgereift. Das Schleichen und lautlose Ausschalten von Wachen bedeutet z.B. kaum mehr als halbwegs clevere Deckungswechsel, wenn die Gegner gerade nicht hinschauen. Das löbliche Wegschleifen der Toten wird leider kaum verlangt. Immerhin habe ich in den ansonsten geradlinigen Kapiteln überhaupt die Wahl, einen Auftrag klammheimlich oder mit Getose zu erledigen. Nach einem Fehler werde ich zudem an faire Speicherpunkte zurückgesetzt. Nur wenn ich Empire Bay in Ruhe entdecken will – um einen Mantel einzukaufen, Munition aufzustocken oder gar einen neuen Wagen zu stehlen – zeigt sich Mafia II von seiner unbarmherzigen Seite. Sämtliche Speicherpunkte sind nämlich vorgegeben und nur an diesen hält das Spiel den Fortschritt fest. Und weil zum Fortschritt auch das Aneignen neuer Fahrzeuge, neuer Waffen und neuer Kleider gehören, kann der Lohn stundenlanger Arbeit verlorengehen, falls Vito unerwartet umkommt. Wie gesagt. So sehr der Verzicht auf ein Stehaufmännchen die Glaubwürdigkeit erhöht, so dringend müssten die kleinen Errungenschaften auf dem Weg zum nächsten Auftrag gespeichert werden.

Eine der größten Stärken des Mafia-Thrillers sind die authentischen Oldtimer samt ihres schlittrigen Fahrverhaltens. Vito kann jeden seiner Wagen tunen, lackieren und ihnen sogar ein persönliches Nummernschild verpassen.


Häschen im Betonwald

Vitos umfassender Berufsalltag geht dafür Hand in Hand mit dem, was er abseits der Handlung erlebt. Denn obwohl das Erkunden von Empire Bay City gerade im Vergleich zu Yakuzas Kamurocho-Viertel nahezu keinen spielerischen Nutzen hat, tragen die wenigen Freiheiten so viel zur stringenten Inszenierung bei, dass man ihr den interaktiven Thriller abnimmt. Von den in allen Ecken verstreuten Playboy-»Portraits« ist dabei nicht die Rede. Um an Geld zu kommen, könnte Vito aber Fahrzeuge stehlen und in der Schrottpresse eines Kumpels zu Ersatzteilen verarbeiten. Weitaus gefährlicher ist das Ausrauben von Kleiderläden oder Waffenhändlern. So füllt er nicht nur seine Kasse, sondern auch Kleiderschrank und Arsenal. Dabei muss er höllisch aufpassen: Einige Kunden könnten Waffen tragen und die Polizei erscheint meist im Handumdrehen vor Ort. In einer solchen Situation bleiben Vito drei Möglichkeiten: fliehen, die Polizisten erschießen oder sich stellen. Bevor er verhaftet und zum aktuellen Speicherpunkt zurückgesetzt wird, könnte er sich ja mit einem Batzen Schmiergeld freikaufen…

Die Staatsdiener agieren ohnehin angenehm clever. Ihre Fahndung unterscheidet z.B. zwischen Vito und einem gestohlen gemeldeten Auto; sitzt der Gangster hinter dem Steuer, erkennen sie ihn deshalb erst nach langem Hinsehen. Auch sonst müssen die Polizisten erst Rücksprache mit ihrer Zentrale halten – fährt ein gesuchter Mann sehr schnell an ihnen vorbei, schlagen sie gar nicht erst Alarm. Dennoch ist die Fahndungsakte einer der Gründe, weshalb Vito Geld benötigt: In einem neuen Outfit oder einem frisch lackierten Fahrzeug »verschwindet« er nämlich aus dem Blickfeld der Fahnder. Vorsicht: Wird er erwischt, wie er in aller Öffentlichkeit eine Waffe zieht, kommt er sofort wieder in die Liste gesuchter Verbrecher! Leider kann es auf der Flucht allerdings passieren, dass ihn die vor der Tür wartenden Polizisten wortlos gehen lassen, falls er im richtigen Moment ein andersfarbiges Hemd überstreift.