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Lords of the Fallen(Action-Rollenspiel) – Mausgraue Mittelklasse oder Soulslike-Schwergewicht?

Als Lords of the Fallen vor fast zehn Jahren in den Ring stieg, hatte Dark Souls erst drei Jahre auf dem Buckel und das Genre des „Soulslikes“ steckte noch in den Kinderschuhen. Der damals vom deutschen Entwicklerstudio produzierte Titel trat mit großen Tretern in die Fußstapfen From Softwares und bediente sich bereitwillig an der Vorlage. Trotzdem schien es mit der Schuhgröße nicht so recht zu passen: Ein Kampfsystem, das schwerfällig wirkt, aber sich spielt, als würde man auf Seife durch die Gegend schlittern, eine langweilige und undurchdachte Riege an Bossgegnern sowie generisches Level-Design sorgten für eine sehr holprige Erfahrung. Mit mehr als drei Millionen verkauften Einheiten war Lords of the Fallen trotzdem ein kommerzieller Erfolg und daher verwundert es nicht, dass Publisher CI Games die Marke noch nicht aufgeben wollte. Entsprechend durfte sich nun das hauseigene Studio Hexworks ans (Hexen-)Werk machen und das Soulslike mit einem Reboot nochmal ins Rampenlicht stellen. Wir haben uns knapp 40 Stunden lang durch Axiom und Umbral geschnetzelt und verraten im Test, ob der zweite Versuch gelingt oder Lords of the Fallen erneut über die Genre-Stiefel stolpert.

© CI Games / Hexworks / CI Games

Eine Einkaufsliste voller Kleinigkeiten
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Mit den Überrestesamen könnt ihr euren eigenen Speicherpunkt erschaffen. Doch Vorsicht: Pflanzt ihr einen neuen, verwelkt der alte. © 4P/Screenshot

Abseits vom technischen Schluckauf, dem durchwachsenen Kampfsystem und der größtenteils mittelmäßigen Riege an Bossen bringt Lords of the Fallen noch ein paar seltsame Design-Entscheidungen oder Problemchen mit sich, die beim Spielen an den Nerven zerren können. Da wäre zum einen die Gegner-KI, die ab und an nicht mit der Umgebung klarkommt, an Ecken oder Bruchstücken auf dem Boden hängen bleibt oder in seltenen Fällen sogar an höhergelegenen Orten außerhalb meiner Nahkampfreichweite landet, um dort dann festzustecken. Zum anderen landen die Seelen der besiegten Feinde nicht immer automatisch im Inventar, sondern müssen mühsam mit der Laterne eingesammelt werden. Ebenfalls anstrengend: Texturen flackern manchmal wie beige Discokugeln und ploppen genau wie Gegenstände der Umgebung, etwa Töpfe oder Kerzen, häufig merklich aus dem Nichts auf.

 

 

Gegnerplatzierungen sind derweil grundlegend durchdacht und wirken nicht wahllos, wenn man von den unendlich spawnenden Standardgegnern in Umbral absieht, die alleine nie zur Bedrohung werden, aber mit ihren Scharen selbst simplere Begegnungen in echte Albträume verwandeln können. Dazu kommen viele Abkürzungen, etwa durch herabfallende Leitern oder verschlossene Türen, die häufig aber alles andere als sinnvoll sind und auf die Navigation durch die Gebiete manchmal überhaupt keinen Einfluss haben. Vor allem Fahrstühle sind nervig statt hilfreich: Dank automatisch schließender Türen lassen sich die nämlich nicht durch das Betätigen des Bodenschalters zurückschicken, sondern müssen mühsam mit Hebeln gerufen werden – eine sehr fragwürdige Entscheidung.

 

Auch die Verteilung der Checkpoints ist häufig alles andere als nachvollziehbar: Neben den festen Überresten, die mal Kilometer lang auseinanderliegen und dann wiederum nur einen Katzensprung voneinander entfernt sind, gibt es noch eine Vielzahl an Umbral-Blumenbeeten, an denen ihr mithilfe eines Überrestesamens einen temporären Speicherpunkt erschaffen könnt. Hier scheint es der Gärtner ein wenig zu gut gemeint zu haben: Die auf euren Samen wartende Erde ist an jeder Straßenecke Axioms zu finden, teilweise in Sichtweite voneinander. Das verleiht mir zwar eine Menge Optionen, um mir einen Standpunkt für meinen Checkpoint in Eigenregie zu überlegen, ist in der schieren Menge aber alles andere als nötig gewesen.

 

Atemberaubendes Axiom und unwirkliches Umbral

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Schwindelerregende Architektur und ein schöner Kontrast von rot und beige: Abseits von dunklen Minenschächten ist Lords of the Fallen ein echter Hingucker. © 4P/Screenshot

Wenn nicht gerade wieder die Texturen flackern, sich Tontöpfe aus einer anderen Dimension materialisieren oder die Framerate in den Keller fällt, kann sich Lords of the Fallen wirklich sehen lassen. Ein Cyberpunk 2077 oder Horizon Forbidden West solltet ihr zwar nicht erwarten, aber in seinem Genre sticht das Soulslike-Reboot durchaus mit seiner grafischen Qualität und dem hohen Detailgrad heraus. Die im Fackelschein schimmernde Rüstung, die Holzmaserung von Bäumen am Wegesrand und fein gearbeitete Steinornamente in der Himmelsrastbrücke, dem Hub des Spiels, laden ein zum Stehenbleiben und Staunen. Gleiches gilt für die kleinteiligen Partikeleffekte: Die Wechsel von Axiom nach Umbral und zurück finden mitsamt einer staubigen Schmetterlingsexplosion statt, bei der mein Charakter in die flinken Flattermänner zerspringt und sich dann wieder zusammensetzt.

 

 

Die Grafik ist bekanntlich nur die halbe Miete, doch auch in Sachen Artdesign weiß Lords of the Fallen zu begeistern. Zwar finden sich Soulslike-typisch auch düster-dröge Höhlen und Giftsümpfe in matschigen Braun-Grautönen, trotzdem wird mit brennenden Dörfern, von knallroten Pflanzen umrankten Klöstern und funkelnden Schneelandschaften jede Menge optische Abwechslung geboten. Der Star des Spiels ist allerdings Umbral, das mit seinen außerirdischen Strukturen und gewaltigen, gesichtslosen Kreaturen, die regungslos dasitzend für eine wirklich bizarre Kulisse sorgen, in exorbitanten Maßstäben beeindruckt. Verstörend und gleichzeitig wunderschön: Hier zückt man trotz Gegnerhorden gerne mal den Fotomodus.

 

Wenn das Orchester die Stille zerreißt

In Sachen Soundtrack fährt Lords of the Fallen die konventionelle Soulslike-Schiene: Beim Erkunden der verschiedenen Gebiete herrscht atmosphärische Ruhe, um das Schwertersurren, das fleischige Feedback, das Gegnergeschrei und die gehetzten Schritte meiner Kriegerin auf dem nachgebenden Schlamm- oder festen Steinboden zur Geltung zu bringen. Betrete ich jedoch eine Bossarena und bekomme eine Lebensleiste am unteren Bildschirmrand zu sehen, springen Streicher, Bläser, Trommler und theatralische Chöre aus dem Orchestergraben und musizieren sich die Seele aus dem Leib. Auch wenn die Begegnungen zumindest spielerisch nicht immer für einen pochenden Puls sorgen, hält das das Orchester nicht von einer entsprechenden Dreingabe ab.

 

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Da bleibt nicht nur mir die Spucke weg: In den überdimensional gestalteten Leveln hält sich der Soundtrack angenehm im Hintergrund. © 4P/Screenshot

Die musikalische Mischung funktioniert, denn die auditive Zurückhaltung in den Arealen sorgt für größere Authentizität, während die anschwellende Orchestrierung ihr Bestes gibt, um auch die lahmeren Bosskämpfe unterhaltsam zu gestalten und die ohnehin schon gelungenen noch besser macht. Mit Pauken und Trompeten, Geigen, Orgeln und der vollen vokalen Breitseite hetzt mich der Soundtrack stimmungsvoll über das Schlachtfeld. Und wer Lords of the Fallen auf der PlayStation 5 spielt, darf sich darüber hinaus noch über feine Soundeffekte aus dem Controller freuen, die zusammen mit dem haptischen Feedback beim Aufladen von schweren Angriffen für das kleine bisschen Extra an Immersion sorgen.