In Bruchstücken erzählt
Und trotzdem verhaspelt sich das Trio leider, verliert sich irgendwann in seinem Konzept, ohne es sinnvoll fortzuführen und hatte deshalb auch mich ab der Hälfte etwa fast komplett verloren. U.a. schließen sich nämlich immer mehr Personen der Gruppe um den alten Mann an, sodass die fokussierte Erzählung schon deshalb auf der Strecke bleibt. Man bleibt zudem immer häufiger am Wegrand stehen, um Anekdoten aus dem Leben Anderer zu erfahren, die schon zwei Minuten später keine Rolle mehr spielen.
Wirkt der dritte Akt mit dem erwähnten Spiel im Spiel noch wie ein interessantes Zusammenführen der Beobachter vorm Bildschirm und der fiktiven Charaktere, trägt er inhaltlich schon kaum noch Neues bei. Akt vier fühlt sich schließlich wie ein erzwungenes Strecken der Spielzeit an, dem ich fast nichts mehr entnehmen konnte. Ständig wird man aufgehalten, um noch diese, später jene und dann eine weitere Anekdote zu lesen. Obwohl es auch später noch interessante Gedanken und Möglichkeiten der Interpretation gibt – etwa eine unter das Dach einer Lagerhalle verlegte Siedlung – funktioniert die Reise über recht lange Strecken nicht als geschlossenes Abenteuer. Weniger wäre sowohl in Bezug auf die Charakterriege als auch die erzählten Bruchstücke mehr gewesen.
Eine Sammlung von Anekdoten
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Zu allem Überfluss entpuppen sich einige zunächst interessante Elemente als Selbstzweck, der keinen weiterführenden Nutzen hat. Die Antwort auf die Frage, ob man Erinnerungen selbst schreibt und ob das entsprechende Auswirkungen hat, fällt etwa ernüchternd aus: Nichts dergleichen ist der Fall. Es sind auf den Moment beschränkte Gesprächsoptionen, damit solche überhaupt vorhanden sind. Nun bin ich ein großer Freund interaktiver Unterhaltungen, in denen man eben nicht am Rad des großen Schicksals dreht, denn diese Entscheidungsmacht hat mit realem Erleben wenig zu tun. Damit man sich wie ein Teil des Geschehens fühlt, müsste das Umfeld aber trotzdem reagieren oder zuvor Gesagtes aufnehmen.
Abgesehen davon empfand ich einige spätere Texte als seltsam profan. Wenn eine Person etwa ihre Version einer Anekdote erzählt, nur damit eine andere direkt im Anschluss ein anderes Licht darauf wirft, wirkt das wie ein lieblos hingeworfener Knochen. Würden ganz frühe, womöglich zentrale Erkenntnisse einen anderen Anstrich erhalten, wenn man sie viel später aus einer anderen Perspektive kennenlernt, hätte das einen bleibenden Eindruck hinterlassen können. Auf solche Offenbarungen verzichtet Cardboard aber.
Und so findet Kentucky Road Zero schließlich ein Ende, das zum Glück noch einmal Fahrt aufnimmt, weil es die lange Reise in jeder Hinsicht schlüssig beendet. Schade, dass es zu diesem Zeitpunkt aber längst nur noch eine Sammlung von Anekdoten ist, die bei weitem nicht so geschlossen funktioniert, wie es die Filme von David Lynch tun.