Veröffentlicht inTests

Iron Harvest (Taktik & Strategie) – Die Wucht der Kampfmaschinen

Abgesehen von Remaster-Editionen und Remakes ist im Echtzeit-Strategie-Bereich nahezu nichts los. Das einst so große Genre fristet seit Jahren ein Schattendasein – und da ist neues Futter mit Iron Harvest von King Art Games und Deep Silver herzlich willkommen. Im Gegensatz zu vielen anderen RTS-Titeln aus den letzten Jahren macht Iron Harvest seine Sache gut und lebt von seinem sensationellen Szenario, kämpft aber auch mit den eigenen Ambitionen und Fehlern.

© KING Art Games / Deep Silver

Maue Infanterie, tolle Mechs, wenig Tiefgang

Die Einheiten-Vielfalt der Infanteristen der drei Fraktionen ist ziemlich unspektakulär. Sie können zumindest ihre Waffe austauschen oder Standgeschütze wie Miniguns oder Kanonen nutzen. Erst die Mechs und Kampfläufer bringen die richtige Würze und Wucht in die Gefechte, schließlich lassen sich nahezu alle Objekte auf den Karten mit entsprechender Feuerkraft dynamisch zerstören – und wenn Artillerie, Mörser und Co. einschlagen, bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Mechs reißen Gebäude bei bloßen Bewegungen ebenfalls ein. Die Deckungsmöglichkeiten sind auch zerstörbar, weswegen sich viele Infanteristen im Kampf gegen die Maschinen nur auf ihre Schnelligkeit und panzerbrechende Waffen verlassen. Die Zerstörung auf den Schlachtfeldern ist mit das Eindrucksvollste an Iron Harvest – und das ist abermals der knalligen Soundkulisse zu verdanken. Wenn die eisernen Kampfmaschinen über eine etwas bessere Wegfindung verfügen würden, Staus an Engstellen vermeiden und gerne gleich den direkten Weg durch das Gebäude nehmen würden, wärem sie im Einsatz noch stärker.

Enttäuschend sind hingegen Basisbau, Ausbaumöglichkeiten und Taktiktiefe. Das Spiel fokussiert sich auf das Mikro-Management beim Truppenkommando, hektische Mehrfronten-Konflikte und das Auskontern von Einheiten nach dem Schere-Stein-Papier. Das meiste findet an der Front statt. Der Basisbau ist nur rudimentär. Es gibt Hauptquartier, Kaserne, Werkstatt, Bunker, Sandsäcke und das wars. Die meisten Gebäude haben zwei Ausbaustufen. Es gibt keine Möglichkeiten, die Einheiten in einem Techlabor aufzuwerten oder gezielt mit neuen Fertigkeiten zu versorgen, um die eigene Taktik anzupassen. Alles ist sehr rudimentär. Gleiches gilt für das Ressourcen-Management. Stahl und Öl liegen als wertvolle Pickups auf den Karten oder werden von stationären Quellen produziert, sofern man sie erobert hat. Auch Flaggenpunkte für Siegpunkte und ein Einheitenlimit dürfen nicht fehlen.  

Übersichtliche Unterschiede

[GUI_STATICIMAGE(setid=89237,id=92623518)]
In den zumeist ordentlich inszenierten Zwischensequenzen bleiben Mimik, Gestik und Haardarstellung hinter den Erwartungen zurück. © 4P/Screenshot


Die Unterschiede zwischen den drei Fraktionen halten sich in Grenzen. Die Infanterie-Einheiten von Polania können die „Mechwarrior“ gut nerven, wirken sonst eher technologisch rückständig und günstig. Das sächsische Imperium setzt auf eher langsame Truppen mit viel Feuerkraft und hoher Reichweite, ideal um bestimmte Punkte zu verteidigen. Die Rusviets verfügen über mobilere Einheiten mit viel Feuerkraft, die meist keine große Reichweite haben. Diese Unterschiede kommen, wenn überhaupt, erst in fortgeschrittenen Partien zum Tragen. Mehr Unterschiede bei den generellen Spielstilen wären wünschenswert gewesen, zumal die Einheiten selbst nur über Standard-Funktionen verfügen und die Spezialfähigkeiten der Helden insgesamt zu zaghaft wirken. Das höchste der Gefühle ist, dass die Mechs auf ihrer Rückseite mehr Schaden erhalten und die Einheiten im Kampf an Erfahrung gewinnen und nach Rang-Aufstiegen spürbar stärker werden. Viel mehr Komplexität gibt es leider nicht. Und manchmal wirkt es so, dass die Einheiten eher träge auf Befehle reagieren. Der Rückzug der Infanteristen ist ohnehin zu langsam.

Abseits der Kampagne

Neben der Kampagne bietet Iron Harvest im momentanen Zustand zu wenig. So gibt es nur sechs Karten für Gefechte gegen KI oder andere Spieler, drei Herausforderungskarten und einen Multiplayer-Modus mit Quickplay und eigenen Matches. Der versprochen Koop-Modus für die Kampagne soll später im September folgen. Ebenso nachgeschoben werden neue Karten, der Start der Ranglisten-Saison, der Kodex als Glossar und die Auto-Cast-Funktion für Spezialfähigkeiten, was schon der Verdacht weckt, dass das Spiel zu früh auf den Markt gebracht wurde. Die verschobene Veröffentlichung im Epic Games Store untermalt dies ebenfalls. Zumal die Kommunikation seitens Entwickler und Publisher besser sein könnte, da das Spiel auf Steam mit dem Koop-Modus beworben wird, ohne diesen aktuell zu bieten – und die Bekanntgabe der September-Roadmap ließ ebenso mehrere Tage auf sich warten.