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God of War Ragnarök im Test: Ein Meilenstein der Spielegeschichte

Über vier Jahre lang hatte Sony Santa Monica Zeit, (s)ein herausragendes Spiel zu übertreffen: Das 2018er God of War war schon extrem gut: umfangreich, superschick, spannende Geschichte, starkes Kampfsystem und bombastische Spielwelt. Kann God of War Ragnarök das wirklich toppen? Ohne den „Alles auf links“-Reboot-Bonus? Die Antwort ist so klar und donnernd wie Kratos Stimme: Ja! Ragnarök ist nicht nur der bislang beste God-of-War-Teil geworden, sondern eines der beeindruckendsten und besten Games überhaupt. Am 9. November erscheint es für PS5 und PS4, wir haben jetzt schon den Test für euch am Start – und verraten möglichst spoilerfrei, was diesen Titel so unfassbar gut macht.

© Sony Santa Monica / Sony Interactive Entertainment

Damit Kratos mehr Treffer einstecken kann und auch seine Wutleiste wächst, sind kurze Ausflüge abseits der offensichtlichen Pfade willkommen – dort warten nämlich viele Truhen, die Äpfel und Hörner zum Verlängern eurer beiden Leisten beinhalten. Die Mini-Aufgaben zum Öffnen der Nornentruhen sind ebenso pfiffig und gut versteckt wie im Vorgänger, und selbst auf engstem Raum schaffen es die Entwickler, zahlreiche Schätze befriedigend zu verbergen. God-of-War-Veteranen schauen ja schon seit 2005 traditionell erstmal gegen die Laufrichtung, ob da nicht eine olle Vase mit Orbs herumsteht – doch auch in dieser Hinsicht hat die Neuausrichtung der Reihe einen Sprung nach vorn gemacht.

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Beide Hauptfiguren klettern kraftvoll ohne Ausdauerleiste – eine Herausforderung ist das nicht, manchmal sind Abzweigungen aber gut verborgen. Und: Was ’ne Fels-Textur! © 4P/Screenshot

Weil nach dem unglücklichen Zusammenprall mit einem Gott die Holzhütte unserer Duos nicht mehr so richtig wohnlich ist, kommen die beiden im Zwergenloft der Schmiedebrüder unter – das fungiert von da an als Basis für künftige Ausflüge und Story-Missionen. Erneut läuft Kratos dann einige Sekunden durchs yggdrasilsche Spektralgeäst, während die Konsole im Hintergrund das nächste Level in den Speicher pumpt. Angesichts der PS5-Power wären diese kurzen Umwege wohl vermeidbar gewesen, Ragnarök sollte aber halt auch über die PS4 hereinbrechen. Wie gut die beiden Versionen laufen, das erfahrt ihr natürlich später im Technikteil weiter unten. Doch zurück zu Kratos und Atreus, zu Brok und Sindri – und auch zu Tyr. Denn der geschundene, große Mann – Sony zeigte ihn schon 2021 im Story-Trailer – wird bald ein festes Mitglied der Truppe und gibt Rat, wenn es darum geht, die nächsten Schritte zu planen. Was führt Odin im Schilde? Lässt sich Ragnarök noch stoppen? Wie gelangt man in andere Welten? Und kann man an diesen düsteren Prophezeiungen wirklich gar nix drehen?

Die besten Pausen der Welt

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Kratos muss mit der Leviathan-Axt viele kleine Knobeleien lösen – die reichen vom Ketten-Durchtrennen bis zum Einfrieren komplexer Mechanismen. © 4P/Screenshot

God of War Ragnarök hat abseits der Story-Pfade nicht nur Nornentruhen, Mini-Schätze und natürlich haufenweise Endgame-Herausforderungen zu bieten, sondern auch viele ausgewachsene Abenteuer am Wegesrand. Ein gutes Beispiel dafür findet sich schon früh in Svartalfheim: Anstatt sich dort nur mit der Suche nach Tyr zu befassen, kann unserer Abenteurer-Duo (bzw. Trio, zählt man den sprechenden Kopf Mimir mit) eine gigantische Wal-Kreatur befreien, die dort im Wasser angekettet wurde. Und dann turnt, knobelt und kämpft man halt mal 30 Minuten auf diesem Leviathan herum – und auch hier gibt es wieder klug verborgene Goodies und kleine Rätseleinlagen. God of War Ragnarök ist dabei sehr modern: Gespräche der drei werden – wie in Uncharted 4 vorgemacht – elegant unterbrochen, wenn Erkundung oder Fights anstehen, und gehen bei der nächsten Bootstour nahtlos weiter. Atreus animiert seinen Erzeuger sogar zu Abstechern an geheime Orte oder zum Verweilen in einer der Welten, auch wenn die Story an anderer Stelle weitergeht. All das fühlt sich einfach richtig gut, richtig rund an.

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Echtzeit-Sequenz in irrer Grafikpracht: Die junge Frau links im Bild tauchte schon im 2021er Story-Trailer auf – jetzt endlich erfahren wir, was es mit Angrboda auf sich hat. © 4P/Screenshot

Ihre einst lustigen, inzwischen wie aus der Zeit gefallen wirkenden Kopulations-Minispiele hat die Serie ebenso hinter sich gelassen wie die Gewalt-Climax in God of War 3. Ja, es gibt reichlich derbe, wuchtig-gewaltvolle Momente, sogar ein paar richtig fiese Kills – doch die Serie ist mittlerweile weit mehr als eine Aneinanderreihung möglichst heftiger Hinrichtungen. Ich weiß, zur Läuterung des Charakters und für das starke Finale von Teil 3 waren diese Superlative sinnvoll und wohl auch nötig, doch mir gefällt der besonnenere Mann, der Kratos heute ist, wesentlich besser. Wut und unbändige Power sind ja noch da, aber mittlerweile hat sich Väterchen Frust besser im Griff, kann auch Provokationen herunterschlucken – weil er weiß, dass es nicht zwangsläufig zu einem guten Ende führt, wenn man jedem Feind, jedem Gott, jeder erhabenen Kreatur den Schädel zerdrückt, nur weil man verdammt sauer ist und weil man es kann. God of War Ragnarök inszeniert, wie sein Vorgänger, eine Reise zweier starker Figuren, die sich gegenseitig brauchen, die ein inniges Band haben, aber auch viele Spannungen überstehen müssen. Hier der geläuterte Wutbürger, der jedem Gott misstraut und sich nach einem ruhigen Platz im großen Gefüge sehnt, dort der aufstrebende Jung-Riese, der dem Schicksal mutig ins Antlitz schaut, nach Lösungen für die ganzen Schlamassel sucht und nachts schon mal auf Entdecker-Tour geht – sehr zum Unmut seines… na, ihr ahnt es.