Veröffentlicht inTests

Formula Retro Racing (Rennspiel) – Rasend schön

Wenn Sega jemals Virtua Racing 2 gemacht hätte, sähe es dann aus wie Formula Retro Racing? Immerhin erinnert das frisch auf Steam und Xbox One veröffentlichte Spiel frappierend an Segas Automaten-Klassiker, der seinen Weg später auch auf verschiedene Konsolen fand: Einfarbige Polygone, puristische Arcade-Rennen und ein schmissiger Soundtrack sprechen dieselbe Sprache. Beste Voraussetzungen, nicht wahr? Welches Ergebnis haben die Telemetrie-Daten unseres Tests wohl ausgespuckt?

© Repixel8 / Repixel8

Fatl vor Stoppen?

Wenn Sega jemals Virtua Racing 2 gemacht hätte, wäre es natürlich nicht hauptverantwortlich von einem einzigen Entwickler gemacht worden. Andrew Jeffreys heißt der Mann hinter Entwickler Repixel8, auf dessen Kappe bereits verschiedene Titel gehen, die an gute alte Zeiten erinnern und der als nächstes den Röhren-Raser

Gravity Chase

veröffentlichen will. Womöglich beschränkt sich seine Retro-Formel deshalb jedenfalls aufs Wesentliche: Rennen fahren, die eigene Bestzeit verbessern und im Eliminator-Modus so lange wie möglich gegen ständig schneller werdende Kontrahenten bestehen. Meisterschaften gegen KI-Piloten mit Namen wie „Sir Bastion Fatl“ oder „Maximum Stoppen“ trägt man leider nicht aus.

Macht aber wenig, denn die Einzelläufe sind herrlich fordernd! Wer schon auf dem einfachsten der drei Schwierigkeitsgrade alle Goldmedaillen einheimsen will, hat spätestens an der letzten Strecke mächtig zu beißen. Auf den höheren Einstellungen kommen Unfälle hinzu, die auf der leichten Stufe noch nicht ausgelöst werden, sowie ein Zeitlimit, das kaum Fehler erlaubt. Es dauert also, bis man auf diese Art auf allen acht Kursen den ersten Platz erreicht. Und wem das nicht reicht, der kämpft in weltweiten Ranglisten um Spitzenpositionen.

Mit Vollgas durch die Spitzkehre

[GUI_STATICIMAGE(setid=88311,id=92613410)]
Formula Retro Racing erinnert nicht nur grafisch und akustisch an das erklärte Vorbild. © 4P/Screenshot

Wenn Sega jemals Virtua Racing 2 gemacht hätte, könnte das also in der Tat genauso aussehen und dürfte ähnlich viel Spaß machen. Das markante Rennspielflair der Neunziger Jahre mit seinem aus heutiger Sicht putzigen Simulationsansatz – also ohne den geringsten physikalischen Realismus – fängt Formula Retro Racing jedenfalls klasse ein. Es ist eine Wonne, mit fast Vollgas durch den Hafen von Monaco zu donnern, weil man im richtigen Moment so eingelenkt hat, dass man die gesamte Kurve lang das Digikreuz durchdrücken kann. Wer zu Automatenzeiten virtuellen „Rennsport“ betrieben hat weiß, wie sich das anfühlt. Und tatsächlich rate ich euch nicht den Analogstick zu verwenden. Der lenkt zwar scheinbar genauer, in Wirklichkeit hat man mit kurzen digitalen Eingaben aber in brenzligen Situationen mehr Kontrolle über das Fahrzeug.

Doch egal, wie man es anstellt: Hat man den Dreh raus, umkurvt man auf elegante Art die nur als Hindernis gedachten Gegner, nachdem man deren immer gleiche Schwachstellen verinnerlicht und Bremspunkte auswendig gelernt hat. Dass die Überholvorgänge dabei oft an abenteuerlichen Stellen stattfinden, passt ebenso zum altmodischen Tenor wie gelegentliches Abkürzen über begrünte Auslaufzonen. Ich hatte jedenfalls schon lange nicht mehr so viel Spaß mit dieser profanen Rasanz, was schlicht und ergreifend daran liegt, dass Jeffreys sie beinahe so originalgetreu einfängt wie das kürzlich erst für Switch umgesetzte Virtua Racing höchstselbst.

Spoiler!

[GUI_STATICIMAGE(setid=88311,id=92613407)]
So viel Spaß das eigentliche Fahren macht: Kopf-an-Kopf-Duelle mit den Kontrahenten können anstrengend sein, weil sie sich stellenweise unlogisch verhalten und . © 4P/Screenshot

Zumal: Wenn Sega jemals Virtua Racing 2 gemacht hätte – damals jedenfalls schon –, womöglich würde es sogar ganz ähnlich aussehen wie diese detailgenaue Hommage. Denn in der erinnern nicht nur einfarbige Polygone an das Vorbild, während flotte Gute-Laune-Beats das Gaspedal gefühlt mit Blei stabilisieren. Beim Fahren im Windschatten strömen auch Schweife aus dem voran fahrenden Heckspoiler, der beim Durchfahren enger Schikanen zudem tief in die Kurve gedrückt wird. Besser kann man die verklärte Bildsprache des Sega-Universums kaum einfangen.

Von der KI getrollt

Bedauerlich ist nur, dass – hätte Sega jemals Virtua Racing 2 gemacht – es manche Ärgernisse in diesem nicht gegeben hätte. Ich denke da hauptsächlich an das ausgesprochen irrationale Verhalten der Kontrahenten, weshalb das Fahren auf mindestens einem der Kurse (Schreie der Wut hallen aus den Bergen herab!) geradewegs frustrierend sein kann. Die Gegner ziehen an einigen Stellen nämlich urplötzlich zur Seite und Bremsen in Kurven dermaßen stark ab, dass man ihnen fast unweigerlich ins Heck rauscht, falls man nicht lange vorher schon in die Eisen steigt. Weil sie anschließend aber fast ohne Verzögerung wieder mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs sind, kommt man sich nicht nur dezent veralbert vor, sondern erlebt seltsam wenige Überholmanöver auf den Geraden.

Bedauerlich ist außerdem, dass man weder Tastatur- noch Gamepad-Einstellungen anpassen und nicht nach hinten sehen darf, wenn man die Cockpit-Perspektive wählt. Auf die muss man außerdem nach jedem Start erst wechseln, da sich das Spiel die Einstellung nicht merkt. Jeffreys hat mit kleinen Updates zwar bereits auf Vorschläge der Spieler reagiert und auch weitere Änderungen versprochen, aktuell ist das aber der Stand der Dinge.