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Evercade EXP (Hardware) – Retro-Handheld mit Capcom-Bonus

Die erste Evercade aus dem Hause Blaze hat uns 2020 gut gefallen: Das kleine Handheld besetzte eine süße Retro-Nische für Sammler und Modul-Fans. Nun ist der Nachfolger bei uns im Testlabor: Die Evercade EXP ist wertiger, aber auch teurer und hat standardmäßig eine Capcom-Retro-Collection unter der Haube. Und: Das weiße Handheld trumpft mit eleganter Tate-Funktion auf. Was das bedeutet und wie sich die neue Evercade sonst so schlägt, das klären wir im 4Players-TÜV.

© Blaze / Blaze

Und ewig lebt das Spielemodul

Selbst in Zeiten von Spotify-Playlists, Netflix-Bingewatching und natürlich Spiele-Downloads auf PC und Konsole lebt sie – zumindest bei einigen Spielern – weiter: die Sehnsucht nach greifbaren Games auf Datenträgern. Im Mai 2020 erschien das Retro-Handheld Evercade, eine neue Konsole für alte Videospiele. Das Gerät schuf sich seine eigene Nische, war es doch weder eine klassische Mini-Konsole noch ein Multi-Modulschlucker, der gleich mehrere alte Geräte emuliert und per HDMI auf moderne Fernseher bringt. Nein, auf einer Evercade laufen ausschließlich Evercade-Module: Die kosten je unter 20 Euro und davon gibt es mittlerweile 38 Stück mit Retro-Collections vieler namhafter Entwickler – von Namco bis Atari, von Interplay bis Virgin. Manche Evercade-Module widmen sich einer Plattform (C64, Atari Lynx, Intellivision), andere bündeln modernere Indie- und Homebrew-Titel (Mega Cat Studios Collection) und dann gibt es noch etliche, die speziell Fans japanischer Arcade-Kultstudios glücklich machen (Data East, Irem, Gaelco, Jaleco, Toaplan).

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Größenvergleich: Oben die alte Evercade, unten die neue Evercade EXP. © 4P/Screenshot

Die erste Evercade (hier geht’s zu unserem Test) sah nicht immens hochwertig aus, doch Verarbeitung, Screen und Buttons waren auf ordentlichem bis guten Niveau. Zudem fiel auch der Preis (inkl. einer Namco-Collection) mit 70 Euro moderat aus. Im Dezember 2022 legte Blaze nach: Die Evercade VS wechselte vom Handheld-Charakter zur Mini-Konsole, das Gerät wirft die Evercade-Titel per 1080p-Bild auf den TV, zudem war damit auch Mehrspieler-Zocken möglich. Nun ist der dritte Streich erhältlich – die Evercade EXP. Wieder als Handheld, mit eingebautem Bildschirm. Der ist leuchtstärker und höher aufgelöst als in der alten Evercade (800 x 480 statt ehemals 480 x 272), zudem sorgt die IPS-Technologie für eine verbesserte Blickwinkelstabilität. Die Evercade EXP hat jetzt WLAN an Bord und wird per USB-C (nicht mehr per microUSB) mit Strom gefüttert – eine Ladung soll dann für vier bis fünf Stunden Zocken reichen.

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Ist aufgeräumt und erinnert an den Startbildschirm vieler Mini-Konsolen: das Menü der EXP. © 4P/Screenshot

Die EXP liegt etwas besser und wuchtiger in der Hand, wirkt stabiler und wertiger verarbeitet – zudem gefällt mir das matte Weiß deutlich besser als das glänzende Plastik des Vorgängers mit seinen roten Linien. Die Actionbuttons an der Front sind ähnlich gut wie bisher, das Steuerkreuz ist aber präziser und die Schultertasten nicht nur zahlreicher (4 statt 2) sondern auch knackiger. Zudem sitzen links vom 4,3 Zoll großen Bildschirm nun zwei zusätzliche Buttons, die beim Spielen im Tate-Modus Gold wert sind.

Bildschirm dreh dich!


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Tate-Modus: Capcom-Ballerspiel im Hochkant-Format zocken. © 4P/Screenshot

Tate-Modus? Diesen Fachbegriff kennen vor allem Fans von Shoot’em-Up-Spielen – denn viele von denen setzen klassischerweise auf ein Hochkant-Bildformat. Wenn ein Spiel also „Tate“ unterstützt, dann erlaubt es die Drehung des Spielbildes um 90 Grad – wer z. B. an einem drehbaren Monitor spielt, freut sich dann über ein viel größeres Bild als in der Ansicht, wo links und rechts von der Action dicke Balken den TV oder Monitor mit schwarzem Nichts füllen. Viele Shoot’em-Ups auf Switch unterstützen Tate ebenfalls, mit angesteckten Joy-Cons (und ohne das pfiffige Accessoire Flip Grip) hält sich der Spaß aber in Grenzen. Nicht so bei der Evercade EXP: Mit einem Druck auf einen Button unten am Gerät wechselt man von der Normaldarstellung zu Tate und verwendet dann die beiden erwähnten Zusatz-Knöpfe zum Feuern. Das ist praktisch und fühlt sich gut an – z. B. bei den Capcom-Shoot’em-Ups 1942 und 1943.

Nerdige Spieler schalten per Geheimcodes fünf auf der Evercade EXP versteckte Spiele frei, alle anderen nutzen die Evercade-Module in der eigenen Sammlung – bei mir zuhause stehen mittlerweile 12 Stück, so dass ich weit über 100 Retro-Games zum Durchprobieren habe. Wer nicht so gut aufgestellt ist, für den ist die Evercade EXP ein guter Startpunkt: Das EXP-Bundle kostet zwar 149 Euro, dafür liegt ein Modul bei – das neue Irem Arcade 1 – und zudem sind bereits 18 Capcom-Games auf dem Gerät vorinstalliert.

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Diese 18 Capcom-Games (Version in Klammern) sind auf der Evercade EXP vorinstalliert. © 4P/Screenshot

Bisschen weird für eine Modul-Konsole mit Sammler-Fokus, ein 32-seitiges Farb-Booklet mit Screenshots und Anleitungen zu allen enthaltenen Capcom-Klassikern mindert jedoch den Schmerz: Unter den 18 Titeln (Liste siehe Bild) sind 14 Arcade-Games und vier Heimkonsolen-Spiele. Erstere setzen sich aus vielen üblichen Verdächtigen (Street Fighter 2: Hyper Fighting, Forgotten Worlds, Final Fight) und ein paar selteneren Gästen (Strider, Bionic Commando) zusammen. Das Heimkonsolen-Quartett besteht aus Mega Man, Mega Man 2, Mega Man X und – Überraschung! – dem SNES-Rollenspiel Breath of Fire. Die Spiele aus dem japanischen Traditionshaus sind fast durch die Bank veritable Klassiker, das Gros davon kennen Retro-Liebhaber nun aber wirklich schon aus vielen anderen Sammlungen. Schön, dass diese 18 Games im Gerät verbaut sind – ob sie euch, zusätzlich zur besseren Verarbeitung des Geräts aber das deutliche Preisplus wert sind, müsst ihr selbst entscheiden.