Veröffentlicht inTests

Encodya (Adventure) – Charmantes Duo

Kennt ihr den animierten Kurzfilm „Robot Will Protect You“ von 2018? Falls nicht: unbedingt anschauen! Damit demonstrierte der vielfach ausgezeichnete Nicola Piovesan sein Talent als Regisseur. Aber nach elf Minuten war die futuristische Geschichte schon vorbei. Ihr wollt mehr? Jetzt gibt es für knapp 25 Euro ein Adventure, das über Kickstarter finanziert wurde und in klassischer Point&Click-Manier an die Cyberpunk-Vorlage anknüpft. Ob das Spiel ähnlich faszinieren kann, verrät der Test.

© Chaosmonger Studio / Assemble Entertainment

Nur solide Point&Click-Mechanik

Klingt angenehm vertraut, spielt sich solide, aber die Spielmechanik kann kaum kreative Akzente setzen: Gerade angesichts des Hightech-Themas hätte ich mehr erwartet als ein, zwei nette Gimmicks. Schade ist auch, dass es keine untersuchbaren 3D-Objekte gibt und dass man mit der Lupe ausgewählte Dinge nur wenige Sekunden betrachten kann. Außerdem hätte man bei „falschen“ Kombinationen sinnvolleres Feedback geben können – gerade weil man so viele Items ansammelt.

Zudem klingt „100 Schauplätze“ zwar gut, die meisten sehen auch toll aus, aber viele wirken eher wie Platzhalter mit zu wenig Interaktionen und recht ähnlichen Rätseln – oder sie sind nahezu komplett leer; hier hat man das Spiel einfach künstlich gestreckt. Schön ist, dass man per Doppelklick schnell durch größere Areale sprinten kann, die man wie üblich mehrmals erkunden muss, um auch wirkich alles zu finden – oder mit der Lösung im Gepäck endlich einen Weg zu öffnen.

[GUI_STATICIMAGE(setid=90193,id=92633267)]
Durch Passanten sowie Geräusche wirken die Straßen und Gassen angenehm lebendig. © 4P/Screenshot

Allerdings liegt der Anspruch eher im unteren Bereich, das ist also kein Spiel für Monkey-Island- oder Maniac-Mansion-Veteranen. Es gibt zwar zwei Schwierigkeitsgrade, aber die sind recht strikt: Man kann komplett ohne Hinweise spielen, so dass man wirklich alles mit der Maus absuchen muss – nur darin liegt der Anspruch. Oder man spielt inklusive einer Hotspot-Anzeige für Gegenstände sowie ein paar Tipps von Sam, so dass es letztlich kinderleicht wird – und es nur noch um die Story geht.

Zwischen Komödie und Drama

Leider verliert nicht nur die Spielmechanik, sondern auch die Erzählung an Reiz, die meist zwischen Ernst und situativer Komik schwankt – nur dass sie nicht das Niveau einer „Dramedy“ erreicht, in der man tatsächlich lachen und betroffen sein kann. Nicht falsch verstehen: Der Humor ist durchaus da, aber zündet selten so richtig. Die Gesellschaftskritik ist da, aber wirkt oft wie mit dem Holzhammer ausgeteilt. Man spürt, wieviel Herzblut in dieser Geschichte steckt, aber sie will in ein Spiel verwandelt einfach nicht so funktionieren und emotional binden wie auf der Leinwand.

[GUI_STATICIMAGE(setid=90193,id=92633266)]
Die visuelle Ästhetik ist der Star des Adventures, das deutsche Texte bietet und euch etwa acht Stunden unterhalten wird. © 4P/Screenshot

Auch wenn die Story im Laufe der fünf Kapitel durchaus Überraschungen bietet und Tinas Vergangenheit mit dem Schicksal dieses Neo-Berlin so interessant verknüpft wird, dass man sie durchaus beenden will, wirkt sie oft zu plump und klischeehaft in den Dialogen (die Qualität der englischen Sprecher schwankt übrigens stark), der Charakterzeichnung sowie einfach nicht mehr zeitgemäß, wenn etwa Leute mit Rumpfs‘ VR-Brillen wie willenlose Zombies kontrolliert werden. Hinzu kommt, dass die Dialoge zu selten als oder clever in die Rätsel eingebunden sind, so dass man nicht mit ihnen „spielen“ kann und sie meist schnell durchklickt.

Charmantes Duo

Der Star dieses Adventures ist weder die Mechanik noch die Story, sondern die visuelle Ästhethik. Das Cyberpunk-Szenario ist stimmungsvoll und überzeugt mit toll designten Charakteren sowie Kulissen, in denen die Berliner Architektur mit reichlich japanischem Flair vermischt wird, so dass man sich fast wie in Tokyo fühlt. Sehr überzeugend für ein Adventure dieser Art, die eher statisch in den Schauplätzen wirken, ist zudem das belebte Gefühl in den Gassen, durch die immer wieder Passanten stromern oder putzige Roboter düsen. Auch die Neonreklamen, Graffito und Hintergrundgeräusche tragen positiv zur urbanen Atmosphäre bei. Schließlich seien auch die deutschen Texte erwähnt, wobei es allerdings nur englische Sprachausgabe gibt – was angesichts mancher deutscher Durchsagen und schwarzrotgoldener Wahlplakate natürlich befremdlich wirkt.

  1. Finde den Artstyle auch ansprechend; werde es sicher einmal spielen, aber schade, dass das "Spielerische" so mittelmäßig ist.
    P.S.: seinsegleichen -> seinesgleichen

  2. Geht mir auch so. Also spezifischer sogar eher das Character-Design der Menschen.
    Das sieht so nach 3D-Art der späten 90er aus - und das mein ich nicht positiv.
    Schade eigentlich...

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1