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Empire of Sin (Taktik & Strategie) – Romeros Familie

Ein XCOM im Chicago der 1920er Jahre? Großartige Idee! Dachte sich jedenfalls Brenda Romero und verbindet den in Echtzeit laufenden Aufbau eines Gangster-Imperiums mit dem vertrauten Figurenverschieben. Denn immer wenn die Mitglieder verfeindeter Banden aufeinandertreffen, entscheidet das Geschick in der Rundentaktik über Sieg oder Niederlage. Leider haben wir im Test bemerkt, dass beim Vermischen vertrauter Konzepte nicht unbedingt auch ein gutes Spiel herauskommt.

© Romero Games / Paradox Interactive / Koch Media

Hinzu kommen der Einsatz von Granaten oder Erste-Hilfe-Taschen sowie besondere Fähigkeiten, mit denen die Kämpfer starke Nahkampfattacken ausführen, sich und andere auch ohne Verbandstasche heilen oder Explosionen nahezu unbeschadet überstehen. Ähnlich wie der XCOM-Ableger Chimera Squad entscheidet dabei eine Charaktereigenschaft über die Reihenfolge, mit der Freund und Feind am Zug sind.

Nicht zuletzt erhält man durch Handel, auf dem Schwarzmarkt sowie als Beute nach gewonnenen Gefechten Waffen und Ausrüstung, die man seinen Kämpfern eigenhändig zuteilt. Und je länger sie Teil der Familie sind, desto mehr Fähigkeiten erlernen sie. Pro Levelaufstieg entscheidet man sich dann auch hier, welche von zwei oder drei Fertigkeiten man ihnen beibringt. Sie steigen sogar in der Hierarchie auf und machen einzelne Viertel ertragreicher, wenn man sie dort als Lieutenant an den Schreibtisch versetzt, oder infiltrieren gegnerische Familien, um Geld zu stehlen oder gar den Boss zu ermorden.

Es kann jederzeit geschehen

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Klassisch XCOM: Auf Kästchen verschiebt man Figuren und aktivert ihre Fähigkeiten. Overwatch spielt eine wichtige Rolle. © 4P/Screenshot

Anders als im großen Vorbild ist die Rundentaktik allerdings nicht strikt vom Echtzeitaufbau getrennt; vielmehr läuft man stets frei durch eins der in sich geschlossenen Stadtviertel Chicagos oder reist in die umliegenden Gebiete, wo man jederzeit das Lokal eines Kontrahenten betreten und die dort anwesenden Wachen attackieren könnte. Man legt außerdem fest, welches Etablissement eines Bosses man gemeinsam mit einer verbündeten Familie angreifen will, um gemeinsam mit deren selbstständig agierenden Begleitern dort aufzuräumen.

Gleichzeitig kommt es deshalb freilich vor, dass man ohne besondere Lust auf einen Bleiwechsel genau dort „spazieren“ geht, wo sich zwei verfeindete Fraktionen gegenseitig vor die Flinte laufen. Überhaupt werden alle an Ort und Stelle befindlichen Figuren immer in die Kämpfe einbezogen. Gut ist das, wenn sich das stark bewachte Casino eines Verbündeten gleich auf der anderen Straßenseite befindet. Weniger praktisch ist es, falls die Polizei ausgerechnet in diesem Augenblick dort patrouilliert. Zu bedenken gilt es außerdem, dass Bosse, mit denen man sich im Krieg befindet, jederzeit eine oder gar mehrere Lokalitäten angreifen könnten, wo dann nur das meist schwache Personal Wache schiebt…

Anstrengendes Dauerfeuer

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Dass die Kamera nicht immer alles Wichtige zeigt, gehört tatsächlich zu den kleinsten Problemen des Spiels. © 4P/Screenshot

An dieser Stelle fangen die Probleme allerdings an – bzw. ist dies einfach nur der Moment, den ich als Einstieg nutze. Tatsächlich ziehen sich ganz verschiedene Probleme nämlich durch das gesamte Spiel und hätten im Grunde die gesamten vorherigen Abschnitte gesprengt, wenn ich an Ort und Stelle gleich darauf eingegangen wäre. Kurz, Empire of Sin funktioniert einfach nicht. Oder zumindest denkbar schlecht. Denn so gut das grundlegende Design auch wirkt, so schlecht zusammengesteckt sind die verschiedenen Bestandteile.

Nehmt z.B. die gerade erwähnten Angriffe feindlicher Syndikate, wegen denen man direkt hintereinander und praktisch ohne Unterbrechung gleich mehrere Etablissements verteidigen muss, indem man die spielerisch langweiligen Wachen befehligt. Der aufgrund seiner Fähigkeiten starke und spielerisch interessante Boss samt seiner ähnlich interessanten Begleiter befindet sich ja meist ganz woanders, auf keinen Fall aber an mehreren Orten gleichzeitig. Also verschiebt man rudimentär ausgebildete Normalfiguren in oft langweiligen Scharmützeln oder hat Glück, wenn massiv überlegene Gegner dem Ganzen ein schnelles Ende bereiten.

Keiner da – aber alle kämpfen

Viel schlimmer ist gar das über weite Strecken ordentliche, mit schöner Regelmäßigkeit aber auch absolut idiotische Verhalten von Freund und Feind, die nämlich gerne ohne jede Not eine sichere Deckung verlassen, nur um im folgenden Zug wieder dorthin zurückzukehren. Bei einem Fluchtversuch stellen sie sich zudem gerne direkt vor einen Gegner, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzugeben.