Seit Terry Prachetts Scheibenwelt-Romanen wissen wir: Ein Drache ist ein Untier, das man sich im wesentlichen einbildet. Jeder stellt sich seinen persönlichen Drachen vor,
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Bis man selbst als Schuppentier durch die Lüfte düsen kann, dauert es ne Weile. Die Mühe lohnt sich aber. |
mit dem man sogar durch die Luft düsen kann – vorausgesetzt man glaubt
daran. Ansonsten droht der jähe Absturz. Bei Divinity 2 geht’s hingegen eher düster zur Sache, denn der Held hat keine Halluzinationen, sondern mutiert schrittweise zum Lindwurm. Denn wer möchte nicht einmal Feuer spucken können? Allerdings ist der Weg lang und steinig, denn man ist anfänglich ein Drachentöter, der das geschundene Land von den Horden des Schwarzen Rings befreien soll. Diese Drachenjäger sind die einzigen, die sich Damian entgegenstellen – der menschlichen Wiedergeburt des Herrn der Finsternis. Ab einer gewissen Stufe kann man sich in ein mächtiges Urzeitgeschöpf verwandeln, das sich luftige Duelle mit dessen Dämonen liefert.
Anders als in vergleichbaren Fantasy-Gefilden sorgt die Drachenmagie in Rivellon nicht nur für Verwüstung sondern auch für aufkeimende Hoffnung. Das merkt auch der Spieler von der ersten Minute an, wenn er erfährt, dass er zu den Guten gehört. Zumindest vorerst, denn düstere Verlockungen lauern bekanntlich an jeder Straßenkreuzung. Passanten beglückwünschen den angehenden Helden und nur wenige verspotten ihn – wohl klammheimliche Anhänger Damians. Obwohl man sich zunächst noch nicht in einen Feuerspeier verwandeln kann, ist man dennoch eine Respektsperson, Wachposten lassen einen durch und bisweilen kann man sogar Befehle erteilen. Doch dann kommt es zur Katastrophe: Die Drachentöter werden in eine Falle gelockt und vernichtet. Fortan ist man der einzige Verbleibende seiner Zunft. Klar, dass man nun Rache für seine toten Kollegen nehmen soll.
Turm zu vermieten
Allerdings ist man zu Beginn ein Frischling, der erst rausfinden muss, wie der Hase läuft. Man spielt einen niederen Söldner,
der die Bauern vor wilden Tieren beschützt und schon damit seine liebe Mühe hat. Selbst ein altersschwacher Goblin kann
einen anfangs verletzten, denn nur im Tutorial sind die einäugigen Gesellen harmlos. Später wird man dann Horden von ihnen metzeln, ebenso wie Skelette, Mutanten oder Räuber. Doch zu Beginn ist man froh, wenn man sich nicht zu weit vom schützenden Dorf entfernt, in dem das Soloabenteuer startet. Obwohl der Einstieg leicht fällt, ist es einem nicht recht geheuer, dass alle einen für einen echten Drachenritter halten. Man hat noch nichts getan und ist schon der Hoffnungsträger im Trümmertal, das von einem riesigen Turm dominiert wird, der an eine kleinere Version von Saurons Behausung erinnert.
Dies war einst Lord Lovis luftiges Refugium, der lange das Sagen im von vielen Wasserläufen durchzogenen Gebirgstal hatte. Ein mythischer Ritter, der eine eiserne Herrschaft etablierte, das Gesindel fern hielt und so für Ordnung im Tal sorgte. Doch dann traf ihn der Fluch eines übermächtigen Widersachers, der ihn in ewige Verdammnis warf. Sein Reich zerfiel und Unholde überschwemmten das Land. Erst nach einigen Erfolgen wagt sich der Spieler überhaupt in die Nähe des riesigen Turmes. Ein Priester des neuen Kultes gibt einem den wahnwitzigen Auftrag, ein Artefakt im Turm zu suchen. Aber wie reinkommen, denn die Tore sind scharf bewacht? Wer nur in deren Dunstkreis kommt, wird mit einem Hagel aus Giftpfeilen und Zaubern eingedeckt. Überall Untote soweit das Auge reicht und dennoch führt kein Weg am Turm vorbei.
Richtig reinknien
Dieses Beispiel zeigt, wie die Aufgaben bei Divinity 2 einen motivieren. Zuerst erfährt man fast beiläufig von einem Gesprächspartner im Multiple-Choice-Dialog von einem Problem, das zu lösen ist. Bisweilen sind Questgeber allerdings
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Der Zauberlehrling braucht Nachhilfe in Form eines Artefakts, das ihm auf die Sprünge hilft. Dann klappt’s mit der Kreatur. |
etwas versteckt, weshalb man immer alles genau anschauen sollte. Ähnlich wie bei Gothic dauert es, bis man überhaupt zur Lösung schreitet. Man braucht Geduld wie im richtigen Leben und macht derweil halt etwas anderes. Es ist nicht wie z.B. in Oblivion gleich klar, wo man hin muss und man kann auch nicht per Abkürzung direkt an den Ort des Geschehens gelangen. Vielmehr muss man sich regelrecht durcharbeiten – und das kann dauern. Stapel von Büchern wollen auf der Suche nach Tipps durchforstet, teils knackige Rätsel geknackt und Horden von Feinden gemetzelt werden, um die Belohnung zu kassieren, die man selbst wählen kann. Auf einer ganz anderen Mission kann man schließlich vielleicht den entscheidenden Hinweis finden, der zum Ziel führt.
Man spricht beispielsweise mit einem Nekromantenlehrling, dessen Höhle hinter einem Lager der Kobolde liegt, darüber, dass es bei ihm mit dem Beschwören der Toten nicht klappt. Er schafft es einfach nicht, die Kreaturen an sich zu binden, weshalb sie immer wie von Sinnen weglaufen. Der Spieler soll ihm helfen, wobei er mit einer Kreatur lockt, die einen fortan begleitet. Dafür braucht man einen besonderen Totenschädel, den man aus einer verschlossenen Kiste zieht. Allerdings ist es den Kameraden von der Stadtwache gar nicht recht, dass man sich mit einem Totenbeschwörer einlässt. Das passe nicht zum Ruf eines Drachentöters. Egal, schließlich ist man nicht mehr allein. Ans Herz wächst einem das Vieh aus Leichenteilen aber nicht richtig, obwohl es sich wie ein Schoßhündchen gebärdet und gut mitkämpft.