
Etwas weniger sichtbar werden der Mensch und die Vergangenheit hinter Corvo Attano, dem Helden des Abenteuers. Wie man seine Gegenwart und damit die Zukunft Dunwalls gestaltet, ob man also martialisch und brutal oder eher lautlos und subtil vorgeht, ist die eine Sache – denn das entscheidet jeder über seine Spielweise. Wer sich Mühe gibt, findet selbst für den schlimmsten Bösewicht ein alternatives, aber mieses Ende neben dem Tod. Und ob man den Weg der Action oder den des Schleichers geht, hat einige Folgen. Zwar kann man keine politischen Parteien unterstützen und muss dem Widerstand helfen: Aber wer dabei viel mordet und auch Zivilisten nicht schont, wird es mit mehr aggressiven Ratten und schlurfenden Seuchenopfern sowie einem düsteren Ende zu tun bekommen. Außerdem trauen einem die Leute nicht, was sie auch in Kommentaren untermauern. Auch sehr cool: Corvo kann dank der aufrüstbaren Linsen in seiner Maske heran zoomen und entfernte Gesprächen belauschen, um so vielleicht einen Hinweis zu erhaschen.
Aber dafür, dass sich das Spiel „Dishonored: Die Maske des Zorns“ nennt, werden zwei Namen gebende Aspekte zunächst schwach ausgearbeitet: Die Entehrung und die Wut. Man spielt das Attentat auf die Kaiserin zwar direkt, erlebt es also hautnah, doch welche Beziehung man zur ihr hatte und was man emotional mit ihrem Reich und seiner Ehre verbindet, wird nur angerissen – hier vermisst man etwas mehr Bezüge, die in einem Prolog erzählerisch ausgearbeitet werden. Klar ist man sauer, aber so richtig „entehrt“ oder gar außer sich vor Zorn fühlt man sich zu Beginn nicht, weil man die tote Monarchin Jessamine Kaldwin gar nicht richtig kennt. Erst im letzten Drittel gibt es eine gelungene dramatische Wendung, die einem wesentlich näher geht.
Stealth-Action light

Auch wenn Corvo als Charakter etwas hinter der markanten Kulisse verblasst, zeigt er als Attentäter viele interessante Facetten: Er kann in Egosicht nicht nur klettern, tauchen und rennen, sondern auch in Deckung gehen, kämpfen und schleichen. Die Gefechte werden recht simpel über Pistolen oder Armbrustbolzen aus der Distanz per Fadenkreuz sowie Klingen aus der Nähe inszeniert, wobei man auf gut getimten Block und anschließenden Konter achten sollte, der meist tödlich endet – die Steuerung flutscht. So kommt man mit ein, zwei Feinden recht mühelos zurecht; knifflig wird es vielleicht mal gegen drei oder vier, weil man die Kamera nicht so auf einen fixieren kann, dass man ihn permanent im Visier hat. Explosive Geschosse, Haftminen und Granaten geben einem aber immer genug schlagfertige Argumente in die Hand.
Aber dieser unspektakuläre Actionweg ist ohnehin nicht der wahre: Im Kern ist Dishonored ein Spiel, das Schleicher belohnt – auch in den Statistiken, die Eliminierte, Entdeckte und Alarme fein aufdröseln. Zu den Höhepunkten gehören jene Missionen, in denen man auch mal clever recherchieren muss wie auf einem Maskenball. Es ist zwar komplett abstrus, dass der gesuchte Corvo dort einfach mit seiner Maske auftauchen darf, aber um sein Opfer unter drei Ladys zu finden, muss er sich mit den Gästen unterhalten. Das läuft weitgehend automatisch, aber macht Laune, obwohl man sich etwas zu frei austoben darf – hier hätte ein Zeitlimit oder misstrauischere Wachen für etwas mehr Spannung sorgen können. Immerhin kann man hier auch mal über einen Dialog zum Erfolg kommen.

Ansonsten kann man nahezu alle Aspekte des Schleichens anwenden: Man kann durch Schlüssellöcher spähen, Wachen von hinten bewusstlos würgen und sie wegschleppen oder in Container verstauen, damit sie nicht auffallen. Man kann Sicherheitssysteme deaktivieren und über Geheimwege wie Katakomben und Kanäle selbst gut gesicherte Gebäude infiltrieren.
Recht früh kann sich Corvo dabei übersinnlicher Fähigkeiten bedienen, indem er Runen und Knochenartefakte (damit kann man z.B. permanent seine Gesundheit steigern oder die Schnelligkeit erhöhen) über ein pochendes Herz aufspürt, das wie ein Sucher wirkt und sogar Informationen über den aktuellen Ort preisgibt. Auch hier wird gerade zu Beginn des Spiels die Neugier geweckt: Wer ist dieser Outsider, der ihn über ein Tattoo markiert und an bestimmten Stellen immer wieder moralisch anspricht? Corvo muss also nicht nur den Mord an der Kaiserin aufklären, sondern auch seine Rolle in diesem intriganten Abenteuer aufklären. Die Story kann das rätselhafte Niveau allerdings nicht bis zum Ende halten, denn viele Antworten sind vorhersehbar und leider nicht beeinflussbar.