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Detroit: Become Human (Adventure) – Was bin ich?

Führt der Erfindungsreichtum des Menschen zu seinem Untergang? Kann
künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln – und wie geht die
Gesellschaft damit um, wenn sich ein eigener Wille formt? Diese Fragen
stellen sich derzeit nicht nur Wissenschaftler, sondern auch David Cage,
der drei Androiden auf eine dramatische Reise zwischen Selbstfindung
und den Kampf gegen feindselige Menschen schickt.

© Quantic Dream / Sony

Vielseitige Reise

Eine weitere Stärke des Spiels ist der Abwechslungsreichtum der Schauplätze: Meist ist man natürlich in der von sozialen Gegensätzen geprägten Metropole unterwegs – oder in ländlicheren Gebieten des Mittleren Westens. Trotzdem entsteht während der rund zwölf Stunden Spielzeit der Eindruck, sich auf einer längeren Reise zu befinden. Man erforscht stimmungsvoll inszenierte Orte wie futuristische Hochglanzbauten, eine verfallenen Freizeitpark, gruselige Keller oder auch Orte, an denen die Schattenseiten der Automatisierung sichtbar werden: Immer wieder trifft man auf der Straße auf wütend demonstrierende Arbeitslose oder sieht mit eigenen Augen, wie unwirklich der Massentransport der „Blechsklaven“ in ihren futuristischen Bussen wirkt. Schade, dass die erforschbaren Areale mitunter etwas eng ausfallen: Vor allem auf der Suche nach Graffiti oder anderen Hinweisen stolpert man öfter mal in die virtuelle Begrenzung, hinter der sich die Spielfigur langsam wieder umdreht.
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Teils vertraut… © 4P/Screenshot

Stilistisch wird der Mix aus sozialer Not und technischer Aufbruchstimmung schön visualisiert. In den ärmeren Gassen Detroits hat man mitunter fast den Eindruck, in unserer Gegenwart unterwegs zu sein – bis man dann wieder die allgegenwärtige Technik-Artefakte entdeckt, die sich wie wuchernder Efeu durch die Stadt ziehen. Hier ein leuchtender Zebrastreifen, dort ein futuristisch verdrehter Wolkenkratzer mit Androiden-Personal, und schon befindet man sich gedanklich wieder in der nahen Zukunft. Schade, dass sich Soundtrack und Abmischung angesichts der Gegensätze nicht experimentierfreudiger und dynamischer zeigen. Die Orchester- und Synthie-Melodien bleiben unauffällig, unterstützen aber trotzdem gut die Stimmung.

Fast wie ein echter unechter Mensch

Ein technisches Highlight sind erneut Gestik und Mimik, bei denen Quantic Dream auf seinem Erfahrungsschatz als Pionier des Motion-Capture-Schauspiels aufbaut. Vor allem die Androiden balancieren gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Menschlichkeit und subtilen Bewegungen, die ein tatsächlicher Homo Sapiens aus diesem Kulturkreis vielleicht einen Deut anders umsetzen würde. Um natürlicher zu wirken, imitieren sie auch das natürliche leichte muskuläre Zucken einer unruhigen Hand, wenn zum Beispiel ein Beweisstück hochgehoben wird. Der einzige kleine Schönheitsfehler sind auch bei den Menschen nach wie vor weit geöffnete Münder – wobei ich nicht wirklich festnageln kann, welches Detail mir dabei seltsam vorkommt. Trotzdem gehören die Gesichtsanimationen zu den besten der Branche – vor allem, wenn man beachtet, dass die Qualität hier über das komplette Spiel aufrechterhalten wird statt nur in Zwischensequenzen.

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…teils surreal wirkt das nur partiell modernisierte Detroit. © 4P/Screenshot

Die Kulissen fallen im Vergleich dazu deutlich ab. Mit dem Detailüberfluss von Assassin’s Creed Origins oder God of War kann man trotz deutlich kleinerer Areale bei weitem nicht mithalten. Vor allem bei Bauwerken am Horizont oder bei Steintexturen direkt vor der Kamera wird es oft etwas unscharf. Trotzdem bleibt die Technik auch in der Umgebung gut genug, um bei fast immer flüssigen 30 Bildern pro Sekunde eine glaubwürdige Welt zu inszenieren. Eine schöne Ergänzung sind dabei übrigens die verstreuten Nachrichten-Tablets, die über die technischen Errungenschaften und gesellschaftlichen Entwicklungen aufklären. Hier wird vieles thematisiert, von der überforderten Promi-Präsidentin über die zivile Raumfahrt bis hin zu Frauenzeitschriften, die Tipps für den Konkurrenzkampf mit Sex-Androiden geben. Ein wichtiger Streitpunkt ist außerdem die sich zuspitzende Antarktis-Krise, welche durchaus zu einem Dritten Weltkrieg mit Russland führen könnte.