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Déraciné (Adventure) – Miyazakis Schmetterlinge

Wenn der Schöpfer von Dark Souls ein Erzählspiel herausbringt, macht das natürlich hellhörig – nicht zuletzt deshalb, weil seine Art Geschichten über interaktive Kulissen zu erzählen gerade in der Virtual Reality interessantes Spielekino verspricht. Also habe ich mich mit PlayStation VR und Move (das dringend benötigt wird) in ein märchenhaftes Abenteuer begeben, das in unserem Test allerdings nicht ganz so endete, wie es die Einleitung verspricht.

© From Software / Sony

Anklicken statt Anfassen

Überhaupt nähert er sich auf so konventionelle Weise der virtuellen Realität, dass Déraciné weit hinter meinen Erwartungen an ein modernes VR-Abenteuer zurückbleibt. Alleine die Steuerung hat mit moderner Interaktion nichts zu tun. So dankbar ich etwa dafür bin, dass man über Teleportationspunkte durch die Schule „springt“, so sehr sollte man Spielern mit VR-festen Mägen ein alteratives freies Bewegen anbieten. Weiterhin verstehe ich nicht, warum die Tasten zum Ändern der Blickrichtung auf dem gleichen Move-Controller liegen wie die zum Teleportieren. Das ständige Umgreifen verkompliziert nämlich das Vorankommen, während man die Tastenbelegung „selbstverständlich“ nicht ändern darf.

Und wenn es doch nur die Bewegung wäre… Tatsächlich ist aber die komplette Interaktion nur ein Schatten dessen, was sie sein sollte. Warum fasst man Gegenstände z.B. nicht so an, wie man gerade die virtuelle Hand dranhält und warum stellt man sie nicht an einem beliebigen Ort ab oder wirft sie gar dahin? Stattdessen gibt es feste Greifpunkte und vorgefertige Aktionen, die man per Knopfdruck auslöst. Das empfinde ich anderthalb Jahre nach Lone Echo und noch dazu in einem von Sony, also einem der größten VR-Anbieter veröffentlichten Titel als überraschend veraltet. Von überzeugender Immersion kann keine Rede sein.

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Spielerisch enttäuscht das erste VR-Abenteuer des Dark-Souls-Schöpfers leider. © 4P/Screenshot


Aus der Zeit gefallen

Man schaue sich an, wie Lone Echo Erzählspiel und VR-Adventure verbindet, wie What Remains of Edith Finch seine interaktive Geschichte erzählt oder Tacoma eine Welt zum Leben erweckt, in der man ebenfalls unsichtbarer Beobachter ist. Im Gegensatz dazu wirkt Déraciné wie ein Relikt aus der Zeit um Dear Esther, sprich überholt und spröde.

Verstärkt wird dieser Eindruck durch die geringe Anzahl an Objekten, die man aufnehmen und anschauen darf sowie die wenigen Interaktionspunkte, an denen das überhaupt möglich ist. Nicht zuletzt wird man beim Auswählen eines Interaktionspunktes oft unangenehm nah an die Figuren herangesetzt und zu allem Überfluss ist die Schrift auf sämtlichen Büchern oder Notizzetteln dermaßen klein, dass man sie nur über darüberliegende Hilfefenster lesen kann – eine Immersionshürde, die so leicht vermeidbar gewesen wäre!

So lange es spielerisch passt…

Interessanterweise hat das ebenfalls in diesen Wochen veröffentlichte Return of the Obra Dinn ganz ähnliche Probleme – allerdings überzeugt das von gerade mal einem einzigen Entwickler geschaffene Detektivspiel mit einer Rätselkunst, von der Déraciné meilenweit entfernt ist: Beobachtet man auf der Obra Dinn genau die Umgebung und muss ohne Händchenhalten clever schlussfolgern, klickt man sich hier über wenige Interaktionspunkte einfach zum Ziel. Und kommt man im Finale schließlich „zu früh“ auf die entscheidende Idee, steckt man so lange fest, bis man wider besseres Wissen gegenteilig zur theoretisch längst möglichen Lösung gehandelt hat. Nein, geschicktes Spieldesign ist Miyazakis Stärke in diesem Fall leider wirklich nicht.