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Déraciné (Adventure) – Miyazakis Schmetterlinge

Wenn der Schöpfer von Dark Souls ein Erzählspiel herausbringt, macht das natürlich hellhörig – nicht zuletzt deshalb, weil seine Art Geschichten über interaktive Kulissen zu erzählen gerade in der Virtual Reality interessantes Spielekino verspricht. Also habe ich mich mit PlayStation VR und Move (das dringend benötigt wird) in ein märchenhaftes Abenteuer begeben, das in unserem Test allerdings nicht ganz so endete, wie es die Einleitung verspricht.

© From Software / Sony

Miyazakis Zeitreise

Tatsächlich ist die Kulisse zumindest auf den ersten Blick eine Stärke dieses Erzählspiels, denn das abgelegene Internat mit seinen schweren Holztüren, verschmierten Kreidetafeln und quietschenden Öllampen wirkt beinahe wie das Museum einer Jahrzehnte alten Epoche. Als Fee schwebt man über die Holzdielen und ist vor menschlichen Blicken geschützt, obwohl man Gegenstände anfassen und manipulieren kann.

Wie ein Museum wirkt der Schauplatz auch deshalb, weil sich praktisch nichts bewegt. Denn während man umhereilt, aus einem Fenster schaut oder den Dachboden erkundet, verharren alle Kinder und Erwachsenen starr in ihrer Position. Miyazaki inszeniert also Momentaufnahmen, die nur dann zumindest einige Sekunden lang lebendige Szenen werden, nachdem man ein gesuchtes Detail verändert hat. Die entscheidenden Aktionen mit den richtigen Gegenständen auszulösen, ist daher die Aufgabe der Fee. Sie sucht Schlüssel, um Türen zu öffnen, hebt einen Stapel Wäsche auf, auf dass ein darin verstecktes Buch herausfällt und mehr.

Leben und Tod

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Die knorrige alte Schule ist ein romantisch verklärter, plastischer Schauplatz. © 4P/Screenshot


Grundsätzlich haucht Miyazaki seinen Figuren dabei mit viel Herz Leben ein. Seine Schule ist kein gruseliger Ort, die dort untergebrachten Kinder und Erwachsenen sind warmherzige Freunde. Und wenn ihr partout nichts über die Handlung erfahren wollt, dann überspringt diesen und den folgenden Absatz! Interessant ist, dass man gleichzeitig einer Erzählung folgt, die sich um Leben und Tod dreht. Immerhin besitzen Feen hier die Fähigkeit Toten neues Leben einzuhauchen, wenn sie Anderen dafür ihre verbleibende Lebenszeit abnehmen. Doch welche Folgen hat es denn, wenn sich der Direktor opfert, um ein Mädchen zu retten?

Die Frage ist höchst interessant – ihre Auflösung wirkt leider profan und war für mich schon lange im Voraus vorhersehbar. Nach dem packenden, mehr als zehn Jahre alten Director’s Cut von The Butterfly Effect wusste ich jedenfalls sehr früh, wie der Hase läuft, und war zu allem Überfluss enttäuscht darüber, dass Miyazaki recht hölzern zwischen naivem Wir-haben-uns-alle-lieb-Kitsch und dem düsteren Spiel mit Leben und Tod hin und her pendelt. ‚Typisch japanisch‘, dachte ich mir – besser macht es diese Einsicht freilich nicht.

Die wenigen starren Animationen sowie der übertrieben prosaische Sprachfluss der Charaktere erzwingen außerdem eine Distanz zum Geschehen, was gerade dem Erleben in der Virtual Reality abkömmlich ist: Das zentrale Hineinversetzen leidet unter der sperrigen Inszenierung. Einen emotionalen Zugang schafft Miyazaki dadurch nicht.