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Control (Action-Adventure) – Dank Cloud Streaming auf Switch

Control auf der Switch? Wie kann das denn funktionieren? Eigentlich garnicht – und das bestätigte uns auch Thomas Puha von Remedy Entertainmentin einem Interview. Die einzige Möglichkeit, Control auf dieNintendo-Konsole zu bringen, ohne die Engine für eine native Verwendungradikal neu zu erfinden, ist eine Game-Streaming-Variante aus der Cloud.

© Remedy Entertainment / 505 Games

Ein Hardware-Fresser auf Switch?

In Japan gibt es mit Resident Evil 7 und Assassin’s Creed Odyssey schon zwei Titel, die auf Cloud-Streaming setzten und Control ist der erste Titel, der auch in Europa auf Switch zur Verfügung steht. Hitman 3 soll ebenfalls auf diese Art und Weise umgesetzt werden. Das Ziel von Nintendo sei es, laut Ausführungen von Thomas Puha, dass aufwändige Einzelspieler-Titel mit High-End-Grafik ihren Weg auf die Switch finden, die normalerweise für diese Titel zu untermotorisiert ist.  

Wie bei Stadia, GeForce Now, Shadow, Amazon Luna und Co. wird Control also auf einem entfernten Rechner in einem Cloud-Rechenzentrum laufen. Die lokalen Eingabe-Befehle via Controller werden an die Cloud-Rechner geschickt, weswegen der Weg der Signale etwas länger wird – im Vergleich zum nativen Betrieb auf der Konsole. Der Anbieter, der hinter dem Streaming-Dienst steht, heißt Ubitus und ist hierzulande noch recht unbekannt.

Cloud-Streaming mit kostenloser Testphase

Um Control spielen zu können, muss man im eShop eine kostenlose „Starter-App“ runterladen. In dieser „Starter-App“ kann man das Spiel praktischerweise ungefähr zehn Minuten kostenlos ausprobieren und sich somit einen Eindruck von der Streaming-Qualität machen und entscheiden, ob die eigene Internet-Verbindung gut genug ist. Da Nintendo lediglich kryptisch davon spricht, dass man eine dauerhafte und „stabile Hochgeschwindigkeits-Internetverbindung“ braucht und keine konkreten Anforderungen an die Bandbreite nennt, ist diese Testphase eine ganz gute Idee. Wird die Internetverbindung übrigens instabil, wird der Dienst nach einigen Minuten unterbrochen.

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Kompressionsartefakte sind bei starken Farbflächen schon erkennbar. © 4P/Screenshot

In dieser „Starter-App“ wird außerdem über etwaige Server-Überlastungen mit Warteschlangen (diese traten beim Verkaufsstart der Cloud Version auf) oder regionale Server-Probleme informiert, die das Spielen praktisch unmöglich machen. Um letztlich Zugriff auf die Vollversion von Control zu bekommen, kann man das kostenpflichtige Zugangsticket für 39,99 Euro kaufen. Ein zusätzlicher Account bei Ubitus ist nicht erforderlich. Die Abwicklung läuft komplett über den eShop in der App. Eine Nintendo-Online-Mitgliedschaft ist trotz Cloud-Dienst und Cloud-Saves nicht erforderlich. Was aber passiert, wenn z.B. Ubitus den Dienst einstellt und man somit keinen Zugang mehr auf das gekaufte Zugangsticket hat, ist unklar und wird auch im FAQ-Bereich von Nintendo nicht beantwortet.

Qualität oder Performance in der Praxis

Wie spielt sich also die Cloud Edition und wie fühlt sich der Kampf gegen die Hiss aus der Cloud an? Ausprobiert wurde Control mit folgender Internet-Bandbreite via Kabel: 400 mbit (down), 20 mbit (up) und Ping 12 ms. Die Switch wurde im WLAN genutzt und war nicht kabelgebunden an den Router angeschlossen. Die Testläufe fanden um 18 Uhr und um 20 Uhr statt, also zur „besten Nutzungszeit“.

Je nach Gusto darf man bei Control zwischen zwei Spielmodi wählen: Qualität oder Performance. Der Quality-Modus kommt mit Raytracing-Effekten (RTX) daher und bietet eine höhere Grafikqualität auf Kosten der Bildwiederholrate (bis maximal 1080p). Der Performance-Modus verzichtet auf einige Grafikdetails sowie Raytracing und soll ein möglichst flüssiges Spielerlebnis bieten.

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Ohne Cloud-Streaming hätte Control niemals seinen Weg auf die Switch gefunden. © 4P/Screenshot

In der Praxis sah es so aus, dass der Qualitätsmodus zwar ganz gut aussah, aber mit starken Rucklern (vor allem bei der Kameradrehung) zu kämpfen hatte. Aufgrund der zickigen und schwankende Bildwiederholrate war es kaum sinnvoll spielbar. Die Quelle der Ruckler dürfte wohl die fehlende Leistung des Cloud-Systems sein. In diesem Sinne ist der Performance-Modus irgendwie unnötig und höchstens als indirekte Werbung für eine High-End-PC-Version zu verstehen.

Im Performance-Modus ist Control hingegen gut spielbar. Es gab kaum Ruckler und die unumgängliche Verzögerung der Steuerung fiel nicht so schwer ins Gewicht wie gedacht. An das Input-Lag gewöhnt man sich recht schnell und trotz reichlich Action im Spielgeschehen lässt sich die Hauptfigur Jesse Faden gut kontrollieren – auch beim Zielen, Schweben und effektvollen Schleudern von Gegenständen. Die optischen Unterschiede zwischen Qualität- und Performance-Modus sind zwar klar sichtbar (Reflexionen, Schatten etc.), aber aufgrund der viel besseren Spielbarkeit sollte man eigentlich nur die Performance-Version starten.  

Allerdings kann man Kompressionsartefakte im Bild erkennen, schließlich wird das Bildsignal komprimiert, um die nötige Bandbreite zu verringern. Diese Kompressionsartefakte bzw. „Klötzchen“ erkennt man in dunklen Szenen oder wenn große Teile des Bildschirms in eine Farbe getaucht werden, vor allem bei der Farbe „Rot“, die bei Control leider eine sehr wichtige Rolle spielt. Hier gibt es also Abzüge in der B-Note.

Was ist überhaupt Control?

Control ist im August 2019 für PC, PS4 und Xbox One von Remedy Entertainment (Max Payne, Alan Wake, Quantum Break) und 505 Games veröffentlicht worden. Das Spiel ist ein Action-Adventure aus der Third-Person-Perspektive und spielt in einem sehr mysteriösen Universum (zum Test). Auch ohne Zeitlupe bzw. Bullet Time werden effektvolle ballistische Gefechte mit größtenteils zerstörbarer Umgebung sowie dem Einsatz übersinnlicher Fähigkeiten inszeniert, die des Namens Remedy durchaus würdig sind. Mit den Zeitebenen, den abgefahrenen Figuren sowie dem sich in mehrere Dimensionen erstreckenden „Ältesten Haus“ als Schauplatz gelingt den Entwicklern ein erzählerisch ausgereiftes Drehbuch verbunden mit starker Regie, zumal sich das Team auch von den linearen Strukturen älterer Titel verabschiedet hat. Lediglich die häufig recycelte Levelarchitektur, Mimik-Macken, die problematische Lippensynchronität mit der Sprachausgabe und die schwächende KI schmälern den Actionspaß.

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Auch im Performance-Modus ist die Schärfe des Bildes überzeugend. © 4P/Screenshot

In der Ultimate Edition sind außerdem die beiden Erweiterungen „The Foundation“ und „AWE“ enthalten. „The Foundation“ führt an einen neuen Schauplatz und bringt tiefere bzw. gruselige Eindrücke in die Bedrohung (zum Test). In „AWE“ wird eine neue Licht-als-Waffe-Mechanik eingeführt, während man recycelte Umgebungen durchstreift und zugleich mehr über Alan Wake erfährt, das im gleichen Universum spielt. Aber leider wird das Story-Cross-Over zu zaghaft genutzt (zum Test).

Im Vergleich zum Grundspiel wurden mit (enthaltenen) nachträglichen Updates die Kartenfunktion verbessert (das war auch dringend erforderlich), Expeditionen als kampfbetonte Endgame-Einsätze mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden hinzugefügt und viele Schwierigkeitsgradoptionen eingebaut. Letztere fühlen sich fast wie „Cheats“ an, aber an manchen Stellen kann Control schon recht schwierig sein.