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Civilization 4: Colonization (Taktik & Strategie) – Civilization 4: Colonization

Habt ihr den Mut zur Revolution? Würdet ihr im Zweifelsfall zu den Waffen greifen, um eure Freiheit zu verteidigen? Falls ja, solltet ihr euch der strategischen Herausforderung dieses modernisierten Klassikers stellen, denn hier geht es drei Jahrhunderte lang nur um eines: Eine starke Kolonie in Amerika gründen und fleißig rebellische Stimmung verbreiten, um irgendwann die Fahne der Unabhängigkeit zu schwenken. Weht der anspruchvolle Geist des Originals noch in diesem Remake oder hat man ihn am Altar des Mainstreams geopfert?

© Volition / THQ

Vier Nationen, ein Ziel: Amerika!

Zu Beginn habt ihr die Wahl unter je zwei Anführern der Franzosen, Engländer, Spanier und Holländer.

Da ich die Franzosen gewählt habe, setze ich eher auf Kommunikation statt Konfrontation. Trotzdem muss ich vorsichtig sein. Die Musik wechselt in indianischen Singsang, der von sanften Panflöten begleitet wird, als die Küste vor mir liegt: Irgendwo erkenne ich die Grabstätten der Sioux, dann einen Hügel mit Defensivbonus und Waldland mit reichlich Holz. Ich entscheide mich für die bessere Verteidigung und errichte dort Québec. Der Häuptling der Indianer meldet sich umgehend über den animierten Diplomatieschirm und gestattet mir den Bau, weil ich ja nur einen kleinen Trupp von zwei Kolonisten befehlige – in seinem Reich könnte er in wenigen Runden dutzende Krieger zusammen trommeln.

Meine erste Aufgabe: Die Ureinwohner über Geschenke und Handel wohl gesonnen stimmen, schnell ein Trockendock sowie ein Lager ausbauen, um den maritimen Austausch mit Frankreich zu beschleunigen und die Gegend erkunden. Über einen Späher könnte ich weitere Völker, Rohstoffe und Schätze finden. Ich könnte aber auch einen Pionier zum Roden in den Wald schicken. Oder soll ich gleich expandieren, um eine zweite Siedlung zu errichten? Aber müsste ich dann nicht schon zwei Palisaden errichten? Fragen über Fragen.

Der Atlantik kann sich sehen lassen: Wenn man ganz nah ranzoomt erkennt man schöne Spiegelungen und Schattenwürfe.

Schon die ersten Entscheidungen stellen die Weichen für die Zukunft und sorgen für angenehmes Grübeln. Aber sie sind nur ein Vorgeschmack auf knifflige drei Jahrhunderte mit angenehm komplexer, aber von Civilization IV abweichender Spielmechanik. Das Spielziel ist klar und gibt den Weg vor, der statt gemütlichem Sandkastenaufbau in alle Richtungen eher geschickte Effizienz in einer Richtung verlangt: Wer zuerst die Unabhängigkeit vom Mutterland erklärt, gewinnt! Also muss man möglichst zielstrebig expandieren, gleichzeitig für rebellische Stimmung sorgen und so aufrüsten, dass man die finale Schlacht gegen die königlichen Truppen gewinnt.

Kluges Personalmanagement

Im Gegensatz zu Civilization IV geht es weniger um das Weltreichs-, sondern vielmehr um das kluge Personalmanagement. Colonization hat einen ganz anderen Rhythmus und alte Civ-Hasen müssen genau so umdenken wie sich Neulinge angesichts der Komplexität und des halbherzigen Tutorials reinbeißen müssen. 1492 ist die Aufbauwelt noch klar strukturiert: Es gilt, Siedler aus der Heimat in die neue Welt zu schaffen, dort Kolonien zu gründen und mit dem Gold auszukommen. Das bedeutet wiederum, dass man zügig Handel mit den Indianern, anderen Nationen und vor allem der Heimat betreiben muss. Man beginnt quasi als stellvertretendes Oberhaupt von Königs Gnaden.

Die Kolonien in der Neuen Welt gedeihen – aber Vorsicht: Man muss vor der europäischen Konkurrenz seine Unabhängigkeit erklären!

Das Schöne ist: Geht das Schiff mal unter, bekommt man ein neues. Das Blöde ist: Man wird irgendwann gemolken wie eine Kuh – Steuern werden erhöht, die Hälfte der Schätze wird konfisziert und Truppen aufgestockt, während man den Ring des Königs küssen muss. Man kann Zahlungen auch verweigern, aber dann wächst der Unmut beim Monarchen und er wird misstrauisch. Die Folge: Er verweigert den Import von bestimmten Waren aus euren Kolonien, er verstärkt sein Entsatzheer für die Neue Welt und eure finale Schlacht wird härter. Man muss also zwischen Zuckerbrot und Peitsche lavieren, was die Politik mit der arroganten Heimat angeht.

Und selbst wenn man die Unabhängigkeit erklärt und sich u.a. für eine neue Staats- und Religionsform, die Sklaverei sowie den Umgang mit den Ureinwohnern entschieden hat, ist das Thema noch nicht erledigt: Der König wird sofort militärisch reagieren und euch ein Heer auf den Leib hetzen. Erst jetzt kommt es zur finalen Schlacht: Gewinnt man gegen die Bodentruppen seiner Majestät, wobei man wirklich alle vernichten muss, hat man auch das Spiel gewonnen – ich habe viele Partien gespielt, in denen mir genau diese militärische Durchschlagskraft in den letzten 20 Runden fehlte, weil ich einfach zu wenig Waffen und Soldaten produziert hatte. Und genau diese knifflige Balance zwischen Expansion und Rebellion, zwischen Wachstum und Ausbildung, Handel und Aufrüstung ist es, die das Spiel so interessant macht – denn hier kommt es wirklich auf jeden neuen Siedler an.