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Catherine (Logik & Kreativität) – Kult-Puzzler mit zweitem Frühling

Ein Mann. Zwei Frauen. Bindungsängste. Psychische Blockaden, die im wahrsten Sinne des Wortes erklommen werden müssen. Entscheidungen. Konsequenzen. Mystery. Und das alles eingepackt in ein sehenswertes Anime-Artdesign. Catherine brach 2011 mit Konventionen und mischte Genre munter zusammen. Noch bevor in Japan die erweiterte Full-Body-Edition für PS4 erscheint, darf man mit der  Catherine Classic Edition am PC die Puzzle in Angriff nehmen. Wir verraten im Test, ob der überraschend veröffentlichte Titel seinen Charme bewahrt hat.

Das Cover-Bild von Catherine: Full Body.
© Atlus / SEGA / Koch Media

Entscheidungs-Vielfalt

Für einen „einfachen“ Puzzler bietet Catherine verdammt viel Drumherum und manchmal habe ich mich dabei ertappt, wie ich die trotz Rücksetzfunktion teils unverschämt fordernden, aber nichtsdestotrotz enorm motivierenden Traum-Abschnitte hinter mich bringen wollte, um zu sehen, wie es mit Vincent in der echten Welt weitergeht. Das Schöne daran ist: Alles ist optional. Wer keine Lust auf den ganzen sozialen Mumpitz hat, braucht sich nur ein Minimum an (abbrechbaren) Sequenzen anschauen, macht sich aus dem Stray Sheep auf den Weg nach Hause und geht den nächsten Albtraum an.

Dass man dabei natürlich auf viele Anspielungen innerhalb der Spielwelt verzichtet, Vincents Motivation entsprechend schwer nachvollziehen kann und auch nur einen Bruchteil der Geschichte erlebt, ist zwangsläufig. Dementsprechend kann sich auch die Kritik am gegen Ende etwas zu langatmigen Erzählstil, bei dem sich die Charaktere etwas verlieren und von ihrer klaren Zeichnung einbüßen, durchaus relativieren. Denn es liegt im Bereich des Möglichen, dass ich irgendwann im Spielverlauf die Entscheidungen getroffen habe, die zu eben diesen leicht verworrenen Figuren führen.

Sokoban-Bosse und Moral-Beichten

Die Puzzle-Abschnitte überzeugen nicht nur mit ihrem durchdachten Design, bei dem es häufig mehr als nur „den einen“ Weg gibt, um ans Ziel zu kommen. Denn am Ende jedes Albtraums wartet quasi ein Bosskampf. Die Grundvoraussetzung, das Erreichen der obersten Stufe, auf der die Tür den Ausgang aus dem Traum weist, bleibt gleich. Doch hier wird man nicht nur durch wegbrechende Blockebenen daran erinnert, dass die jeweilige Zeit knapp bemessen ist. Die Endgegner, die größtenteils monströse Personifizierung seiner Ängste darstellen, attackieren ihn bei seinem Aufstieg immer wieder und manipulieren die Umgebung, so dass auf einmal sicher geglaubte Blöcke wegbröckeln oder sich in Eis verwandeln. Besonders fatal ist der Angriff, bei dem sich die Steuerung kurzzeitig invertiert und auch die Attacke, die mich bis auf die letzte mögliche Ebene zurückwirft. Klar hätten die Entwickler sich auch auf ein einfaches Zeitlimit verlassen können. Doch in dieser Form ist die Bedrohung ungleich intensiver, geht der Pulsschlag ungleich höher und wird die Verknüpfung zur Geschichte noch eindrucksvoller bewerkstelligt. Zwischen den einzelnen Abschnitten gibt es Ruhezonen, in denen man speichern oder sich mit anderen Schafen unterhalten kann, die im Albtraum gefangen sind und um ihr Leben klettern. Die eine oder andere Stimme kommt mir doch bekannt vor? Richtig: Wer gut aufpasst, wird hier Personen (oder Opfer) wiederfinden, denen man auch in Vincents Realität begegnen kann. Und auf einmal öffnet sich eine neue erzählerische Dimension, in der beide Welten und die Schicksale aller Figuren mühelos miteinander verknüpft werden.

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In den „Boss“-Levels gibt es zusätzliche Gefahren, die einem die Flucht erschweren. © 4P/Screenshot

Bevor es dann mit einem „Raketenbeichtstuhl“ in die nächste Stufe weitergeht, muss noch eine Frage rund um Beziehungen im Allgemeinen beantwortet werden, die nicht nur von Vincent, sondern auch dem Spieler wohlüberlegt werden muss. Ob man die Ehe als Anfang oder Ende des Lebens betrachtet? Ob man Rollenspiele (im sexuellen Sinne) bevorzugt? Ob man sich selbst als pervers bezeichnen würde? Ob man sich eher zu Katherine oder Catherine hingezogen fühlt? Der Clou: Nach der Antwort bekommt man wie bei einigen Adventures im Stile von Life is Strange eine Auswertung, wie andere Spieler beim ersten Stellen der jeweiligen Frage reagiert haben. Natürlich stellt sich hier automatisch die Vermutung ein, dass es vor allem diese Fragen sind, die den Story-Fortschritt verändern. Da jedoch die Reihenfolge bis auf wenige Ausnahmen nicht festgelegt scheint, bleibt auch hier ein Gefühl der Spannung: Entscheidet man sich jetzt ehrlich oder in der Hoffnung, die Geschichte in eine andere Richtung bringen zu können? Versucht man, Vincent zu helfen oder ihn weiter in Bedrängnis zu bringen?

Behobenes Steuerungs-Defizit?

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Ab und zu wird man bei den ständig an Komplexität zunehmenden Puzzle-Klettereien mit störendem Trial&Error konfrontiert. © 4P/Screenshot

Bei den Puzzleabschnitten, die aufgrund ihrer digitalen Basis (Blöcke können um ein Feld bewegt werden) vorzugsweise mit dem Digipad oder den gut reagierenden, frei  konfigurierbaren Tastatur-Kontrollen gespielt werden sollten , fällt die Steuerung mit einem hohen Maß an Genauigkeit positiv auf. Mit einer Ausnahme: Wenn Vincent beim Klettern bzw. Verschieben von anderen Blöcken verdeckt wird, verliert man mal die Orientierung. Das ist an zwei Punkten festzumachen: A) Befindet man sich „hinten“, wird die horizontale Steuerung invertiert. Und B) ist Vincent nicht mal als Silhouette zu sehen. Im schlimmsten Fall führt eine Kombination dieser beiden Situationen zu einer tödlichen Verkettung unglücklicher Umstände. Zwar kommt es bedingt durch das ansonsten gelungene Leveldesign nur selten zu diesen Aussetzern, aber dann sind sie natürlich umso ärgerlicher.