Veröffentlicht inTests

ByteDance Pico 4 (Hardware) – Schlanke Konkurrenz für Quest 2

Bytedance will eine neue Leichtigkeit in die Welt der VR-Brillen bringen. Die Pico 4 vom Tiktok-Betreiber nutzt fortschrittliche Pancake-Linsen, wodurch ein erfreulich kompaktes Gehäuse möglich wird. Dahinter steckt Qualcomms XR2-Chip, der auch in der Quest 2 zum Einsatz kommt. Ein Kabelsalat ist ohnehin nicht mehr nötig – es sei denn, man streamt per USB-Strippe vom Spiele-PC. Im Test überprüfen wir, ob das schlanke System das Zeug zum Meta-Konkurrenten hat.

© ByteDance / ByteDance

Buntes Software-Angebot

Als VR-Nerd ist der Quest-Store für mich also weiterhin attraktiver. VR-Einsteiger finden aber trotzdem schon viele Perlen aus unterschiedlichen Genres. Dazu zählen kreative Klassiker wie der Zeitlupen-Shooter Superhot VR, die Bogenschützen-Action In Death: Unchained, Sportspiel-Neuheiten wie Ultimechs vom Demeo-Entwickler oder auch kommende Survival-Highlights wie The Walking Dead: Saints & Sinners Chapter 2: Retribution. Hinzu kommen in einer Spiele-Engine animierte interaktive Geschichten wie Paper Birds und zahlreiche kostenlose 360-Grad-Videos. Für die optional nutzbare Tiktok-App kommt übrigens ein anderer Account zum Einsatz als beim Einloggen mit dem Pico-Konto.

 

[GUI_STATICIMAGE(setid=92345,id=92655128)]
Das lokal vom PC gestreamte Half-Life Alyx leidet nur wenig unter der Kompression. © 4P/Screenshot

Gelegenheitsspieler dürften sich über Apps wie das beschauliche räumliche Landkarten-Puzzle Puzzling Places  oder die schweißtreibende Fitness-App Les Mills Bodycombat freuen. Apropos Schweiß: Das Kopfpolster an der Front der VR-Brille lässt sich leider nicht abwischen. Im Gegenzug saugt der dicke, feste Schaumstoff beim Training viel mehr Schweiß auf als vergleichbare Lösungen. So konnte ich länger trainieren als mit anderen VR-Brillen. Der vollgesiffte Schaumstoff könnte auf Dauer aber ein wenig eklig werden, wenn man ihn nicht wäscht. Der dezent rauschende Lüfter hielt die Linsen dabei verlässlich davon ab, jemals zu beschlagen. Auf lange Sicht können sich die Augen bei solch einer Belüftung aber früher trocken anfühlen.

 

Für PC-VR nur bedingt geeignet

 

[GUI_STATICIMAGE(setid=92345,id=92655130)]
Green Hell im Vergleich für Pico 4 (links) und Quest 2 (rechts). Die grobpixeligen Randbereiche sparen übrigens Rechenpower (per Fixed Foveated Rendering) und fallen nur auf Screenshots negativ auf. © 4P/Screenshot

Für feuchte Augen dürfte bei Bild-Experten das Fehlen des Displayport-Anschlusses sorgen. Im Gegensatz zum Vorgänger Pico Neo 3 wurde dieser wegrationalisiert. Stattdessen leidet das Bild von PC-Titeln wie Half-Life: Alyx oder Project Cars 2 immer leicht unter Kompressionsartefakten und kleinen, durch die Latenz verursachten Ungenauigkeiten. Das gilt nicht nur für die drahtlose Verbindung per Wi-Fi 6, sondern auch für die Kabel-Verbindung per USB. Dabei kam es momentan noch hin und wieder zu kleinen Bugs. Pico wies uns allerdings darauf hin, dass die System-Software noch nicht final ist und zum offiziellen Start am Dienstag, 18. Oktober ein großes Update erhält. Manche Kunden dürften die Neuerungen erst später zu Gesicht bekommen: Derzeit kommt es schon bei Vorbestellern zu Lieferengpässen.

 

Ein Tipp fürs Streaming ist übrigens die inoffizielle App Virtual Desktop, die in den Bereichen Bildklarheit und Verzögerung minimal bessere Ergebnisse lieferte als die offizielle Streaming-Funktion. Mit diesem Programm lassen sich nicht nur Steam-Titel, sondern auch unterstützte Spiele aus dem Rift-Store übertragen. HTC hat mit der Vive Focus 3 übrigens einen modernen Konkurrenten im Programm, der sogar fortschrittliches, latenzarmes Streaming per Wi-Fi 6E unterstützt. Dieses Gerät für 1.180,00 Euro richtet sich aber leider an Geschäftskunden wie VR-Spielhallenbetreiber.

 

Color-Passthrough wie bei der Quest Pro?

 

[GUI_STATICIMAGE(setid=92345,id=92655126)]
Ein Blick aufs Passthrough-Bild der Front-Kamera in die Außenwelt. Ähnlich wie die Quest 2 vergisst auch die Pico 4 manchmal die Grenzen des VR-Spielfelds. © 4P/Screenshot

Eine Überraschung der Pico 4 ist das hochauflösende Color-Passthrough. Die Funktion sorgt schon jetzt dafür, dass ich die VR-Brille nicht mehr abnehmen muss, wenn ich kurz überprüfen möchte, wer oder was vor mir in der realen Welt herumwuselt. Wie bei Meta sehe ich nach zwei seitlichen Klopfern ans Gehäuse das Wohnzimmer vor mir, hier allerdings in Farbe und deutlich höher aufgelöst.

 

Augmented-Reality-Spiele (AR), bei denen Computergrafik ins Zimmer eingeblendet wird, dürften damit höchstens bedingt möglich werden. Bisher zumindest kommt das Bild ohne Tiefenkorrektur aus nur einer frontalen Kamera, so dass die Außenwelt hier ziemlich platt bleibt. Bei der Quest Pro oder Quest 2 wird das Bild mehrerer Kameras kombiniert. Mit der Pico 4 ergibt sich derzeit also ein auf Dauer anstrengender Bildeindruck: Die Tiefe des Raumes bewegt sich schlicht nicht so, wie das Gehirn es erwartet. Auch die „Pico 4 Enterprise“ für Geschäftskunden könnte nur eine Kamera nutzen, um das Passthrough-Bild einzufangen. Dieses Premium-Modell mit Augen- und Gesichts-Tracking kostet in China umgerechnet rund 600 Euro. Die Quest Pro setzt die Umwelt aus drei Kameras zusammen, schlägt aber mit stattlichen 1.799 Euro zu Buche.