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Armored Core 6: Fires of Rubicon (Action) – Schäbiger Schrotthaufen oder makelloses Mech-Mekka?

Abgestaubt, neu zusammengeschraubt und auf Hochglanz poliert: Nachdem sich das japanische Entwicklerstudio From Software hier im Westen mit Demon’s Souls, Dark Souls und Elden Ring einen Namen gemacht hat, kehrt man nun zu den Wurzeln zurück. Armored Core 6: Fires of Rubicon soll der bislang mäßig beachteten Mech-Reihe zu neuem Erfolg verhelfen, nachdem die Kampfroboter nun zehn Jahre lang in der Garage stehen mussten. Ob das gelungen ist, wie es um den leidig diskutierten Schwierigkeitsgrad aussieht, und was Soulsborne-Fans beim ersten Kontakt mit dem Armored Core-Franchise wissen sollten, verraten wir im großen Test.

© FromSoftware / Bandai Namco

Der Schweiß läuft, der Lauf schwitzt
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Die Luft knistert vor Spannung, die Miene wird konzentriert, die Sitzposition nach vorne verlagert: Ein Bosskampf steht an. © 4P/Screenshot

Einige der Missionen enden nämlich mit gnadenlosen Endgegnern, die mit ihrem langen Lebensbalken und ihrer imposanten Erscheinung gerne mal den halben Bildschirm füllen. Zu begeistern wissen die nicht nur mit knackigen Kämpfen und komplexen Kombos, sondern auch mit einer großen Varianz in Sachen Aussehen und Angriffsmustern: Sechsbeinige Metallspinnen verhindern meinen Fortschritt dabei genauso wie motorisierte Vulkane oder gigantische Stahlwürmer, machen den Boden und den Luftraum unsicher, nehmen mich mit fiesen Nahkampfangriffen oder einem Kugelhagel aus der Ferne in die Zange. Und obwohl Armored Core 6 nur wenig mit den Soulsborne-Spielen gemein hat, sorgten einige der Bosse für fürchterlich-fantastische Flashbacks an die stundenlangen Auseinandersetzungen aus From Softwares Dark Fantasy-Portfolio.

 

 

Dass ich bei späteren Begegnungen auch nach unzähligen Versuchen noch Lust hatte, wieder und wieder in die Arena zu steigen, liegt vor allem an den unfassbar fairen Checkpoints. Vor jedem Bosskampf speichert das Spiel automatisch und lässt mich beim Ableben direkt wieder einsteigen, inklusive aufgefülltem Magazin und Heilvorrat. Habe ich das Gefühl, mein Versagen liegt vielleicht eher an der Ausstattung meines Mechs, kann ich hier außerdem Änderungen vornehmen, und das ist meistens der beste, manchmal sogar der einzige Weg zum Erfolg. Hier kommt übrigens auch die bei normalen Gegnern eher zu vernachlässigende Haltungsleiste ins Spiel: Decke ich den Boss mit dauerhaftem Beschuss ein und fülle den Balken über seinem Kopf bis zum Anschlag, bringe ich ihn für kurze Zeit ins Taumeln und verursache erhöhten Schaden, ohne selbst welchen einstecken zu müssen. Damit ausgleichende Gerechtigkeit herrscht: Mein Mech besitzt natürlich ebenfalls eine solche Haltungsleiste.

 

 

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Wenn eine monströse Metallspinne über das Schlachtfeld stolpert, dann bleibt auch in Armored Core 6 kein Auge trocken. © 4P/Screenshot

Die abwechslungsreichen, visuell spektakulären und wirklich knackigen Bosskämpfe sind eines der größten Highlights von Armored Core 6 und lassen sich auch von zwei Kleinigkeiten nicht in ihrer Qualität herunterziehen. Erwähnt seien die aber natürlich trotzdem: Bei wiederholten Versuchen musste ich mir beispielsweise jedes Mal die gleichen Sprüche von Walter anhören, die auf Dauer nicht nur meine Konzentration, sondern auch meine Nerven strapaziert haben. Zwar lassen sich Stimmen manuell im Menü abschalten, dann verstummen aber auch die hilfreichen Ansagen über die Anzahl der verbleibenden Heiltränke oder Patronen, und die sind durchaus praktisch, wenn mein Puls mir in den Ohren hämmert und der Tunnelblick einsetzt.

 

 

Darüber hinaus kommt die Kamera nicht immer mit, weil einige der Bosse schlicht zu schnell unterwegs sind. Dem kann man zwar mit einer höheren Kamerageschwindigkeit im Menü oder der Option zum sofortigen Umdrehen entgegenwirken, trotzdem übertreiben es einige der Maschinen mit wilden Flugmanövern, um sich außerhalb meines Sichtfeldes zu positionieren und mir leuchtende Laserstrahlen in den ungeschützten Blechrücken zu feuern. Selbst anvisierte Gegner lassen sich so nur schwer im Auge behalten, sodass ich im Eifer des Gefechts fieberhaft nach dem gerade noch sichtbaren Endgegner Ausschau halten muss und mitunter unnötige Treffer kassiere. Was dagegen auch bei den Bosskämpfen herausragend hervorsticht, ist das ganz und gar gelungene Spielgefühl.

 

Über den Wolken

Um mich aus meiner eigenen Vorschau zu Armored Core 6 zitieren: „Aufgrund meiner Vorliebe für die schnelleren From Software-Spiele wie Dark Souls 3 oder Bloodborne hatte ich beim Anblick der Metallkisten aus Fires of Rubicon ein bisschen Angst, dass ich nicht wie ein eleganter Evangelion durch die Lüfte der Spielwelt gleite, sondern wie eine Bleiente zu Boden sinke. Zu meiner Überraschung ging das Steuern des Mechs hervorragend von der Hand und schafft den Drahtseilakt zwischen geerdeter Immersion und angenehmer Handhabung. In meinen vier Stunden im Cockpit hatte ich weder das Gefühl, einen tonnenschweren Panzer noch ein federleichtes Plastikspielzeug durch die Gegend zu manövrieren, sondern behielt dank Schubdüsen, Sprintfunktion und Ausweichmanövern zu jedem Zeitpunkt die volle Kontrolle über meinen Kampfroboter.“

 

 

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Egal ob mit Düsenantrieb oder ohne: Die Steuerung fühlt sich genau so an, wie ich mir einen Mech immer vorgestellt habe. © 4P/Screenshot

An diesem Gefühl hat sich glücklicherweise auch nach fast 30 Stunden und dem Abschluss der Geschichte nichts geändert. Egal ob auf der Erde oder in der Luft, egal ob mit schlanken Beinen oder klobiger Karosserie: Die Steuerung passt stets zur Ausstattung, wird aber selbst mit der dicksten Panzerung nie unspielbar. Das ist vor allem deshalb so wichtig, weil das Gameplay von Armored Core 6 fast ausschließlich aus den actiongeladenen Auseinandersetzungen besteht und Erkundung nur dann eine minimale Rolle spielt, wenn ihr eine der wenigen versteckten Schatzkisten in den großflächigen Arealen ausfindig macht. In dem Zusammenhang ebenfalls essenziell: Die Technik spielt mit, und zwar zu jedem Zeitpunkt. Dass mein Mech so butterweich durch die Lüfte gleitet, ist schließlich auch der stabilen Bildrate und dem Mangel an Bugs und Glitches zu verdanken.

 

 

Schrot und Spiele

Neben den Hauptmissionen könnt und solltet ihr in der Arena vorbeischauen, wo euch Kämpfe gegen zahlreiche andere Mechs erwarten und ein Haufen Coam sowie OST-Chips als Belohnung winken. Die Brot-und-Spiele-Simulation, bei der ihr euer Können in mal mehr, mal weniger anspruchsvollen Duellen erproben könnt, ist zwar rein optional, doch das Erklimmen der 30 Stufen langen Rangliste lohnt sich und hilft euch auch beim Bewältigen der Story. Mit den OST-Chips lassen sich nämlich permanente Fähigkeiten und Boni freischalten, die die sonst vollständig fehlende Art des Stufenaufstiegs ersetzen sollen und euch besonders bei den zunehmend herausfordernderen Auseinandersetzungen unter die Arme greifen.

 

 

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Auch ohne Zuschauer und Löwengebrüll geht es in der Arena heiß her. Den Sieger erwarten Ruhm, Ehre und nützliche OST-Chips. © 4P/Screenshot

Im entsprechenden Menüreiter findet ihr einfach Verbesserungen wie erhöhte Heilung oder verminderten Schaden sowie neue Funktionen, die das Arsenal eures Mechs merklich verändern. Ein Boost-Tritt, die Möglichkeit zum manuellen Zielen oder eine Schock-Barriere, die auf Knopfdruck gegnerische Projektile verpuffen lässt und noch dazu verheerenden Schaden verursacht, bieten ordentlich Variation, je nachdem, wie ihr eure erbeuteten OST-Chips investiert. Im Verlauf der Story schaltet ihr nach und nach weitere Arenakämpfe frei, könnt euch so die Rangliste hocharbeiten und dabei gleichzeitig euren Armored Core aufmotzen. Die kurzweiligen Duelle sind eine angenehme Abwechslung zur Hauptstory und sorgen für spielerische Progression, die Spaß und sich bezahlt macht.