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A Plague Tale: Innocence (Action-Adventure) – Mit Licht und Tücke

Ähnlich wie Kingdom Come: Deliverance entführt A Plague Tale: Innocence auf PC, PS4 und Xbox One in das europäische Spätmittelalter. Als imJahr1348 der Ausbruch der Pest selbst die Schrecken desHundertjährigenKrieges überschattet, schlüpft man in die Rolle derfranzösischen Adelstochter Amicia. Mit ihrem kleinen Bruder Hugo muss sienicht nur vor der Inquisition und Engländern, sondern auch vor einermysteriösen Rattenplage fliehen.

© Asobo Studio / Focus Home Interactive

Schleichen und ablenken

Sehr schön sind zudem die Möglichkeiten der Tarnung und Ablenkung: Aufrecht oder rennend ist man schnell entdeckt, also muss man meist geduckt unterwegs sein. Man kann mit Steinen auf metallische Gegenstände oder Vasen werfen, um eine Wache von A nach B zu locken. Dann kann man sie umrunden, um wieder im hohen Gras oder hinter einer Deckung zu verschwinden. Zwar sind die Areale meist recht überschaubar, die solide KI hat kleine Aussetzer, aber so entsteht ein spannendes Katz- und Mausspiel, das vor allem aufgrund der vielfältigen interaktiven Elemente wie Ratten, Patrouillen, Köder, Feuer, Deckung, Alchemie und Schleuder für abwechslungsreiche Unterhaltung sorgt. Nur ab und zu zickt die Steuerung, wenn man etwas zu umständlich einen Wagen mit Feuerschale schieben muss oder von nicht mal hüfthohen Hindernissen aufgehalten wird. Und im letzten Drittel wiederholen sich einige Herausforderungen.

Das Ganze wird aber über 17 Kapitel überraschend lebendig sowie erzählerisch interessant inszeniert. Das betrifft nicht nur die ansehnlichen Animationen der Geschwister, wenn sie sich beim Klettern helfen oder sie ihren Bruder tragen muss, sondern vor allem ihre Kommunikation: Amicia und Hugo

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Schon bald kann Amicia auch Brandgeschosse schleudern. © 4P/Screenshot

werden als Charaktere greifbar, weil man ihre Konflikte, Ängste und Zuneigung spürt. Die ältere Schwester muss sich plötzlich als Beschützerin ihres kranken Bruders beweisen, der bis dato unter der Obhut ihrer Mutter lebte und Panik bekommt, wenn er zu lange alleine ist – manche Aufgaben muss Amicia aber getrennt von ihm erledigen, so dass sie sich sputen muss, weil ein Game Over droht. Gerade in diesen Phasen der Trennung steigt der Adrenalinpegel. Der fünfjährige Junge wird jedenfalls sehr gut getroffen, wenn er neugierig Fragen stellt, sich über Schönes freut oder vor Unheimlichem fürchtet. Es entstehen ebenso lustige wie charmante und traurige Situationen, in denen man mitfühlen kann.

Natürliche Dialoge


Ähnlich wie in God of War sorgen auf dem Weg zum nächsten Ziel angenehm natürliche Dialoge dafür, dass man sich immer besser mit den Geschwistern indentifizieren kann, die plötzlich vom Schicksal getroffen wurden. Das Unheil kam wie aus dem Nichts über die priveligierte adlige Familie. Amicia war gerade mit ihrem Vater auf der Jagd in einem idyllischen Wald, um mit ihrer

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Die Schlachten des Hundertjährigen Krieges haben Felder voller Leichen hinterlassen. © 4P/Screenshot

Schleuder zu üben, als ihr Hund auf seltsame Art starb. Und noch seltsamer war das klaffende Loch im Boden, aus dem es wie aus einem Schlund der Hölle rumorte. Dann ging alles ganz schnell: Die Häscher der Inquisition überfielen das Rittergut, forderten den Bruder und metzelten alles nieder. Seitdem befinden sich die beiden auf der Flucht.


Für erzählerische Neugier sorgen vor allem drei Fragen: Was will die Inquisition von Hugo? Was hat es mit seinen Kopfschmerzen auf sich? Und was steckt hinter der Rattenplage, die selbst die Schrecken des Hundertjährigen Krieges übertrifft? Es gelingt der Regie übrigens gut, die fiktiven Elemente glaubwürdig in das historische Szenario einzuflechten.

Historisches Flair

Zu der Zeit regierte König Eduard III. (1327 – 1377) in England, der sich aufgrund seiner Herkunft aus dem Hause Anjou-Plantagenêt im Jahr 1340 zum König von Frankreich erklärte und ab 1346 die militärische Offensive auf dem Festland startete, die mit dem glorreichen Sieg in der Schlacht bei Crécy sowie der Eroberung von Calais ihren ersten Höhepunkt erreichte. Ähnlich wie im Spiel die Rattenplage sorgte der Ausbruch der Pest allerdings für einen Stillstand der Feldzüge mit dem
Das französische Asobo Studio ist seit 2002 aktiv. Es gehörte bisher nicht zu den prominenten Entwicklern, aber von Bordeaux aus wurden über 20 Spiele designt – meist im Auftrag von THQ, Ubisoft oder Microsoft. Für Letztere haben sie als erstes Independent-Studio mit „Fragments“ und „Young Conker“ zwei HoloLens-Spiele konzipiert. Im Portfolio befinden sich ansonsten Titel wie Ratatouille, Wall-E, Fuel, Toy Story 3, The Crew, ReCore oder Disneyland Adventures. © 4P/Screenshot
französischen König Phillip VI (1328 – 1350) von Valois – was auch von den Engländern diskutiert wird, als Alicia durch ihr Feldlager schleicht. Man erkundet also nicht nur Schlachtfelder voller Leichen, sondern kann Gesprächen lauschen, erfährt etwas über die Könige und die Kluft zwischen Adel und Bauern wird angerissen. Wer sich für das Spätmittelalter interessiert, wird zwar nicht so viele Details wie in Kingdom Come: Deliverance sowie einige fiktive Aspekte, aber auch abseits der Wappen mit den drei Löwen oder Lilien einige authentische Bezüge finden.

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Ab und zu muss Amicia ihren Bruder tragen. © 4P/Screenshot
Dass man die Geschwister sehr gerne begleitet, liegt nicht nur an der orchestralen Musik von Olivier Derivière (Vampyr), der vor allem dann mit seinen Streichern auftrumpft, wenn sich das Alptraumhafte immer deutlicher zeigt – hier ensteht in einigen Momenten durchaus Horrorflair, das akustisch markant verstärkt wird.

Für Stimmung natürlich auch die technisch saubere sowie abwechslungsreich designte Kulisse, die mit ihren Wäldern, Aquädukten, Grotten, Dörfern, Tunneln und Burgen ein breites Spektrum an Arealen inkl. toller Lichteffekte abdeckt. Man bleibt gerne mal in der Landschaft stehen, um die Kamera zu drehen; das Figurendesign kann sich ebenfalls sehen lassen, denn die Mimik ist gut, die Kleidung sehr gut texturiert und einzelne Teile wie Gürtel, Taschen oder Schnüre werden in Aktion bewegt. Das ist ein überaus kompetentes Bild, das die hauseigene Engine hier bei ihrer Premiere zeichnet – darauf kann das Studio aufbauen. Ärgerlich sind lediglich einige wenige Clippingfehler sowie geklonte Figuren wie z.B. Offiziere im Lager der Engländer. Schön ist übrigens, dass man die Benutzeroberfläche so reduzieren kann, dass es keinerlei Hilfs- oder Infoanzeigen mehr gibt.