Ähnlich wie Kingdom Come: Deliverance entführt A Plague Tale: Innocence auf PC, PS4 und Xbox One in das europäische Spätmittelalter. Als imJahr1348 der Ausbruch der Pest selbst die Schrecken desHundertjährigenKrieges überschattet, schlüpft man in die Rolle derfranzösischen Adelstochter Amicia. Mit ihrem kleinen Bruder Hugo muss sienicht nur vor der Inquisition und Engländern, sondern auch vor einermysteriösen Rattenplage fliehen.
Die Ratten sind überall. Eine Flut aus braunen Leibern kreischt und tobt, versucht von allen Seiten an die beiden Menschen heran zu kommen. Tapfer hält das junge Mädchen die Fackel in der einen, den kleinen Bruder an der anderen Hand. Nur ihr Licht bewahrt die beiden davor, mit Haut und Haaren gefressen zu werden. So können sie in Schulterperspektive vorwärts gehen, um sich langsam einen Weg durch das tödliche Meer aus Fell zu bahnen. Dabei müssen sie immer wieder vorhandene Inseln des Lichts erreichen oder sich selbst neue Ruhezonen schaffen, indem sie Feuer entfachen.
Amicia kann z.B. Stöcke entzünden, aber die brennen nur kurze Zeit, so dass sie schnell Gluthaufen finden muss, die für eine permanente Lichtquelle sorgen. Nach jedem erfolgreichen Schritt muss man erstmal das Gelände erkunden und nach
Lösungen suchen. Schon bald kann sie auch alchemistisches Feuer werfen, um weit entfernte Wagen, Windmühlräder oder Belagerungsgerät zu entzünden. Später kommen explosive Pulver hinzu, die sie direkt in die zischelnde Meute werfen kann, um zumindest einen Teil zu vernichten. Denn die Gefahr lauert immer zentimeternah: Gehen sie nur einen falschen Schritt, ist es vorbei! Zwar gibt es nur einen eher angenehmen Schwierigkeitsgrad, aber der sorgt trotzdem für einige anspruchvolle Situationen und Bildschirmtode. Manchmal müssen die beiden auch rennen, wenn etwa Blitze nur für kurze Zeit die Ratten verscheuchen. So kommt es zu spannenden Situationen, in denen sich Action und Rätselflair auf unterhaltsame Art ergänzen.
Die Macht der Schleuder
Die Schleuder spielt dabei eine wichtige Rolle: Mit ihr kann Amicia z.B. Schlösser sprengen, um Wege zu öffnen oder Kisten auf den Boden krachen zu lassen, die man bewegen und zum Klettern nutzen kann. Oder sie kappt damit Seile von Ködern wie
Schinken oder gar Leichen, auf die sich die gierigen Ratten stürzen, sobald sie auf den Boden treffen. Mal muss man einfach schnell wegrennen, mal muss man Fähigkeiten als Team kombinieren, um heil von A nach B zu kommen: Amicia kann ihren Bruder z.B. durch kleine Öffnungen oder zu Apparaten schicken; später arbeitet man auch in einer Dreier- oder Vierergruppe zusammen, wenn jeder einen Hebel bedient, um Schleusen zu öffnen, Gatter zu bewegen oder Boote heranzuziehen.
Zwar sind viele Lösungswege ebenso klar wie linear und manche Übergänge vorgegeben, aber es geht auch um Kampf und
Schleich-Taktik im Gelände. Amicia muss zwar in speziellen Duellsituationen so etwas wie Bosskämpfe meistern, aber hat ansonsten keine Chance in einem Nahkampf. Trotzdem sorgt ihre Schleuder für tödliche Kopftreffer, so dass sie einige Wachen aus der Distanz eliminieren kann. Trägt der Feind einen Helm, muss sie diesen allerdings erst mit einer Säure treffen, damit er ihn absetzt und verwundbar ist – danach stürzt er sich auf sie. Aber sie kann die Ratten auch in eine Waffe verwandeln: Wenn eine Wache mit Laterne durch sie hindurch spaziert, muss sie nur seine Lichtquelle zerstören, um den Mann in Futter zu verwandeln. Und wenn sie direkt hinter einem Feind steht, kann sie ihn mit alchemistischem Pulver von hinten betäuben – falls sie denn die Zutaten dafür hatte.
Das Handwerken und Aufrüsten bleibt aber eher dezente Nebensache, zumal die Auswirkungen der permanenten Verbesserungen nur gerinfügig spürbar sind. Man findet auf dem Weg diverse Zutaten wie Leder, Stoffe, Salpeter, Öl oder Fläschchen, mit denen man sofort diverse feurige, ätzende oder betäubende Substanzen oder nur an Werkbänken auch Erweiterungen für die Schleuder, die Beutel oder die Kleidung anfertigen kann – all das lässt Alicia schneller schießen, mehr tragen oder leiser gehen; klassische Charakterwerte wie in einem Rollenspiel gibt es nicht. Trotz der eher begrenzten Areale wird das Absuchen von Abzweigungen oder Gängen belohnt. Das Wenige, was man dort an Blumen oder Artefakten finden kann, wird sehr schön als 3D-Modell mit historischem Infotext archiviert. Da erfährt man dann z.B., wie lebensrettend das gute alte Bier schon im Pestzeitalter war.