Das Problem dabei: Das Spiel erklärt nur die wichtigsten Grundlagen. Einen Großteil des Prinzips lernt ihr erst durch Ausprobieren. Das gilt auch für Charakterentwicklung. Ganz zu schweigen davon, dass die ersten Stunden im Spiel unter dem Vorzeichen eines großen Fragezeichens stehen. Es dauert viel zu lange, bis ein Neuling begreift, was wirklich von ihm oder ihr verlangt wird. Bis ihr versteht, wie Lenneth alle von Odin geforderten Kämpfer effektiv trainiert und nach Walhalla schickt, kann so viel Zeit vergehen, dass der Sieg im heiligen Krieg zur Mission: Impossible wird. Deshalb ist mir auch völlig unverständlich, weshalb Square Enix dem Spiel kein einziges deutsches Wort gönnt. Das ist bei so komplexen Zusammenhängen ein unbedingtes Muss!
Aber wenn ihr den Bogen endlich raus habt, entdeckt ihr sowohl im Ausbilden der Helden als auch in den Kämpfen so viel Tiefe, dass euch das Spiel lange in seinen Bann zieht. Und dann ist Valkyrie Profile auf einmal ungemein fordernd, befriedigend und packend!
Vor allem aber verheddert es sich nicht in Nebensächlichkeiten. Vom Verzicht über ausgedehnte Wanderschaften bis hin zum schnellen Kauf eurer Ausrüstung: Ihr könnt euch ganz auf das eigentliche Abenteuer konzentrieren. Waffen, Rüstung und Gegenstände findet ihr nämlich nicht in entlegenen Läden. Vielmehr erhaltet ihr Materiepunkte, aus denen ihr die gesuchten Objekte formt. Überflüssiges Material verwandelt ihr hingegen in seinen Urzustand und vergrößert so euren Vorrat an Materie. Einige Gegenstände dürft ihr sogar transformieren. Dann erhaltet ihr z.B. neue Zaubersprüche oder erschafft aus Federn Heiltränke. Einige Möglichkeiten habt ihr zwar nur über der Weltkarte sowie an Speicherpunkten, doch die könnt ihr jederzeit erreichen. Schließlich stehen euch auf dem Weg zurück keine zufälligen Begegnungen mit unsichtbaren Unholden im Weg.
Gestreckt und vorberechnet
Das Einzige, was das Umsorgen der Charaktere in die Länge zieht, sind die Verzögerungen beim Aufruf der Menüpunkte. Außerdem stiftet die furchtbar umständliche Übersicht unnötige Verwirrung. Ich habe mich noch nach zehn Stunden mitunter ins falsche Menü gedrückt! Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil ihr den Kriegern nicht nur Waffen in die Hand drückt, sondern auch deren Eigenschaften verbessert, Fähigkeiten lernt und aufwertet, die Formation ändert, Charaktere auswechselt, sie nach Walhalla schickt, Gegenstände erschafft oder Erfahrungspunkte verteilt. Das Besondere daran ist, dass ihr nicht einfach eure vier Lieblinge wieder und wieder in die Schlacht schickt, sondern überlegen müsst, wer trainieren sollte – auch wenn der Kampf dadurch schwieriger wird. Wer eignet sich am besten als der momentan von Odin geforderte Held? Und wie trainiert ihr ihn am effektivsten? Dabei ist es klasse,
dass ihr einige Erfahrungspunkte jeder beliebigen Person zuweisen dürft, nachdem ihr einen Sumpf oder eine Höhle von Monstern befreit habt. So macht ihr aus einem schwachen Neuling in eurer Gruppe schnell einen wertvollen Krieger – falls ihr wollt.
Ja, ich weiß: Wer Glück hatte und eins der wenigen, nie in Deutschland erschienen, Valkyrie Profile auf PlayStation besitzt, kennt das alles schon seit sieben Jahren! Tatsächlich hat Tri-Ace gerade mal für ein breites Bild gesorgt, ansonsten aber die Finger von seinem Spiel gelassen. Gut so, denn so kommen Nachzügler wie ich doch noch in den Genuss des großartigen Abenteuers! Dass wir dafür allerdings die schwache Hilfestellung sowie das vertrackte Menü des Vorbilds in Kauf nehmen müssen, ärgert mich. Immerhin: Lenneth erzählt seine Geschichte in wundervollen vorberechneten Szenen, anstatt die Comic-Schnipsel des Originals noch einmal durchzukauen. Schade vielleicht, dass ihr im Verlauf der Handlung viele ausgefeilte Figuren kennenlernt, aber der Plot nie in die Tiefe geht – das ist nun mal der Preis für Handlungsfreiheit und dafür, dass ihr die fertig ausgebildeten Charaktere nach Walhalla schickt. Doch es ist auch nur ein kleiner Wermutstropfen auf einem verdammt heißen Stein.