Butch Drake und Sundance Sam
Der Colt kracht, der Schurke fällt, ab in Deckung! Irgendwo im schottischen Hochland erleben Nathan und Sam Drake gerade ihren eigenen Western. Vor den Überresten einer mittelalterlichen Kathedrale jagen den beiden Brüdern die Projektile und Granaten nur so um die Ohren. Und weil da keine keltischen Hillbillys, sondern südafrikanische Söldner mit reichlich Berufserfahrung aus allen Rohren feuern, muss man Acht geben, dass man nicht flankiert oder umzingelt wird. Also huscht man von Mauer zu Mauer, erklimmt Anhöhen oder rollt elegant aus der Schusslinie.
Auf dem dritten der fünf Schwierigkeitsgrade wird man in diesem Uncharted 4: A Thief’s End bereits angenehm gefordert – vor allem, wenn man Zielhilfen & Co abschaltet. Erfahrene Shooterspieler sollten aber unbedingt die vierte Stufe wählen. Keine Bange: Man hat es nicht mit Gegnerwellen zu tun, sondern mit koordinierten Angriffen kleiner Trupps, die sich verschanzen, Stellungen wechseln und von Scharfschützen unterstützt werden. Wer zu lange an einem Punkt verharrt, der verliert sein Leben sehr schnell in dieser verschneiten Idylle. Und warum das alles?
Kleiner und großer Bruder
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Weil die beiden Waisen seit Kindertagen ein verschworenes Paar sind, das Schätzen und Gefahren einfach nicht widerstehen kann – schon im Prolog kann man selbst erleben, wie der kleine Nathan dem großen Sam nacheifert. Es ist rührend, wenn der Junge vor einem gefährlichen Sprung zögert, bevor ihm der Bruder Mut zuspricht; oder wie er mit großen Augen dessen Motorrad bewundert. Dieser stimmungsvolle Einstieg zeigt die ersten Facetten einer Beziehung, die als interessantes Leitmotiv die folgenden Stunden prägt. Und Naughty Dog gelingt das Entscheidende: Man kann sich mit beiden identifizieren, obwohl sie – natürlich – ganz unterschiedliche Charaktere sind, die auch mal heftig aneinander geraten.
Allerdings entwickelt sich trotz dieser lobenswerten erzählerischen Ansätze natürlich kein Familiendrama, sondern weiterhin ein actionreiches Abenteuer. Man kann sich in Konfliktsituationen nicht entscheiden und es gibt die eine oder andere Schwachstelle in der Glaubwürdigkeit. Den Widerspruch zwischen dem hohen Bodycount einerseits und den eigentlich „guten“ Halunken, die selbst in gefährlichsten Szenen keine Mörder sein wollen, wird die Story auch in diesem vierten Teil nicht überwinden. Es sei denn, man spielt komplett ohne Kämpfe im Erkundungsmodus. Aber das Drehbuch liefert zumindest genug Einblicke, um nicht nur die Brüder, sondern auch ihre schussgewaltige Schicksalsgemeinschaft zu verstehen. Außerdem krachen die Colts wirklich gut. Und Indiana Jones war ja auch nicht gerade zimperlich…
Auf der Spur legendärer Piraten
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Naughty Dog inszeniert weiterhin einen Abenteuerfilm mit viel Krawumm. Aber die Regie ist viel reifer, lässt auch abseits der Dialoge tiefer in die Charaktere blicken und erzählt über Erkundung im Stillen. Es gibt so viele gute Szenen ohne Action. Wenn man mit Nathan und Sam in einem famos inszenierten Rückblick durch ein mehrstöckiges Herrenhaus voller Masken, Vasen, Rüstungen, Münzen, Landkarten und Waffen aller Zeitalter stromert, kann man die kindliche Faszination an Entdeckungen ebenso nachvollziehen wie die brüderliche Beziehung – die beiden haben nur sich, dazu die Erinnerungen an ihre verstorbene Mutter. Es ist schön, dass nicht nur die Biographie und der Charakter des Helden hier ergänzt werden, sondern dass auch seine Familie in diesem Finale greifbarer wird; zumal auch einige offene Fragen zur Herkunft geklärt werden.
Spätestens in Schottland geht es allerdings nicht mehr um einen Einbruch von Jugendlichen, sondern um Leben und Tod: Der hunderte Millionen Dollar schwere Schatz des legendären Piraten Henry Avery lockt eben auch skrupellose Jäger an. Und die verfolgen die Brüder über knapp zwanzig Stunden in einer Tour de Force von Europa bis Madagaskar, inklusive halsbrecherischer Karambolagen und Rallye-Einlagen in Innenstädten. Selbst wenn einige Antagonisten im Laufe des Abenteuers an Präsenz verlieren oder ihr Potenzial nicht ausspielen, fühlt man sich in den ersten Stunden von vielen Fragen und mächtigen Gegnern umzingelt. Wo genau ist der Schatz eigentlich? Nein, man darf ihn nicht frei auf einer Weltkarte voller Orte suchen, sondern wird linear von Schauplatz zu Schauplatz geführt. Nicht nur Söldner sind einem bei der Recherche auf der Spur: Der ältere Bruder Sam saß viele Jahre in Panama im Knast und wird jetzt von einem skrupellosen Bandenchef erpresst, dem er für seinen Ausbruch die Hälfte des nicht mal georteten Schatzes versprechen musste – und das bitte in drei Monaten. Und so trifft die akute Lebensgefahr des einen auf den beschaulichen Alltag des anderen.