Das Tüpfelchen auf dem taktischen i ist die Ausdauer: Während Nadal selbst im fünften Satz noch einen Rennwagen überholt, macht ein Becker schon nach einer Handvoll langer Ballwechsel schlapp. Spieler wie er erreichen durchaus gut platzierte Longlines – je länger die Partie dauert, desto schwieriger fällt ihnen aber das Erlaufen. Für jeden Profi gilt außerdem: Auch starke Schläge kosten Kraft. Die Reserven kehren nach einem Seitenwechsel zwar zurück, sind spät im Match allerdings schneller aufgebraucht.
Übrigens |
Spätestens im dritten Satz muss man deshalb gut abwägen, wann man zu einem druckvollen Schlag ausholt.
Bobele
Verschwitzt gehen die Spieler in den zweiten Satz. Sie drehen sich nach den Rufen um, die sie aus dem Publikum heraus anfeuern. Nach der Abwehr eines Breaks ballen sie die Faust, euphorisch bejubeln sie einen Schmetterball, selbst der Kontrahent applaudiert – wahlweise übrigens in stereoskopischem, wenn auch unspektakulärem 3D. Livebilder fangen die Atmosphäre kaum besser ein. Das glaubt man jedenfalls, wenn man die exzellenten Figuren anfangs erlebt. Beckers seltene Hechtrolle hält manch verlorenen Ball im Spiel, Nadals Faust feiert wie ein Maschinengewehr und Federer retourniert einen Lob durch die eigenen Beine – der Wiedererkennungswert ist klasse!
Nach und nach nutzen sich die hervorragenden Gesten aber ab: Zu schnell wiederholen sich selbst die auffälligen Bewegungen, zu überschwänglich zelebrieren die Stars schon die ersten Punkte eines relativ unbedeutenden Matches. So toll es außerdem ist, dass die Sportler beim Seitenwechsel auf den Spielverlauf reagieren, so unglücklich wirkt es, dass ihre Reaktionen stets nur den letzten Ballwechsel mit dem immer gleichen Kopfschütteln oder Nicken widerspiegeln. Wie in den Vorgängern fehlen außerdem spezifische Animationen, wenn zwei Doppel-Spieler miteinander jubeln oder sich ärgern. Es sind unbedeutende Kleinigkeiten – die ironischer Weise im Rahmen der famosen Präsentation überhaupt erst auffallen.
Experten-Frühstück
Und es gibt inhaltliche Auffälligkeiten – erneut Kleinigkeiten, die nur deshalb Erwähnung finden, weil sie dem hohen Anspruch der großartigen Simulation nicht gerecht werden. Wieso darf man etwa Entscheidungen der Schiedsrichter nicht anfechten?
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Vor allem am Anfang der Karriere hat man mit den Gegnern allzu leichtes Spiel. Später schlagen die Asse zum Glück besser auf. |
Schon Smash Court Tennis 3 bot diese Möglichkeit, so dass spannende Partien noch packender wurden. Schade auch, dass man die Bespannung der Schläger weder zwischen noch während der Matches ändern darf. Nicht zuletzt unterläuft Top Spin 4 auch ein spielerischer Patzer: Beim Aufschlag liegt die Ausdauer-Anzeige des am unteren Rand stehenden Spielers oft außerhalb des Sichtfelds, während ein am oberen Rand aufschlagender Spieler den höchsten Punkt seines Ballwurfs nicht sieht, weil der ebenfalls nicht ins Bild passt.
Besonders der Karriere hätten Details wie die Bespannung der Schläger gut getan, weil die abwechslungsreiche Laufbahn auf Dauer eine Idee zu spröde scheint. Aber von vorn: Ja, Top Spin erlaubt endlich das Ausspielen vollständiger Matches! Für mich sind die Zeiten unsäglicher 3-Satz-Minispiele damit vorüber – wer will, darf natürlich weiterhin verkürzte Partien austragen. Wem die Karriere zu leicht oder zu schwer fällt, kann zudem die Schwierigkeit der nächsten Partie wählen. Die normalen Kontrahenten verspeist ein Experte dabei zum Frühstück und selbst auf der höchsten Stufe gewinnt man einige Matches mit Links.