Veröffentlicht inTests

Through the Darkest of Times (Taktik & Strategie) – Die dunkelste aller Zeiten

Spielkulturell hat Painbucket Games mit Through the Darkest of Times bereits zwei wichtige Ziele erreicht: Ein Spiel zu entwerfen, das Geschichte lehrt und gleichzeitig die Überwindung der fragwürdigen Symbol-Zensur in Videospiel-Deutschland angestoßen hat. Doch kann die Runden-Strategie auch spielerisch überzeugen? Unser Test liefert Antworten!  

© Paintbucket Games / HandyGames

Ein wichtiger Blick auf eine dunkle Zeit

Through The Darkest of Times ist ein wichtiger Titel – vor allem für die deutsche Spielkultur. Die Berliner von Paintbucket Games illustrieren mit dieser Management-Strategie einerseits den Blick einer kleinen Widerstandsgruppe auf den Aufstieg und die Verbrechen des Dritten Reiches zwischen 1933 und 1945.

Gleichzeitig war dieses Spiel im Jahr 2018 der Stein des Anstoßes für die USK, Spiele mit verfassungsfeindlicher Symbolik nicht länger nach §86 StGB ohne Siegel abzulehnen, sondern auf Einzelfallbasis im Rahmen der Sozialadäquanz einzustufen.

Fraglos ist es 2020 so wichtig wie selten, einer jungen Spielergeneration die Unmenschlichkeit der Nationalsozialisten, den verbrecherischen Krieg und den millionenfachen Massenmord nahezubringen. Mit eindringlichen Dialogen, Entscheidungen und Illustrationen vermittelt Paintbucket Games die Entwicklung Deutschlands in den 30er Jahren dramatisch. Das große Bild von Machtergreifung, Massenaufmärschen, Bücherverbrennung und Angriff auf die Sowjetunion auf der einen, die Konflikte zwischen Demokraten und Nazi-Nachbarn, der Frage nach Mensch und Unmenschlichkeit im Kleinen auf der anderen Seite.

Das Leben im „Dritten Reich“ als Visual Novel

[GUI_STATICIMAGE(setid=87493,id=92605033)]
Finstere Zeiten für Demokraten: Through the Darkest of Times illustriert Geschehnisse in vier Kapiteln u.a. die Machtergreifung 1933 und Olympia 1936. © 4P/Screenshot
Und immer wieder stehe ich in diesen Visual-Novel-Abschnitten als Spieler selbst vor der Frage: Wieviel riskiere ich? Beschütze ich den älteren jüdischen Mann, der 1933 von SA-Männern bedrängt wird? Greife ich 1941 ein, wenn die Nazi-Nachbarin und ihre indoktrinierten Hitlerjungen einem bekannten jüdischen Ehepaar aus der Nachbarschaft den Zugang zum Luftschutzbunker verwehrt? Wieviel Widerstand ist möglich, ohne das eigene Leben oder die Gruppe sinnlos aufs Spiel zu setzen? Denn Paintbucket Games inszeniert hier nicht den Kampf bewaffneter Rebellen: Stattdessen geht es um normale Bürger, die den Terror der Nationalsozialisten nicht hinnehmen wollen, gleichzeitig aber auch mit dem Alltag im „Dritten Reich“ konfrontiert werden – und sich ebenso um den Verlust der Leichtigkeit im Berliner Nachtleben, das Leben der Soldaten an der Ostfront und zwischenmenschliche Krisen sorgen wie um die ersten Gerüchte über Massenmorde durch die Wehrmacht, das Verschwinden von Nachbarn und die Repression durch das Regime.

Die leider ausschließlich in Textform abgehandelten Dialoge sind gut geschrieben, um eine bedrückende Atmosphäre zu schaffen. Zusammen mit einfachen Illustrationen, die vor allem die Nazi-Insignien und Uniformen hervorheben, zeichnen die Entwickler ein überzeugendes Bild von Nazi-Deutschland aus der Sicht eines Regime-Gegners, der jederzeit den Verrat durch seine Nachbarn fürchten muss. Schon 1933 werde ich mit der mörderischen Brutalität der Nationalsozialisten konfrontiert, die sich 1936 zur Olympiade gemäßigt geben, während die Parteiführung weiter ihre Pläne zu Krieg und Vernichtung im Osten schmiedet. Auch gruppeninterne Querelen spielen eine Rolle, da sich nicht nur Kommunisten und Sozialdemokraten, sondern auch einzelne Konservative oder Monarchisten anschließen – und teils völlig andere Werte gegenüber Militär und Vaterland vertreten.

Spielkulturell wichtig – aber wie gut ist das Spiel?

[GUI_STATICIMAGE(setid=87493,id=92605013)]
Der Stil ist zwar eigenwillig, die meisten Illustrationen sind aber äußert effektiv. © 4P/Screenshot
Gerade zum 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ist es wichtig, dass abseits von meist heroischen Shootern oder Strategiespielen genau diese Sichtweise vorangestellt wird. So kann man auch in einem Videospiel wenigstens einen kurzen Blick auf das Leben in Berlin während wichtiger Phasen der Nazi-Herrschaft erhaschen. Hier wird auch deutlich, welche Wirkung Propaganda auf die Jugend haben kann – und das ein Großteil der Deutschen hinter dem Regime stand oder sich zumindest mit Hitler und der NSDAP arrangiert hatte.

Doch eine wichtige Frage, die ich hier bewusst erst spät beantworte, bleibt: Kann Through the Darkest of Times neben dieser unstrittigen kulturellen Relevanz auch als Spiel überzeugen? Und hier lautet die Antwort leider zu oft: nein.