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Thimbleweed Park (Adventure) – Alte Adventure-Liebe rostet nicht

Kult-Designer Ron Gilbert nimmt die Spieler mit auf eine Zeitreise in die Achtziger: Das Kickstarter-Projekt Thimbleweed Park setzt nicht nur auf die grobe Pixel-Optik von damals, sondern dreht auch mechanisch die Zeit zurück und lässt das altbewährte SCUMM-System mit Verbenliste auferstehen, das 1987 in Maniac Mansion seine Premiere feierte. Ob Thimbleweed Park aber auch inhaltlich die Klasse der alten Lucasfilm-Adventures erreicht, verraten wir im Test…

© Terrible Toybox / Terrible Toybox

Training für die Lachmuskeln

Selbstverständlich kommt der Humor nicht zu kurz, wie man es von Ron Gilbert kennt und erwartet. Schon wenn man innerhalb der ersten zehn Minuten auf zwei Klempner-Damen in Taubenkostümen trifft, die als „Pigeon Brothers“ firmieren und über seltsame Signale schwadronieren, wird klar: Das hier wird kein übliches Detektiv-Adventure im Stil von Agatha Christie, sondern eher eins der durchgeknallten Art. Und man wird nicht enttäuscht: Obwohl die Suche nach der Wahrheit stellenweise durchaus düstere Züge annimmt, dominieren abgedrehte Situationen, herrlich geschriebene Dialoge und zahlreiche Referenzen an Spiele sowie die Pop-Kultur der Achtziger. Schaut man sich etwa bei der Vorstellung des fiesen Clowns Ransome im Zirkuszelt um, wird man viele bekannte Gesichter von den Edisons über Guybrush Threepwood bis hin zu Grün Tentakel entdecken. Das ist Nostalgie pur, die einen über das gesamte Abenteuer begleitet – sei es in Form von Postern, Entdeckungen (wie einer Kiste voller roter Heringe), Dialogoptionen („Ich verkaufe diese Lederjacken“) oder Schauplätzen. Ganz klar, dass selbst die Kettensäge nicht fehlen darf! Ob es dieses Mal auch Benzin gibt?? Die zahlreichen Seitenhiebe haben es ebenfalls in sich: Nimmt man z.B. eine zerbrochene Ketchup-Flasche vorsichtig auf, merkt die Figur anschließend an, dass man in einem Adventure von Sierra-Online jetzt schon gestorben wäre. Allerdings sei gesagt, dass man auch hier vorzeitig auf einem Game-Over-

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Wer braucht schon eine Pepsi, wenn man stattdessen eine nicht warenzeichenverletzende Poopsi trinken kann? © 4P/Screenshot

Bildschirm landen kann, doch wird man vor der besagten Aktion immerhin noch freundlich darauf hingewiesen, den Spielstand vorher besser nochmal zu speichern – ein Service, den man sich bei Sierra früher manchmal gewünscht hätte.

Überhaupt lässt Gilbert keine Gelegenheit aus, die Adventure-Konkurrenz von damals durch den Kakao zu ziehen – und sei es nur durch subtile Andeutungen auf dem Schild eines Friseurladens, auf dem es heißt: „Hair Today, Gone Tomorrow“ (King’s Quest VI lässt grüßen).  Doch auch sein ehemaliger Arbeitgeber bekommt in Form der fiktiven Videospielfirma MmucasFlem ordentlich sein Fett weg. Darüber hinaus wird hin und wieder die vierte Wand aufgebrochen und die Figuren sprechen den Spieler direkt an. Ohne Witz: Ich habe in letzter Zeit selten so viel gelacht, gekichert und gegackert wie hier! Ich habe mich tatsächlich wieder so gefühlt, als würde ich als Jugendlicher an meinem C-64 sitzen und den grandiosen Knobelspaß im Stil von Maniac Mansion genießen. Hinsichtlich Humor und Story ist Thimbleweed Park für mich das, was ich damals eigentlich bei Broken Age erwartet, von Tim Schafer und Double Fine aber leider nicht so recht bekommen habe.

Clevere Rätsel für Anfänger und Profis


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Vorsicht Spoiler: Man kann durch eine bestimmte Aktion tatsächlich vorzeitig sterben. © 4P/Screenshot

Dort enttäuschte zumindest in der ersten Episode auch der Rätselanspruch. Das ist hier zum Glück anders: Wie bei The Secret of Monkey Island 2 hat man auch hier die Wahl zwischen einem einfachen und einem schweren Schwierigkeitsgrad. Dabei muss man teilweise schon auf der leichten Stufe seine grauen Zellen in Schwung bringen, doch echte Knobelfreunde kommen erst auf dem höheren Niveau voll auf ihre Kosten. Dort werden die Rätsel nicht nur komplexer, sondern mitunter sogar durch weitere Puzzles und Areale innerhalb der abwechslungsreichen Schauplätze  ergänzt. Ein Beispiel: Während man auf der einfachen Stufe die benötigte Tinte bereits in einem Gefäß finden kann, muss man sie auf der schweren Stufe auch noch auf kreative Art und Weise selbst herstellen. Ich kann nur raten, das Spiel zuerst auf „einfach“ und danach auf „schwer“ durchzuspielen, damit man nicht nur (mindestens) zwei Mal in den Genuss dieser fantastischen Adventure-Erfahrung kommt, sondern auch das unterschiedliche Niveau der Rätsel zu schätzen lernt. Hier hat sich jemand offensichtlich viele Gedanken darüber gemacht hat, sowohl Anfänger als auch altgediente Adventure-Veteranen zu beglücken – selbst ein kleines Tutorial ist dabei.