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The Last of Us Part 2 (Action-Adventure) – Die brutale Wahrheit

The Last of Us gehört zu den besten Spielen dieses Jahrzehnts. Zwischen der brutalen Action im apokalyptischen Amerika blitzte immer wieder auf, welches dramaturgische Potenzial in Spielen steckt, welche emotionale Identifikation über glaubwürdige Beziehungen möglich ist. Fünf Jahre nach den bewegenden Ereignissen wird die Reise von Ellie und Joel fortgesetzt. Dabei geht Naughty Dog an Schmerzgrenzen. Warum sie das Erlebnis vertiefen und das Medium letztlich weiter reifen lassen, verrät der Test.
© Naughty Dog / Sony

Seid ihr bereit?

Es gibt Momente, die waren so überraschend, so schlimm oder so eindringlich, dass ich den Controller zur Seite legen musste. Manchmal hatte ich Angst vor dem, was als Nächstes kommt. Manchmal wollte ich eine gerade erlebte Situation einfach mal sacken lassen. Eines steht fest: Über dieses Spiel werdet ihr lange diskutieren, denn das Storytelling ist außergewöhnlich. Troy Baker, der amerikanische Sprecher von Joel, hatte nicht übertrieben, als er 2019 auf einer Comic-Messe raunte, dass manche Zocker da draußen nicht bereit für dieses Abenteuer sein würden. Hätte man eine Umfrage unter Fans gemacht, wäre dieses Spiel sicher nie so erzählt worden.

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The Last of Us Part 2 knüpft spielmechanisch und erzählerisch an den Vorgänger von 2013 an. © 4P/Screenshot

Naughty Dog beweist als Triple-A-Entwickler, der sich normalerweise immer an den Bedürfnissen des Mainstreams orientiert und Konflikte scheut, sehr viel Mut – und das ist verdammt gut. Aber ich werde euch nicht mitnehmen in diese streitbaren Situationen.

Zum einen habe ich einem Embargo zugestimmt, zum anderen will ich euch die Spannung natürlich nicht rauben. Daher bitte ich um Nachsicht, dass es in dieser Besprechung einige Lücken geben wird, dass ich manches nicht konkret benenne. Trotzdem muss ich natürlich wichtige Merkmale der Dramaturgie näher erläutern, um meine Einschätzung begreifbar zu machen.

Schmerzgrenzen

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Man ist auch mit dem Pferd unterwegs – das überwucherte Seattle sieht klasse aus. © 4P/Screenshot

Was meine ich z.B. mit Schmerzgrenzen? Zum einen das Offensichtliche: die Gewalt. Naughty Dog animiert die Kämpfe in all ihrer Brutalität. Wenn Ellie tötet, dann ist das kein sauberer Schnitt, sondern ein Anspringen, Niederringen, Erwürgen und Abstechen – dabei sieht man in die röchelnden Gesichter des Todes, hört das verzweifelte Gurgeln, bevor das Genick bricht. Vor allem im Nahkampf werden Anstrengung und Auswirkung in aller Konsequenz deutlich. Dagegen wirken die Finisher in Mortal Kombat wie abstrakte Comic-Schnipsel.

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Alles beginnt idyllisch, fast wie in einem Western… © 4P/Screenshot

Die Schonungslosigkeit erinnerte mich an die TV-Serie The Walking Dead, aber das hat mein Erlebnis eher intensiviert als gedämpft. Mir haben diese meisterhaft animierten Gefechte jedenfalls richtig Spaß gemacht – es ist eine explizite Oberfläche, die ich seit Jahren kenne. Zumal Naughty Dog in einigen Bereichen nicht so weit geht wie manche Filme oder Literatur. Das ist letztlich ein amerikanisches Spiel, in dem Sex nur eine Randnotiz ist. Aber jeder hat hier andere Grenzen. Mehr dazu übrigens in unserem Talk mit Alice und Matthias: Darin besprechen wir die Geschichte der Gewalt in Videospielen, aber auch einige psychologische und kulturhistorische Aspekte.