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The Crew 2 (Rennspiel) – Cooler Arcade-Raser, schwache offene Welt

Ende 2014 hat Ivory Tower mit The Crew ein in Ansätzen gelungenes Arcade-Rennspiel veröffentlicht, in dem man die gesamten USA bereisen durfte. Doch es schien, als ob man sich in einigen Bereichen zu viel vorgenommen hatte – erst mit den folgenden Erweiterungen und Inhaltspatches wurde es richtig gut. Kann der Nachfolger The Crew 2 von der Startlinie weg überzeugen? Die Antwort geben wir im Test.

© Ubisoft Ivory Tower / Ubisoft

Winterwunderland USA

Ich bin kein Amerika-Spezialist und habe bei meinen bisherigen Aufenthalten nur in New York, New Jersey, Kalifornien und Florida Station gemacht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die einzelnen Staaten nicht in gleichem Maße von Wintereinbruch betroffen sind. Dass sich Colorado mit seinen Wintersportgebieten nicht über Schneefall und rutschige Straßen wundert, sollte klar sein. Doch in Las Vegas ist es eher ungewöhnlich – auch wenn Anfang dieses Jahres tatsächlich ein paar Flocken in der Wüstenmetropole fielen. Ähnlich sieht es in Florida oder Kalifornien aus: Knackiger Winter ist möglich, aber eher unwahrscheinlich. Es sei dann, man fährt durch die offene Welt von The Crew 2, die wie im Vorgänger aus den stark komprimierten USA besteht. Dort werden von Frau Holle zeitgleich über alle Bundesstaaten hinweg die Schneekissen ausgeschüttelt. Und das ist nicht die einzige Ungereimtheit, die einem in dem Arcade-Raser begegnet.

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Zwischen diesen beiden Szenen liegen im Spiel nur etwa 30 Sekunden, in denen in einem Menü ein paar Upgrades eingeschraubt wurden. Der Winter in The Crew 2 kommt unvermutet und zieht sich über die gesamten USA. © 4P/Screenshot

Die KI z.B. ist höchst wankelmütig und bietet mit einer vollkommen inkohärenten Gummiband-Funktion mal einen stets fordernden sowie häufig aggressiven Gegner, nur um sich im nächsten Rennen 15 Sekunden Abstand zu mir als Führendem zu gönnen. Im Falle des Ausdauer-Rennens, das mich von der Ost- an die Westküste lotste und in etwa 45 Minuten dauerte, war ich allerdings froh über die programmierte  Nachsicht der KI, die mich nach einer fiesen Kollision und einem Abkommen von der Fahrbahn samt Zusammenstoß mit einem Baum wieder herankommen ließ. Denn das „Zurücksetzen auf die Strecke“ packte mich in diesem Fall etwa 30 Sekunden vor dem Unfall auf den Asphalt zurück – was eigentlich eine Frechheit ist. Bei anderen Rennspielen verliert man durch Rücksetzen mal fünf, vielleicht auch zehn Sekunden. Aber 30? Ich verlange gar keine Rückspulfunktion, wie sie z.B. in Forza Horizon angeboten wird. Doch der Streckenreset muss dann besser gelöst sein. Zumal die Probe aufs Exempel sehr unterschiedliche und vermutlich vom Renntypus sowie vielleicht sogar vom Verlassensort abhängige Werte liefert. Mal schafft es der hinter einem liegende KI-Fahrer nicht mal, an einem vorbeizukommen, ein anderes Mal muss man Glück haben, dass man noch am Ende des Feldes landet, denn ein weiteres Mal findet man sich weitab von der Konkurrenz wieder. Okay: Im Zweifelsfall hilft ein Neustart des Rennens, der mit nur minimaler Ladezeit vonstatten geht. Doch es geht ums Prinzip.

Keine Story, sondern Fahrspaß

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Aus der Cockpitsicht kommt das Unwetter noch stärker zur Geltung. © 4P/Screenshot

Und The Crew 2 zeigt sich in vielerlei Hinsicht als konsequente Fortsetzung. Vor allem, wenn man das Potenzial betrachtet, das hier zwar deutlich weitläufiger ausgeschöpft wurde, aber nach wie vor den Eindruck hinterlässt, dass Ivory Tower sich mit seinen Ambitionen verfahren hat. Allerdings hat man hier bereits wie in The Crew seine langjährige Unterstützung angekündigt. Dementsprechend ist es sehr wahrscheinlich, dass man einige der offensichtlichen Probleme wie im Vorgänger ausbügelt, den man mit Inhaltspatches sowie Erweiterungen von seinem befriedigenden Ursprungszustand zu einem richtig guten Open-World-Rennspiel gemacht hat. Immerhin: Obwohl sich der Einstieg sehr negativ anhört, steht The Crew 2 vom ersten Tritt aufs Gaspedal besser da als der Vorgänger. Und das liegt nicht nur daran, dass man die zu konstruiert wirkende Story gleich gestrichen hat und sich auf den reinen Fahrspaß konzentriert. Man wird sich dabei sicherlich auch die Kritik an den letzten Need for Speeds angeschaut und das Wohlwollen gegenüber Forza Horizon wahrgenommen haben, das ebenfalls auf eine Story per se verzichtet und den Spieler zum Hauptdarsteller eines Motorsport-Festivals anstatt eines platten Klischee-Rasers macht.

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Es gibt haufenweise Wettbewerbe, zu denen man komfortabel per Teleport mit minimaler Ladezeit springen kann. Die Erkundungssreize der offenen Welte werden redundant. © 4P/Screenshot

Was die Vielfalt betrifft, braucht sich Ivory Tower nicht verstecken. Es gibt über ein Dutzend verschiedener Renntypen (darunter auch Drift- oder Drag-Wettbewerbe), an denen man mit einer Vielzahl an Vehikeln teilnimmt und die an vier „Familien“ mit schicken Filmeinspielern gekoppelt sind. Dazu gehören Offroader, Streetracer, Adrenalin-Junkies und Pro-Rennfahrer. Sehr schön: Dabei ist man nicht auf Landfahrzeuge festgelegt, die mit Motorrädern, Rally-Fahrzeugen, Monster Trucks, Performance-Maschinen von Ferrari oder McLaren bis hin zu rasend schnellen Indy-Cars ein breites Spektrum für sich einnehmen. Denn neu für die Fortsetzung sind die Geschwindigkeits-Ausflüge, die man mit Flugzeugen in simplen Rennen oder bei Kunstflugwettbewerben erlebt sowie die Bootsrennen, die einen nicht nur mit aggressiver KI, sondern auch mit Wellengang zusammenführen. Bei den speziellen Rennen der Xtreme Series muss man sein Talent sogar im Wechsel beweisen: Hier wird an bestimmten Stellen zwischen bis zu drei Fahrzeugtypen umgeschaltet. Allerdings finden die Übergänge zwischen z.B. Indy Car und Jetboot, MX-Bike und Rallyfahrzeug oder Straßenkarre und Flugzeug automatisch statt. Eine nette und willkommene Abwechslung vom Arcaderaser-Alltag ist dies dennoch. Immerhin darf man außerhalb von Wettbewerben frei zwischen drei festgelegten Vehikeln (je ein Land-, Wasser- und Luftfahrzeug) wechseln und so bei der Reise durch die offenen USA größtmögliche Freiheit genießen – auch wenn das für das eigentliche Spiel vollkommen unerheblich ist.