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The Callisto Protocol (Action-Adventure) – Das brutalste Spiel aller Zeiten?

Bereits im Vorfeld brüsteten sich die neu gegründeten Striking Distance Studios damit, mit The Callisto Protocol eines der gruseligsten Spiele aller Zeiten erschaffen zu wollen. Das große Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr, denn Firmengründer Glen Schofield war einer der treibenden Kräfte, die es möglich gemacht haben, dass Dead Space im Jahr 2008 unter der Flagge von EA erschien. Bei vielen Horror-Fans hat die monströs gute Raumstation-Horror-Hatz bis heute einen festen Platz im schwarzen Herz. Nach dem Aus der Serie hat Kreativ-Direktor Schofield seine besten Leute, namentlich sind das Animator Chris Stone, Entwicklungs-Chef Steve Papoutsis und das Technik-Ass Mark James einfach in das neue Studio mitgenommen. Für das wichtige Sound-Design kam Hollywood-Tonspezialist David Farmer (Ant-Man, King Kong, Avengers: Endgame) dazu. Mit diesen gebündelten Kräften und rund 100 Mitarbeitern entstand in etwas mehr als nur drei Jahren der geistige Nachfolger der Dead Space Serie unter der Schirmherrschaft von Krafton. Kann The Callisto Protocol in die großen Fußstapfen treten, die Isaac Clark einst an Bord der Ishimura hinterlassen hat? Hier kommt der spoilerfreie Test zum neuen Horror-Spiel.

© Striking Distance Studios / Krafton / Skybound Games

Kein Licht ohne Schatten
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Einige Szenen wurden direkt aus bekannten und beliebten Horror-Filmen übernommen. © 4P/Screenshot

Dass die industriegestählten, erfahrenen Entwickler ihren Job verstehen, steht außer Zweifel. Die erforderliche Koordination und Arbeit, die notwendig ist, um in vergleichsweiser kurzer Zeit so ein Spiel abzuliefern, muss dem Team alles abverlangen. Allerdings ist auch ein zähes Ringen um Geld und Zeit mit dem Geldgeber sicher alles andere als eine einfache Aufgabe. Für absolute Top-Grafik mit einer lebensecht wirkenden Spielfigur, tollen Animationen bei den elf unterschiedlichen und unsäglich ekligen Gegner-Arten, ein Sound-Design von höchsten Gnaden und abwechslungsreich sowie sehr bedrohlich gestalteten Umgebungen (die von einer wendungsreichen Story getragen werden) hat das Budget offensichtlich gereicht. Zusätzlich ließen sich die Macher augenscheinlich von ikonischen Horror-Filmen wie Das Ding aus einer anderen Welt, Event Horizon, dem Remake von Evil Dead, 28 Weeks Later, House und weiteren inspirieren.

Allerdings gibt es ein paar Punkte, die nicht so recht ins meist hochpolierte Gesamtbild passen und deshalb umso mehr verwundern: So ist der Sound des Funkverkehrs per Headset viel zu klar und laut – das zerrt an der sonst traumhaft albtraumhaften Atmosphäre, weil es so klingt, als stünde die Person direkt neben einem. Ein weiterer Immersions-Killer ist die Tatsache, dass Stampf-Manöver bei überall in der Gegend herumliegenden Leichen oder Schlagattacken auf funktionsuntüchtige Roboter meistens ins Leere laufen. Beim Kämpfen mit dem Schlagstock kann es passieren, dass Jacob in der Vorwärtsbewegung beim Zuschlagen den Gegner aus dem Fokus verliert, dann muss mit dem rechten Stick die Kamera manuell kurz nachjustiert werden, um nicht daneben zu bolzen. Auch das Ausweichen per Muhammad-Ali-Abtauch-Bewegung funktioniert nicht immer perfekt und sorgt an einigen Stellen für viele Neuversuche – deren voran immer wieder die meist gleiche Todesanimation steht, die nicht abgebrochen werden kann.

Und obwohl zu Beginn des Abenteuers hübsch gemachte und verständliche Tutorial-Täfelchen für alles Mögliche 

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Die brachial-brutalen Todesanimationen sind eklig und zahlreich. © 4P/Screenshot

eingeblendet werden, fehlt eine wichtige: Denn in mehreren Momenten, ist es schlauer und auch notwendig, vor den Gegnern davonzulaufen. Schnallt man das nicht sofort, ist man wieder bei einigen Bildschirmtoden, die vermeidbar gewesen wären – mit dem entsprechenden Hinweis. Auch eine Anwahl der einzelnen Abschnitte wird schmerzlich vermisst: Dank nicht klar abgegrenzter Level-Übergänge sind verpasste Tonband-Aufzeichnungen oder Blaupausen dann nur per erneutem Spieldurchlauf zu finden. Mühsam! Als letzten Kritikpunkt muss ich The Callisto Protocol das Recycling eines Mini-Bosses ankreiden: Der hässliche Bursche kommt satte drei Mal zum Zug und ist besonders nervig, wenn er mit One-Hit-Kills trotz voller Energieleiste um sich schmeißt und nur mit einer bis dahin ungenutzten Kombination aus Fern- und Nahkampf zu Fall gebracht werden kann. Aus diesen Gründen ärgern einige unangenehme, weil störende und unbedacht eingesetzte Schwierigkeits-Spitzen und Design-Schlampereien, die der sonst äußerst überzeugenden Horror-Tour eine noch höhere Wertung vermasseln.