Ein Abenteuer mit Erzählerstimme? Das kennt man u.a. aus Bastion, Transistor oder Darkest Dungeon. Aber Spearhead Games (Tiny Brains) gehen noch einen Schritt weiter: Man muss sich an Kapitelenden des märchenhaft inszenierten Action-Rollenspiels für einen von mehreren Wegen entscheiden. So kann man die Geschichte als auch das Gespielte beeinflussen. Wir klären im Test, ob Stories: The Path of Destinies mit seinem offenen Ansatz überzeugen kann.
Wenn man als tapferer Rebell nach etwa vier Stunden die erste von vier Wahrheiten entdeckt hat, nimmt dieses märchenhaft inszenierte Abenteuer richtig Fahrt auf. Man hat es nicht abgeschlossen, sondern lediglich einen Teil der Geschichte rund um eine bedrohte Fantasywelt voller Tierhelden entschlüsselt. Nicht nur, dass sich neue Wege, Waffen und Feinde erschließen, auch erzählerisch wird man mit Überraschungen geködert: Plötzlich bietet einem ein dämonisches Auge an, dass man Prinzessin Zenobia töten könnte. Es flüstert mir zu, lockt mit unendlicher Macht. Moment, ich habe sie doch im ersten Durchlauf geküsst, ich hatte doch ein Techtelmechtel mit ihr!
Okay, sie ist die Tochter des bösen Imperators, der dieses kunterbunte Reich aus Wolkeninseln bedroht. Aber was hätte das Auge davon, wenn ich die Hasenlady umbringe? Wer steckt dahinter? Oder ist der Imperator gar nicht das größte Übel? Dieses unmoralisches Angebot durchbricht nicht nur die scheinbar naive Idylle, die einem das Tutorial noch vorgaukelt, man kann es auch annehmen, um in der Rolle von Fuchs Reynardo der dunklen Seite der Macht zu folgen – zumindest für ein Kapitel. Aber vielleicht kann man nur so ein weiteres Geheimnis der über weite Strecken ebenso witzig wie mysteriös inszenierten Story lüften? Wer sich nicht verführen lassen will, darf natürlich ablehnen und weiter ehrenhaft nach einem mächtigen Artefakt suchen. Entscheidungen mit Konsequenzen
Man hat über mehrere Kapitel immer die Wahl, was man als Nächstes tun will – und diese Entscheidungen wirken sich sowohl auf die anschließenden Herausforderungen als auch die Geschichte aus. Cool: Hat man zunächst nur zwei, sind es später drei alternativen Wege, die einem im Märchenbuch angeboten werden – inkl. neuer Gebiete! Man entdeckt weitere der über 20 möglichen Enden oder im Idealfall eine weitere der vier Wahrheiten, die interessante Perspektivwechsel auf Charaktere und Story beinhalten. Erst wenn man sie alle kennt, kann man in einem letzten Durchlauf seine Wahrheit und damit das Finale erleben.
Diese offene Struktur ist innerhalb der Action-Rollenspiele eine angenehme Bereicherung, denn sonst beschränken sich Storytelling-Experimente eher auf Adventure, Puzzler oder Erkundungstrips.
Hinzu kommt der Sprecher, der das märchenhafte Flair sowie den doppelten Boden der Story mit seinem Charakter nochmal verstärkt: Ähnlich wie in Bastion oder Darkest Dungeon kommentiert er das Abenteuer angenehm süffisant, inklusive ironischer Seitenhiebe – nicht nur über die tragische Geschichte, sondern auch über kleine Aktionen wie Schwerthiebe, das Zertrümmern von Kisten oder das Benutzen von Artefakten wird gesprochen. Die Figuren sind sympathisch, tierisch überzeichnet und der Humor erinnert ein wenig an Sly Cooper. Es gibt zwar keine deutsche Synchronisierung, aber weitgehend gut übersetzte Texte. Mit der Zeit wird diese Stimme zu einem vertrauten Kumpel, der die Atmosphäre während all der Gefechte gegen Raben, Zauberer & Co trägt.