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Sniper Ghost Warrior Contracts (Shooter) – Weit weg – von Feind und Perfektion

Nach dem missglückten Open-World-Ansatz von Sniper Ghost Warrior 3 haben die polnischen Macher ihren Schleich-Shooter kräftig umgekrempelt. Als Söldner macht ihr nun fünf große Auftragsgebiete in Sibirien unsicher – und investiert die dort verdiente Kohle in bessere Ausrüstung. Wie viel Spaß bringen die Stealth-Mechaniken und Scharfschützen-Kills in Sniper Ghost Warrior Contracts. Das erfahrt ihr im Test.

© CI Games / CI Games / Koch Media

Probier’ es aus – oder auch nicht…

Fast hätte es sich das Spiel bei mir schon mit seinem lausigen Tutorial verscherzt: Das mir eben beigebrachte Markieren von Feinden per Fernglas funktioniert in der zweiten Runde nur dann, wenn man weiß, dass man am Fernglas die höchste Zoomstufe anwählen muss – was zur Folge hatte, dass ich das weitere Üben auf die erste echte Mission vertagen musste. Anschließend bietet die Tutorial-Mission an, verschiedene Munitionsstypen auszuprobieren – betont im selben Moment aber, dass man es auch lassen und sofort zum Ausgang gehen könne. Ja was denn nun? Ist das ein cooles, den Spielspaß befeuerndes Feature oder nicht?

Tatsächlich, das stellt sich in den kommenden Stunden heraus, ist es das leider nicht. Das Freischalten alternativer Geschosstypen (z.B. panzerbrechend oder mit Ablenkungssound) gestaltet der Entwickler nämlich so umständlich, dass man das Spiel schon halb durch hat, bevor man damit überhaupt erneut in Berührung kommt. Gleiches gilt übrigens für die Drohne: Im Vorgänger war sie zu mächtig, diesmal verkommt das Werkzeug zu einer Randnotiz für Komplettierer. Sniper Ghost Warrior Contracts erklärt am Anfang zwar kurz, dass man mit erspielter Kohle seinen Söldner und dessen Ausrüstung verbessern kann, kommt im weiteren Spielverlauf aber nicht automatisch darauf zurück – das ist angesichts der Vielfalt der Upgrade-Optionen und Gimmicks verwunderlich. Ihr könnt nämlich nicht nur zig Werte und Fähigkeiten verbessern (Beweglichkeit, Tarnung auf verschiedenen Oberflächen, Panzerung, Abhörgerät, Sichtmodi) und eure Schießeisen optisch wie mechanisch aufmöbeln, sondern auch eine Reihe von Hilfsmitteln kaufen: einen automatischen Geschützturm, besagte Drohne (samt Hack- und EMP-Modul), Minen oder Bewegungsmelder. Für die Erledigung der normalen Missionsziele ist das zwar nicht zwingend notwendig, es erhöht aber den Spaß beim Abarbeiten. Daher ist es mir unverständlich, dass das Spiel nicht zumindest dezent immer wieder auf diese Optionen hinweist und sie einfach generell früher anbietet. Eine verpasste Gelegenheit!

Sniper ohne Spielplatz

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Akribisch auskundschaften und genüsslich ausheben – allein schon der Blick auf diese Hafenbasis macht Lust, das digitale Sniper-Handwerk auszuüben. © 4P/Screenshot

Nach dem verkorksten Tutorial-Level erweist auch das erste Missionsgebiet (von insgesamt fünf) dem Titel keinen Bärendienst: Es ist optisch das unspektulärste im gesamten Spiel, sehr verschachtelt und bietet zu wenig Orte für den perfekten Fernschuss. Man fühlt sich weder schlau noch mächtig, sondern beschränkt und gehetzt. Was natürlich auch an der schwachen und schwankenden Gegner-KI liegt: Einerseits sind viele Feinde auch auf dem normalen Schwierigkeitsgrad sehr kurzsichtig, andererseits feuern (und treffen) sie, einmal alarmiert, aber plötzlich aus großer Entfernung. Leider verzichtet der Titel wie seine Vorgänger auf ein nachvollziehbares Lärm- und Entdeckungssystem, das Rebellions Sniper Elite-Titel schon lange bieten. Benutzt ihr nicht gerade das lauteste aller Gewehre ist das Schussgeräusch selbst kein Problem – es kommt eigentlich nur darauf an, ob Feinde einen Kill sehen bzw. eine Leiche finden.

 

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Die „Kugel-Kamera“ setzt viele Sniper-Schüsse packend in Szene – Animationen und Gore-Effekte sind aber altbacken. © 4P/Screenshot

Im Spielverlauf lernt man mit dieser Unschärfe zu leben und mit den schlecht sehenden Feinden Katz und Maus zu spielen – zumal ein recht langsam steigender Hinweisbalken immer noch reichlich Zeit zum Kopf-Einziehen bietet, sollte man doch Gefahr laufen, entdeckt zu werden. Die drei Schwierigkeitsgrade unterscheiden sich nur in puncto Gegner-Aufmerksamkeit und Schaden, nicht jedoch bei Sniper-Mechanik und Gegner-Markierung. Das ist überraschend, dampften doch die Vorgänger das Ballistik-System auf den niederen Graden ein – diesmal gilt das zwar anfangs schlecht erklärte, aber durchdachte und gelungene Zielsystem für alle Stufen. Und es geht so: Vom Zentrum eures Zielvisiers fällt eine Kurve ab, diese berechnet die aktuelle Windrichtung mit ein. Ihr müsst also dorthin zielen, wo diese Windkurve sich mit der Entfernungslinie zum Feind schneidet. Und damit man die Entfernung der Feinde kennt, markiert man sie vorher still und heimlich per Fernglas.