Entwicklungsland
Länder des globalen Südens als „Dritte Welt“ oder „Entwicklungsland“ zu titulieren, hat mittlerweile zu Recht einen schalen Beigeschmack. In meinem Fall darf ich aber – denn es geht um das Spiele-Entwicklungsland Indien. Obwohl mehr als eine Milliarde Menschen auf dem indischen Subkontinent leben, kennt man quasi keine Videospiele aus dieser Region, geschweige denn Entwicklerstudios. Auf der Softwareseite gibt es z.B. die mittelprächtige, sehr bunte Indie-Ballerei Lovely Planet von Quicktequila oder den biederen Twinstick-Shooter Good Robot von Pyrodactyl. Im Studiobereich existieren abseits kleiner Indiefirmen wie den eben Genannten vor allem Zuarbeiter-Betriebe: Dhruva Interactive aus der 10-Millionen-Einwohner-Stadt Bengaluru existiert seit Ende der 1990er, wurde 2016 von Starbreeze aufgekauft und verschmolz 2019 mit Rockstar India – die heute über 500 Beschäftigten dort arbeiteten u.a. an Red Dead Redemption 2 mit. Ebenfalls über 500 Programmierer und Animationsexperten sind bei Lakshya Digital angestellt, die Firma versteht sich als Premiumpartner für große westliche Spieleproduktionen, bislang waren das z.B. State of Decay 2, Mittelerde: Schatten des Krieges oder Sea of Thieves.
Etwas anders gehen Nodding Heads Games aus Pune, der neuntgrößten Stadt des Landes, die Sache an: Game Designer Avichal Singh meinte in einem Interview selbstbewusst „Wir wollen mit Raji das Land Indien auf die Karte packen“, zudem steht auf der offiziellen Studio-Webseite, dass das Team Spiele entwickeln wolle, welche „die Geschichten und Mythen des indischen Subkontinents widerspiegeln“. Genau das könnte der Spiele-Entwicklung made in India nämlich bisher gefehlt haben. 2017 scheiterte eine Kickstarter-Kampagne für Raji an mangelnder Unterstützung, knapp drei Jahre später kann das Team trotzdem Vollzug melden: Raji: An Ancient Epic erschien bereits im August für
Switch, Mitte Oktober schlug der Titel nun auch auf PS4, Xbox One und PC auf.
Abenteuer und Action
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Die namensgebene Heldin Raji muss mit ansehen, wie ihr kleiner Bruder Golu von Dämonen entführt wird – und macht sich auf, ihn zu retten. Diese sehr klassische, aber in der Geschlechterrolle natürlich vertauschte Ausgangsituation mündet in einem Action-Adventure, das auf den ersten (und zweiten) Blick frappierend an God of War erinnert. Allerdings an die erste God-of-War-Generation ab 2005, nicht an die 2018er Reinkarnation: Wie einst Nariko in Heavenly Sword oder Dante in Dante’s Inferno wandelt auch Raji auf den bewährten Pfaden des Spartaners aus Santa Monica. Feste Kameraperspektive, recht klein dargestellte Spielfigur, Mix aus Erkunden, Klettern und Kämpfen. Klingt wenig eigenständig und fühlt sich leider auch so an. Raji sprintet, rollt und kraxelt mit dezent behäbiger Steuerung durch hübsch arrangierte Palastanlagen und stimmungsvolle Tempel – all das ist grafisch nicht sonderlich hoch aufgelöst oder immens detailliert, sieht dank der gut gewählten Perspektiven aber trotzdem stets ansprechend aus.
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