Wie fühlt es sich an, ein Grenzbeamter zu sein? Wie würde man mit der Verantwortung umgehen? Arbeitet man stur nach den Regeln? Oder überlässt man moralische Entscheidung nicht alleine dem unerbittlichen Gesetz? Diesen Fragen geht Lucas Pope, Ex-Entwickler bei Naughty Dog, in seinem Projekt Papers, Please nach. Kann der sozialkritische Thriller im Test überzeugen?
Zudem hat beinahe alles was ich tue, weitreichende Auswirkungen: Unterstütze ich einen Geheimkult? Nehme ich Bestechungsgeld an oder agiere vielleicht sogar als Doppelagent? Immer wieder werde ich vor Entscheidungen gestellt, die den Ausgang des Spiels grundlegend verändern können, allerdings ohne mir dies vorher deutlich zu machen. Nehme ich das Geld eines Unbekannten an? Das könnte mein Ende sein! Fliehe ich ins Ausland wenn der Druck zunimmt? Was passiert dann mit meiner Familie? Rette ich das Regime vor einer Verschwörung? Insgesamt zwanzig Enden gibt es, die sich stark voneinander unterscheiden. Das Schicksal von mir und meiner Familie hängt an vielen Faktoren, die sich wiederum mit meinem Verhalten an der Grenze verändern.
Die Aussichten sind dabei mehr als düster. Papers, Please zeichnet das finstere Bild einer Autokratie, die nicht nur an der Grenze unerbittlich ist. Ich stehe permanent unter Beobachtung, werde von Regierung und Vorgesetzten unter Druck gesetzt und bin trotz aller Macht doch nur ein kleines Rädchen in einer riesigen Unterdrückungsmaschine. Kleinste Fehler werden mir bereits als Verrat ausgelegt und letztendlich bin ich genauso von Verhaftung und Hinrichtung bedroht wie jeder andere Bürger. Die unheimlich stimmige 8-Bit-Kulisse sowie das einfache, aber passende Sounddesign unterstreichen diesen grauen und hoffnungslosen Eindruck perfekt. Es gibt kein Entrinnen aus diesem Albtraum.
Gut ist zudem, dass der Grenzalltag auch langfristig motivieren kann. Obwohl das Spielprinzip auf sturer Repitition der immer gleichen Kontrollvorgänge basiert, gibt es durch die ständigen Regeländerungen genug Abwechslung, um mich bei der Stange zu halten. Außerdem gibt es immer wieder Zusatzaufgaben, wichtige Entscheidungen und interessante Charaktere, die den Arbeitsalltag auflockern.
Langeweile kam in den rund sieben Stunden, die mein kompletter Spieldurchgang gedauert hat, nicht auf – auch weil ich an mehreren Stellen die unterschiedlichen Auswirkungen meiner Entscheidungen ausprobiert habe, was mir durch das Speichersystem vorbildlich ermöglicht wird. An jedem Morgen wird ein neuer Spielstand angelegt, der, sollte ich eine andere Entscheidung treffen, ab diesem Punkt einen neuen Speicherzweig generiert. Alte Entscheidungen werden so nicht überschrieben, sondern ich erhalte die Möglichkeit, eine alternative Realität zu erschaffen, in der die Dinge etwas anders ablaufen. So habe ich in einem Durchgang rund ein Viertel der möglichen Enden gesehen – wer alle zwanzig erleben möchte wird noch viel mehr Zeit an der Grenze verbringen.