Was zur Hölle ist mit meinem Bildschirm los? Wieso flackert der jetzt? Was, die Menüs sind ausgegraut? Hey, ich bin hier der verdeckte Ermittler! Ich hab den Auftrag der Regierung, ich hab hier die digitale Macht! Was soll dieser Scheiß? Ohne weiter auf diesen emotionalen Ausbruch einzugehen, seid vorgewarnt: Orwell hat es in sich. Das liegt nicht nur daran, dass das Abenteuer mit einem Bombenanschlag beginnt und viele aktuelle Bezüge zu Datenschutz, Überwachung & Co thematisiert, sondern auch an der gekonnten dramaturgischen Verdichtung bis hin zu verstörenden Konsequenzen, die ein wenig an Eternal Darkness erinnern.
Ich liebe es, wenn Spiele mit mir spielen, wenn sie auf mich und mein Handeln reagieren – und genau diesen Nerv treffen die Osmotic Studios. Dabei reiht es sich ein in die wenigen guten Abenteuer wie Firewatch oder Heaven’s Vault, die auch aufgrund der lebendigen Kommunikation für glaubwürdige Charaktere sorgen. Orwell ist wesentlich statischer als die beiden, denn man erkundet keine sichtbare Welt aktiv, sondern sitzt lediglich hinter dem Computer des Orwell-Projekts. Aber von Beginn an wird man von Agent Symes angeleitet, um die „letzte Verteidigungslinie im Kampf gegen Terrorismus“ zu formen. Wer ist für die Bombenanschläge verantwortlich?
Schnüffeln will gelernt sein
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Zwar ist das kein interaktiver Dialog, denn man kann ihn selbst nicht ansprechen, aber er reagiert auf die eigenen Uploads, indem er sie kommentiert und bewertet: Hey, das haben Sie gut gemacht! Mal sehen, ob wir das gebrauchen können. Gut, sie haben die Mobilnummer! Finden sie vielleicht den Aufenthaltsort? Ehrlich, das wollen Sie hochladen? So entsteht eine Beziehung aufgrund der Kommunikation. Es gehört zu den großen Stärken der Regie, dass diese Texte zum einen sehr gut geschrieben sind, also angenehm natürlich wirken, und dass sie bewusst tückisch sind. Man kennt das: Manchmal lesen sich Formulierungen in Mails ganz anders als sie gemeint sind. Welche Sätze lädt man also hoch, weil sie einen misstrauisch machen?
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Genau darin besteht die Interaktion: Als Spieler kann man lediglich Daten auf den Orwell-Server hochladen, indem man sie Profilen potenzieller Täter zuordnet. Und die stammen aus Blogs, aus Chatrooms, aus Kommentaren, von Webseiten, aber auch von Banken, Militärarchiven oder direkt vom Desktop des Rechners oder des Mobiltelefons, wenn man gezielt in Ordnern sucht. Ganz langsam wird man von Symes an dieses digitale Schnüffeln im Namen der Regierung herangeführt, so dass man irgendwann sogar live bei Chats oder Anrufen zwischen Verdächtigen dabei sein kann – dabei wird der Diskussionsverlauf ähnlich vertikal dargestellt wie es die inkle Studios z.B. in Sorcery oder stellenweise 80 Days handhaben, die ähnlich leseintensiv sind.