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Mortal Shell (Action-Rollenspiel) – Seelenverwandter

Wenn über ein Jahrzehnt nach Demon’s Souls vier Triple-A-Veteranen ein Studio gründen, um ihr eigenes „Souls“ zu verwirklichen, dann verdeutlicht das, wie stark der Einfluss von From Softwares Reihe bis heute ist: Sie hat quasi ein Subgenre innerhalb der kampfbetonten Action-Rollenspiele etabliert. Angesichts all der Nachahmer fragt man sich natürlich, ob die Briten von Cold Symmetry für knapp 30 Euro etwas Kreatives hinzufügen können? Mehr dazu im Test zu Mortal Shell.

© Cold Symmetry / Playstack

Gnadenlos, mysteriös und düster…

…gehören spätetens seit Dark Souls zum Floskelsortiment der Spielewelt. Und schon im Einstieg schreit Mortal Shell, übersetzt „Sterbliche Hülle“, geradezu nach diesen Adjektiven: Man erwacht als eine Art Zombie in einer Höhle, schreitet durch nebulöse Gänge, bekommt ein Schwert und verlässt nach einem scheinbar aussichtslosen Bosskampf das Tutorialgebiet. Nicht aufrecht, sondern durch einen engen Tunnel kriechend – die surreale Geburt eines Helden, der ohne Wissen und Schutz nackt umher stromert.

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Auf der Suche nach einer Hülle… © 4P/Screenshot

Sieht man zunächst aus wie ein gebleichter Mensch aus den Körperwelten von Gunther von Hagens, ändert sich das, sobald man die erste von vier „Hüllen“ findet. Dann kann man nicht nur äußerlich z.B. in die Kluft eines Ritters samt Rüstung schlüpfen, sondern eignet sich damit auch dessen Namen, Hintergrund sowie Fähigkeiten an, die jedoch noch nicht entwickelt sind.

Man erstellt also keinen Charakter mit fester Klasse, sondern wechselt diesen je nach Hülle – später auch on the fly über den Einsatz von Artefakten. Interessant: Man kann theoretisch auch darauf verzichten, sich von den Hüllen komplett fernhalten. Aber wer waren diese vier toten Krieger? Wo ist man überhaupt? Was ist das Ziel?

Konzert auf dem Friedhof

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Harros, der Vasall – die erste von vier Hüllen, die man entwickeln kann. © 4P/Screenshot

Man landet ohne große erzählerische Einleitung in einer Welt voller Fragezeichen und fremder Begriffe. In einem verwunschenen Sumpf mit giftigen Kröten und aus der Ferne brüllenden Unholde fühlt man sich wie auf einem alptraumhaften Friedhof. Wie kann man bloß all diese Fischstatuen öffnen, die als geschlossene Schatzkisten markiert sind? All das macht auf angenehme Art neugierig, verströmt eine unheilvolle Sogkraft, in die sich auch Melancholie mischt: Untote Banditen schlurfen zwischen Ruinen umher, aber spielen am Lagerfeuer tatsächlich Gitarre, sitzen dabei entspannt im Kreis. Man kann übrigens auch selbst zur Klampfe greifen und mit der Musik gezielt Feinde anlocken, um sie aus einer Gruppe zu trennen – falls man es ausprobiert.

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Die Welt wirkt sehr stimmungsvoll, vermischt Fantasy und Horror. © 4P/Screenshot

Denn zu den motivierenden Aspekten dieser Terra incognita gehört, dass kein Gegenstand sofort erklärt wird, egal ob Pflanze, Nahrung oder Artefakt, sondern dass man erst nach Gebrauch mehr Vertrautheit in mehreren Stufen gewinnt, um mehr über die Wirkung zu erfahren – quasi learning by doing. Das trägt mit dazu bei, dass sich die Welt länger ihre Fremdartigkeit bewahrt. Und was zur Hölle ist bloß dieses Glandula, das die angekettete Kreatur mit der grotesk langen Helmnase unbedingt haben will? Eine Art heiliger Gral? Die Antwort auf die Fragen dieser Welt? Immerhin hat man mit dieser Quest soetwas wie ein erstes Ziel.

Aber es gibt weder ein Tagebuch, einen Kompass noch eine Karte in dieser Welt. Man sollte aufgrund verschachtelten Wege, Tunnel und Höhlen selbst eine zeichnen, aber bekommt zumindest über Visionen an Gräbern, Instinkt genannt,  einige Anhaltspunkte über Geländemerkmale, wo sich z.B. die anderen Hüllen befinden – eine viel bessere Idee als die klare Markierung von Orten auf einer Karte.