Das kann doch nicht wahr sein
Es ist schon lange her, dass mich ein einziger Bosskampf derart Nerven gekostet hat. In den mittlerweile über 30 Jahren, in denen ich mich mit Video- und Computerspielen beschäftige, gab es (wenn überhaupt) vielleicht eine Hand voll Gegner, bei denen ich so laut und lang anhaltend geflucht habe. [GUI_PLAYER(ID=55423,width=300,text=Es war einmal: Die Grundelemente haben sich auch bei Platinum durchgesetzt, durch drumherum ist nicht mehr viel von dieser Technikstudie aus dem Jahr 2010 übrig.,align=right)]Es gab in meiner Zockervita verdammt wenige Momente, in denen ich wutentbrannt das Pad oder sonstige Peripherie frustriert auf den Tisch oder durch das Zimmer gefeuert habe. Doch Metal Gear Rising Revengeance (MGR) hat dieses Kunststück vollbracht. Nach dem gefühlt tausendsten Versuch bin ich wieder gescheitert. 1001. 1002. 1003. Weiter. Weiter. Und noch einmal. Scheitern. Scheitern. Scheitern. Irgendwann war es dann doch weit: Ich habe ihn besiegt ihn und mich am Abspann gelabt – ich habe es mir verdient.
Doch was zurück bleibt, ist trotz einer versöhnlichen Endsequenz, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zauberte und auf eine Fortsetzung hoffen lässt, ein merkwürdig laues Gefühl und ein kleiner Hass auf die Entwickler von Platinum Games. Denn was sie mit dem letzten Boss anstellen, widerspricht dem Rest des Spielerlebnisses, das in bester japanischer Tradition die Werte „Hart, aber fair“ verkörpert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren alle kleinen oder mittleren Gegner (auch in mitunter unfair scheinenden Kombinationen) sowie alle Bosse mit Taktik, guten Reaktionen und Kenntnis der zur Verfügung stehenden Angriffsoptionen und mitunter sogar unter Zuhilfenahme von Stealth-Techniken zu knacken. Doch beim letzten, beim entscheidenden Kampf setzt Platinum auf eine Art unheilvolles Zufallsprinzip: Der Boss verfügt über etwa 15 Angriffsmuster, die man jedes für sich auskontern oder ihm zumindest ausweichen kann. Doch abseits des allerersten Move werden diese per Zufall ausgewählt. Und dies kann mit sich bringen, dass zwei ähnliche Angriffe einen so in die Enge treiben, dass man kurz darauf das Zeitliche segnet. Und beim Finalkampf ist die bis dahin gut reagierende Steuerung (angeraten wird ein Gamepad, die Maus-/Tastaturkombo ist mir zu fummelig) und noch mehr die akkurate Kollisionsabfrage gnadenlos. Den Bruchteil einer Sekunde zu spät reagiert und man kann in einen Angriffswirbel hinein geraten, der nur einen Ausgang kennt: Scheitern. Im Gegensatz zu anderen Bosskämpfen gibt es hier auch nur wenige und darüber hinaus extrem fordernde Gelegenheiten, seinen Vorrat an Reparatur-Nanopaste aufzuladen, mit der man seine Gesundheit regenerieren kann.
Überraschendes Erlebnis
[GUI_PLAYER(ID=83037,width=300,text=Bereits ein Jahr später hat der Bayonetta-Entwickler dem Titel seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt.,align=right)]Doch auch wenn mir der finale Kampf meine Motivation ganz schön mürbe gemacht hat – bis dahin konnte mich die in ihren Grundzügen an Bayonetta und Devil May Cry erinnernde Materialschlacht überraschend gut unterhalten. Und das, obwohl die schlauchigen Abschnitte, durch die man stapft, bis man irgendwann Gegnern begegnet, so dass ein Arenakampf eingeleitet wird, nicht allzu üppig ausgefallen sind und man abseits des Weges nur wenig entdecken kann. Denn hinsichtlich des Kampfsystems gibt sich Platinum Games keine Blöße. Mit insgesamt vier Waffen, davon drei optional, kann man in die Duelle gehen. Für erfolgreiche Kombos und Finisher, deren Anwendung an eine intuitive Variante des hierzulande indizierten Afro Samurai erinnern, bekommt man Punkte, die man wiederum für Upgrades entweder der Waffe, der Gesundheit des Helden oder seines Energievorrats (nötig für die genauen Schnitte) einlösen kann.
Die Kombos sind erstaunlich vielfältig – vor allem wenn man bedenkt, dass man nur zwei Angriffsknöpfe zur Verfügung hat. Zusammen mit einem taktisch gut umgesetzten Block, dem Einsatz von wenigen sinnvollen Gegenständen wie EMP-Granaten oder Raketenwerfer sowie einer Ausweichoption erreicht man zwar nicht ganz die Dynamik und Abwechslung eines Devil May Cry und schon gar nicht einer Bayonetta. Eintönig werden die Auseinandersetzungen aber dennoch nicht. Ganz im Gegenteil: Mitunter schafft es Platinum Games unter der Regie von Asushi Inaba, dass in der Kombination fordernder Gefechte sowie schnell geschnittener Skriptsequenzen das Adrenalin durch die Adern gepumpt wird, als ob es kein Morgen gäbe. Großen Anteil daran haben die zahlreichen Gegnertypen, die einem später in fiesen gemischten Gruppen nach dem Leben trachten. Die „Gekkos“ aus MGS4 sind ebenso vertreten wie Cyborgs niedriger Stufen oder Mech-Kreationen, die nur für dieses Spiel entworfen wurden. Und will man bereits auf „Normal“ eine Chance haben, sollte man den Block trainieren, der gutes Timing voraussetzt – sogar noch mehr, wenn man den gegnerischen Schlag nicht nur abwehren, sondern gleich kontern möchte, was im Bestfall das Fenster zum Nutzen der 360-Grad-Klingensteuerung öffnet.