Eine Odyssee geht zu Ende
Als 2002 der erste Teil von Kingdom Hearts erschien, hat sich der verantwortliche Designer Tetsuya Nomura sicherlich kaum vorstellen können, dass daraus eine Serie würde, die sich inkl. Mobilgeräten über sieben Spielsysteme erstreckt. Oder dass die Erzählstruktur trotz universeller Themen irgendwann so verwirrend werden würde, dass man beinahe schon einen Doktortitel benötigt, um die ganzen Fäden entschlüsseln sowie verfolgen zu können. Dass die erzählerische Reihenfolge sich fast komplett von der Veröffentlichungssequenz unterscheidet, erschwert die Navigation durch den Story-Dschungel von Kingdom Hearts zusätzlich. Doch die Faszination, die sich bei mir mit dem allerersten Abenteuer von Sora und seinen Freunden im Jahr 2002 einstellte, hat sich bis heute nicht gelegt.
Wie auch? Die Prämisse, Helden und Bösewichte aus einschlägig bekannten Disney-Welten wie Winnie Puh, Die Schöne und das Biest oder Hercules mit Figuren aus Final Fantasy oder The World Ends With You zu verbinden, ist verlockend und wurde in nahezu allen Ablegern überzeugend genutzt. Mittlerweile haben fast 30 Welten aus dem reichhaltigen Disney-Fundus ihren Weg in die Welt von Kingdom Hearts gefunden. Welche das genau sind, könnt ihr unserem Video entnehmen. Nimmt man dazu noch allgemeingültige Themen wie Versagensängste, Freundschaft, Gefühlskälte oder Vertrauen, die zumindest in den ersten Teilen in eine interessante Geschichte um das Erwachsenwerden eingebunden waren, bevor man mit Birth by Sleep auch ältere Helden einführte, erklärt das zusätzlich den Reiz.
Der Weg ist das Ziel
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Entsprechend gespannt war ich, als ich Kingdom Hearts 3 gestartet habe. Schafft es Nomura-San tatsächlich, auch die Spieler ins Boot zu holen, die keinen der Vorgänger kennen? Wie löst er die Geschichte auf? Wie ist die Einbindung der frischen Disney-Lizenzen, bei denen man sich hauptsächlich auf Pixar und die Disney Animation Studios mit ihren computergenerierten Filmen konzentriert? Macht man mechanische Fortschritte? Letzteres schien angesichts des deutlich reaktionsfreudigeren Kampfsystems sehr wahrscheinlich, dessen Basis man in Birth by Sleep 0.2 – A Fragmentary Passage aus der HD 2.8 Prologue Sammlung kennengelernt hat. Annähernd 40 Spielstunden später saß ich erschöpft und ein wenig traurig auf dem Sofa und habe das Pad betrachtet, nachdem ich Meister Xehanort und seine Organisation XIII in einem epischen Kampf besiegt habe und schließlich meinen leeren Blick auf den Bildschirm richtete. Soras Reise ist beendet. Und meine Reise mit ihm ebenfalls, die begann, als ich noch nicht einmal zwei Jahre bei 4Players beschäftigt war. Es fühlte sich beinahe so an, als ob ein guter Freund seinen Hut genommen und ausgewandert wäre.
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Und was war dies für ein Abenteuer. Sora führte mich auf seinem vermutlich letzten Ausflug in die Welten von Hercules, Frozen, Rapunzel – neu verföhnt, Big Hero 6 (in Deutschland schmissig Baymax: Großes Robowabuhu betitelt), Monsters Inc., Toy Story, Fluch der Karibik, den Hundert-Morgen-Wald und natürlich auch einige Gebiete, die nicht auf Disney-Lizenzen basieren wie z.B. Twilight Town oder der Schlüsselschwert-Friedhof, auf dem eine entscheidende Schlacht geschlagen und episch inszeniert wird. Er führte mich nicht nur mit seinen treuen Wegbegleitern Goofy und Donald zusammen, die ihm fast immer im Kampf hilfreich sowie weitgehend intelligent zur Seite stehen. Alle wesentlichen Figuren der anderen Teile angefangen vom Birth-By-Sleep-Trio Aqua, Terra und Ventus sind mit von der Partie und teilweise spielbar. Man trifft auf alle wichtigen Gegenspieler der Organisation, kämpft Seite an Seite mit König Micky oder seinem Kindheitsfreund Riku und findet heraus, was mit seinem Herzlosen-Alter-Ego Roxas passiert ist. Man wird nach und nach Zeuge, wie der kindliche Held der anderen Teile, der vor Beginn dieses Abenteuers all seine Kräfte verloren hat und diese erst zurück gewinnen muss, in seine Rolle als verantwortlicher Schlüsselschwert-Träger hineinwächst – inkl. Selbstzweifel, Selbstfindung und allem anderen, was man mit dem Erwachsenenwerden assoziieren kann. Und diese Entwicklung ist nicht nur zwangsläufig, sondern auch überfällig.