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Just Cause 4 (Action-Adventure) – Explosive offene Welt

Das Spielejahr endet mit einer ganzen Kanonade an Bildschirm füllenden Explosionen – wenn es nach Avalanche geht. Pünktlich zum Fest der Liebe schnappt sich Rico Rodriguez wieder einen ganzen Haufen an Waffen, seinen Fallschirm, Greifhaken sowie Wingsuit und kümmert sich im fiktiven Staat Solís erneut um einen Diktator. Kann Just Cause 4 den leichten Durchhänger des Vorgängers vergessen lassen und wieder an alte Erfolge anknüpfen? Im Test findet ihr die Antwort.

© Avalanche Studios / Square Enix

Territorien und Schnickschnack

Um sich die Upgrades bzw. Modifikationen für seinen Greifhaken anschaffen zu können, muss man allerdings Aufgaben für drei Personen erledigen. Sargento ist quasi der Rekrutierer für die „Armee des Chaos“, die Rico um sich schart und verantwortlich für Veränderungen an den Ballons. Javi ist ein Archäologe, der Hilfe braucht, um Grabmale zu erforschen. Als Belohnung gibt es von ihm Verbesserungen der Zugseile. Garland hingegen ist eine Regisseurin, die in Solís eine ganze Barrage an Action-Filmen zu drehen scheint und Rico als ihren neuen Hauptdarsteller/Stuntmen in Personalunion auserkoren hat. Um Modifikationen für die Schubraketen zu bekommen, muss man mit dem Wingsuit Ringe in einem bestimmten Zeitraum durchqueren, wieder andere Ringe mit einem bestimmten Fahrzeug passieren oder Geschwindigkeitsrekorde brechen. Etwas Ähnliches gab es bereits im Vorgänger. Doch dort waren die Aktivitäten nicht ganz so harmonisch in den Spielfortschritt eingebunden. Zudem ist hier zunehmend der Einsatz der Greifhaken-Fähigkeiten in jeglicher Form oder ein genaues Studieren der Umgebung gefragt. Wie soll man das Boot auf die Terasse bekommen, während man drin sitzt oder das Auto durch die Zielmarkierung bugsieren, die gut 30 Meter über dem Boden in einer Windfarm zu finden ist? Mit diesen Kopfnüssen wird der Action-Spielplatz auf jeden Fall aufgewertet – auch wenn der Weg zu den Schauplätzen meist deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als die Aufgabe an sich. Allerdings hätte bei den Rekruten-Missionen mehr Abwechslung gut getan. Auf dem Papier unterscheiden sich die Aufgaben zwar, doch letztlich fährt man fast immer mit zwei Nachwuchs-Soldaten von A nach B, danach zu C und D, vielleicht noch zu E oder F und erledigt dort ein Ziel im Kampf – bzw. sammelt es ein. Das wird auf Dauer zu vorhersehbar.

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Die Kulisse ist stimmungsvoll, doch die Apex-Engine wirkt in dieser Form noch nicht optimiert und zeigt sich enorm hardwarehungrig. © 4P/Screenshot

Und man stellt fest, dass man für die Hauptstory nur ein paar der Upgrades bzw. Mods benötigt – wenn überhaupt. In jedem Fall würde ich die Einstelloptionen für das Windenverhalten empfehlen. Dann nämlich kann man auch einstellen, dass zwei mit der Winde verbundene Objekte beim Aufeinandertreffen ihre kinetische Energie in einem Puls entladen – was in Kombination mit der hohen Windenzugkraft zu sehr schönen Reaktionen führen kann, wenn z.B. ein Helikopter auf ein Gebäude trifft oder mit einem anderen Fluggerät Bekanntschaft macht. Um das Finale und den Abspann nach gut 20 Stunden über den Bildschirm laufen zu sehen, muss man auch nicht alle Territorien von Solís einnehmen. Um in der Story voranzuschreiten, müssen allerdings zumindest einige bestimmte Gebiete erobert werden. Dies geschieht, indem man zuerst die staatlichen Anlagen zerstört oder erobert und schließlich einen Teil der Chaos-Armee dorthin verschiebt. Diese auf der Landkarte eingesetzten „Grenz-Erweiterungen“ sind allerdings nur oberflächlich, da es keinerlei Gegenangriffe oder sonstige Versuche seitens der Schwarzen Hand gibt, verlorene Gebiete wieder einzunehmen. Das ist insofern schade, da vor einigen Jahren die offenen Welten zu Francis Ford Coppolas Paten-Filmen bereits mit ähnlichen Mechaniken und einer dadurch dynamischen Front für zusätzliche Spannung sowie Abwechslung gesorgt hatten, die auch Just Cause 4 gut zu Gesicht stünde.

Der Action-Spielplatz

Denn so imposant Avalanche abermals die Action rund um Rico Rodriguez inszeniert, nutzt sie sich auf Dauer ab. Auch wenn zunehmend neue Waffen, Fahrzeuge oder neue Gegnertypen eingesetzt werden und ich mich partout nicht an den Bildschirm füllenden Explosionen oder den physikalisch passablen Auswirkungen meiner Umgebungsmanipulationen satt sehen kann. Allerdings zeigt sich die KI auch in Solís weiterhin von ihrer spröden Seite. Nicht bei ihren Angriffen, wohlgemerkt: Sowohl die gegnerischen Soldaten als auch vor allem die bei Bedarf eingesetzten Mitstreiter der Chaos-Armee, die einen bei bestimmten Situationen unterstützen, sind nicht zu unterschätzen und bei den Feinden vor allem in der Masse eine enorme Gefahr. Zumindest solange sie sich nicht am Steuer eines Fahrzeugs befinden. Dann nämlich setzt zu häufig ein kollektives Aussetzen ein. Sie fahren wie Berserker durch die Botanik, rammen Mauern oder ihre Kollegen. Und kommt bei einer Schutzmission, in der man das Fahren der KI überlassen muss, ein unerwartetes Hindernis, weiß der Kollege einfach nicht damit umzugehen. Er setzt zurück, bis er beinahe von einer Brücke fällt. Oder er bremst und bleibt davon stehen, weil er offensichtlich nicht den Weg vorbei findet. Auch andere Titel haben mit dem Fahrverhalten der KI in der offenen Welt Probleme. Doch so gravierend und einen aus der Welt ziehend wie hier sind sie nur selten. Natürlich ist mir klar, dass Just Cause 4 wie seine Vorgänger ein

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Der Tornado, den man zu kontrollieren lernt, ist einer der visuellen Höhepunkte von Just Cause 4. © 4P/Screenshot

Action-Spielplatz darstellen soll und kein Versuch ist, eine Welt so glaubhaft wie möglich darzustellen. Doch selbst unter diesen Voraussetzungen sind solche KI-Macken ein Störfaktor, der das Erlebnis in der Spielwelt einschränkt – zumal sie mir auch extremer vorkommen als noch im Vorgänger.

Mit zwei Elementen jedoch kann Avalanche mich in diesem Bereich wieder milder stimmen: Zum einen bieten sie einem immer wieder Ruhepausen, um nach den mitunter sehr chaotischen Auseinandersetzungen wieder zur Ruhe zu kommen, wenn mann sich mit Fallschirm und Wingsuit nur mit dem Rauschen des Winds im Ohr über Solís zum nächsten Missions- oder Aktivitätsstart bewegt. Und zum anderen nutzen sie die Upgrades der hauseigenen Apex-Engine, die auch bei Rage 2 zum Einsatz kommen wird, um den Kampf gegen die Wetterphänomene sehr imposant und dramatisch zu inszenieren. Wenn man in einem Mega-Gewitter darum kämpft, nicht von den um einen einschlagenden Blitzen getroffen zu werden, in einem Sandsturm mit nur geringer Sichtweite die Umgebung navigieren muss oder mit seinem Wingsuit vor einem Tornado flieht, der alles in seiner Bahn zerstört, ist das gleichermaßen eindrucksvoll wie intensiv. Auch, weil man dies in dieser Form noch nie bzw. sehr selten zu sehen bekam. Da allerdings auch Mad Max von Avalanche stammt, das mit seinem Endzeit-Wüstenszenario ebenfalls Sandstürme anbot (wenngleich nicht in dieser Intensität), bin ich nicht einmal ansatzweise erzürnt, dass man sich bei sich selbst bedient – insbesondere, da es hier plausibel eingefügt wurde. Überhaupt wird bei allen Aufgaben, die mit dem Kampf gegen die von menschlicher Hand herbeigeführten Naturgewalten, genau die Abwechslung geboten, die man bei vielen der Eroberungs- oder Nebenmissionen vermisst.