Gut, dass ich die Tür zum Konsolenbüro geschlossen habe. Und dass niemand mitbekommen hat, dass ich eben zusammengezuckt bin wie ein kleines Mädchen in der Geisterbahn. Auch einen Schrei konnte ich mir nicht verkneifen, als in der klaustrophobischen Gasse plötzlich Arme nach mir griffen. Here They Lie ist einer dieser Titel, die mich immer wieder daran zweifeln lassen, wie schreckresistent ich mich eigentlich in Horrorspielen einschätze. „Nun stell dich mal nicht so an – das sind doch nur alberne Polygone, im Ernstfall machst du halt einfach die Augen zu“, geistert es mir durch den Kopf, bevor ich doch wieder unvermittelt zusammenzucke, weil mich ein humanoides Geweih-Monstrum in einer finsteren Gasse überrascht. Das Entwickler-Startup Tangentleman und Sony Santa Monica verstehen es erstaunlich gut, mit surreal aufgetürmten, verfallenen Slums ein ungutes Gefühl aufzubauen – und es nach langen ruhigen Passagen eiskalt für Schreckmomente auszunutzen. Hier zeigt sich, wie gut sich das Medium VR für Horror eignet: Wenn ein schwer einschätzbares Monster auf den Spieler zuschlurft und gefährlich nah mit einem Messer vor ihm herumfuchtelt, ist das tatsächlich um einiges ekliger als die gleiche Szene auf dem TV. Auch die starken Kontraste in dunklen Ecken und das langsame schrittweise Umdrehen tragen ihren Teil zur unangenehmen Ungewissheit bei.
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Die beklemmende Atmosphäre und das ruhige Spieltempo werden immer wieder eiskalt für Schreckmomente ausgenutzt. © 4P/Screenshot
Verstörende Rituale
Ab und zu werde ich an Telefonzellen auch von einem alten Freund angerufen, der die Handlung und mein Hinterherrennen nach der zerbrochenen Beziehung kommentiert – oder auch mal finstere Andeutungen macht. Danach wandle ich im Schritttempo weiter durch aufgetürmte Slums, die ein wenig an Papo & Yo, Condemned oder die Urban-Explorer-Videos von Dan Bell erinnern. Überall liegen Schutt, zerlegte Elektronik und Müllreste zwischen den schimmligen, verfallenden Wänden herum. Je weiter ich mich durch die Story bewege, desto mehr finstere Kreaturen tauchen auf. Zu viel will ich aber nicht vorwegnehmen, die Entdeckung der Welt ist schließlich das Interessanteste am Spiel. Immer wieder stolpere ich über Themen wie Tiermasken, Misshandlung, Folter oder verkohlte Körper. Mitunter findet man sich sogar bewegungs- und hilflos vor Horden sadistischer Wesen wieder.
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Unterwürfig oder bedrohlich? Im Laufe des Spiels lernt man, Gefahren mit Hilfe visueller Details zu deuten. © 4P/Screenshot
Nicht wirklich ein Spiel?
Auf Dauer ging mir das monotone Durch-die-Kulisse-latschen leider ziemlich auf die Nerven. Die Steuerung wurde nur bedingt auf VR-Bedürfnisse zugeschnitten: Drücke ich den rechten Stick in eine Richtung, wird ähnlich wie in The Assembly dorthin übergeblendet. Statt einer Teleportation wird aber lediglich normales Gehen oder (Übelkeit förderndes) Laufen angeboten. Das ständige Voranschreiten verschaffte mir ab einer gewissen Spieldauer stets ein mulmiges Gefühl im Magen. Mal hielt ich vierzig Minuten durch, später musste ich schon nach zehn aufhören, weil die surreale Welt um mich herum immer wilder anfing zu wabern und sich zu transformieren. Auch die leichten Schlenker beim Gehen in die Blickrichtung fühlen sich unangenehm an und lassen sich anders als in Robinson: The Journey nicht deaktivieren. Außerdem beansprucht die starke Unschärfe des Bildes die Augen. So verschwommen wie hier sieht bislang keine andere PSVR-Kulisse aus. Im Gegenzug sorgt der Filter aber für einen überraschenden Nebeneffekt: Weil jegliche Details verschwimmen, erkennt man auch kaum Fehler, welche die finstere Kulisse künstlich wirken lassen und dem Spiel die Immersion rauben könnten.
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Manche Momente wirken wie aus einem finsteren Alptraum von David Lynch. © 4P/Screenshot
"Spielerisch mangelt es dem Ausflug aber an Tiefe: Von ein paar einfach gestrickten Schleichpassagen abgesehen latscht man einfach nur den Weg ab, muss ab und zu den Ausgang finden, hier und da per Knöpchendruck eine Karte aufheben oder ein Gespräch entgegennehmen."
Also wie Dear Esther. Da ich glücklicherweise viel mit stimmungsvollen Wandersimulatoren anfangen kann, werde ich mir Here They Lie gerne anschauen.
Spiele es auch schon einige Zeit und bin ebenfalls begeistert. Leider wird mir mittlerweile auch richtig übel nach einer gewissen Zeit und diese Übelkeit geht, nach dem ich das Headset abgesetzt habe, auch so schnell nicht wieder weg. Das belastet einen schon. Zudem muss ich ankreiden, dass das Spiel wirklich extrem verwaschen ist. Fühlt sich an, als würde man ein 3DS-Spiel mit Vaseline auf der Linse zocken. Ansonsten sehr geil.
Hmm hab das Spiel bei einem Freund getestet(2std), und mir ist zwar auch oefters mulmig geworden(nie wirklich schlecht) es war aber eher wegen dem was passiert ist(und nicht VR).
Wenn das Spiel nun deswegen also deutlich abgewertet wurde faende ich das eher fragwuerdig, vor allem weil es eine unglaubliche Atmo hat.
Mir ist da allenfalls noch Gamestar.de bekannt oder computerbild.de/spiele. Aber auch nur, weil es darin um Spiele für den "anspruchslosen Massenmarkt" geht.