Filme wie Gullivers Reisen, Die phantastische Reise, dessen Remake Die Reise ins Ich mit der unvergesslichen Null-Defekt-Pendelton-Maschine Dennis Quaid, Ant-Man oder Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft, befassen sich allesamt mit einem Thema, das die Fantasie der Menschen schon immer extrem angeregt hat: Wie erlebt eine auf Mikro-Größe verkleinerte Person die Dinge, die in Normalgröße klein und unscheinbar wirken? Und was noch viel wichtiger ist: was sind die zahlreichen Angesichter der Gefahren, die lauern, wenn man selbst kaum größer als ein Streichholz ist? Die RPG-Spezialisten von Obsidian-Entertainment nahmen sich der hohen Faszination dieses Themas im Spiel Grounded an und stricken darum ein Survival-Fest mit Anleihen an die großen Vorbilder, wollen aber natürlich auch im Kleinen überzeugen.
Vor dem Spielstart wählt der Spieler zwischen vier verschiedenen Figuren und bestimmt, ob es allein oder mit bis zu drei Freunden im Online-Koop-Modus auf Abenteuer-Reise gehen soll. Ebenfalls wählbar ist die Möglichkeit, die Spielumgebung samt aller Errungenschaften auch für die Kollegenschaft verfügbar zu machen, wenn der Host mal dem Miracoli-Ruf folgen muss und keine Zeit hat. Noch flugs einen Schwierigkeitsgrad ausgewählt – wobei „Mild“ in dieser nackenhaarsträubenden Survival-Hatz kein Grund zur Scham ist – und schon kann es losgehen. Die müden Augen der Spielfigur öffnen sich genauso wie der Mund des geneigten Spielers bei den ersten Schritten in Grounded. Umringt von baumhohen Grashalmen geht es vorsichtig durch eine von Wurzeln durchzogene Furt. Dass die kaum höher und breiter als ein Turnschuh ist, spielt keine Rolle, denn man wurde durch widrige und noch unbekannte Umstände, auf die Größe einer Wäscheklammer verkleinert – und erlebt schon in den ersten Minuten zumindest optisch, was es bedeutet, sich in einem Garten wiederzufinden.
Der hat in der Realität die Abmaße einer typischen Hinterhaus-Oase, wirkt aber jetzt als würde man am Rand des Rollfelds des Flughafens von L. A. stehen. Egal ob allein oder mit Online-Kumpanen im Schlepptau: Hier sollte man keinesfalls blindlings loslaufen, denn hinter jeder Pusteblume, in jeder Höhle mit dem Durchmesser eines Wasserhahns lauert garantiert eines: der sichere Bildschirmtod. Zum Glück ist schon nach 40 Zentimetern eine kleine Behausung zu entdecken, die wie ein kleines Forschungslabor in der Größe eines halbierten Kugelaschenbechers anmutet. Also erstmal durchatmen und die nächsten Schritte besprechen. Denn außer „Bau dies, mach das“, gibt das Spiel keinerlei Hinweise darauf, was wie und warum diese Dinge zu erledigen sind.
Anhand der viel zu großen und prägnanten Bildschirmanzeigen in der linken unteren Ecke wird jedoch schnell klar: Nahrung muss her – und zwar schleunigst! Denn der Füllstand der Anzeigen für einen gefüllten Magen und einen geregelten Flüssigkeitshaushalt sinken so schnell, dass man dabei zusehen kann. Erreicht eine der beiden Anzeigen den Nullpunkt – was in den ersten Spielstunden ob allumfassender Planlosigkeit deutlich zu häufig passiert – dann segnet der Däumling das Zeitliche. Das macht erstmal nichts, denn der mitgeführte Rucksack, der gleichzeitig die Ansammlung aller mühsam zusammengekratzten Dinge darstellt, bleibt an der Stelle liegen, an der man ins viel zu hohe Gras gebissen hat. Zu Spielbeginn kein Thema, ist und bleibt die übertrieben forcierte Völlerei auch mit fortgeschrittener Spielzeit einfach nur nervig. Denn selbst, wenn verstanden wurde, wie man einfach und schnell zu entsprechender Nahrungsaufnahme kommt, nimmt dieses Feature zu viel Raum ein, um sich so richtig auf die Spielwelt einlassen und halbwegs entspannt losforschen zu können.
Apropos „Forschen“: Es stellt sich schnell heraus, dass die kleinen Lager, die überall in der Spielwelt versteckt
sind, in erster Linie dazu dienen, alle gefundenen Materialien und Gegenstände genauer zu untersuchen. Das gibt Wissenschafts-Punkte, die es wiederum ermöglichen den anfangs kläglichen Wissenstand aufzubessern. So werden aus Grasbüscheln kleine Seile, erste rudimentäre Waffen wie Steinäxte und Speere werden aus Holzstücken und Kieseln erdacht und damit Grashalme und Löwenzahn gefällt oder kleinere Rotmilben gepiekst. Auch eine Wasserflasche aus Raupenhaut für unterwegs kann nach einiger Forschungsarbeit hergestellt werden. Diese Mechaniken ziehen sich durch das gesamte Spiel, viel später sind neben halbwegs moderner Verteidigungsmethoden sogar riesige Bauwerke samt Aufzügen und Läuse-Stallungen drin – unerlässich, wenn irgendwann die Credits über den Bildschirm rollen sollen. Der Weg dorthin ist lang, steinig, äußerst gefährlich, aber unglaublich fantasiereich und faszinierend. Zumindest meistens.