An der Wand entlang rennen ist für sich genommen schon eine coole Sache – kombiniert man das mit einem Sprung und einer schnellen Drehung, bevor man in Zeitlupe einem Schuss ausweicht und sich per Lasso an die nächste Plattform zieht, wird ein berauschendes Erlebnis draus! So oder so ähnlich müssen sich das die Leute bei One More Level gedacht haben, als sie Ghostrunner konzipiert haben. Bleibt die Frage, ob das akrobatische Prinzip tatsächlich aufgeht. Und genau das haben wir im Test herausgefunden.
Man kann sich ja zusätzlich auf die jeweilige Situation einstellen, indem man eine Reihe passiver und aktiver Fähigkeiten so verändert, dass sie besser zum eigenen Stil oder der aktuellen Herausforderung passen. Dafür steckt man Tetris-ähnliche Module auf eine Platine, bis möglichst viele der gewünschten Eigenschaften dort Platz finden. Wachen können dann mit Umrissen markiert, das Abwehren von Schüssen mit dem Schwert erleichtert und eine der vier Spezialfähigkeiten vielleicht so verändert werden, dass sie sofort wieder aufgeladen ist, nachdem man zwei Feinde mit einem Schlag erledigt hat.
Dise Spezialfangriffe sind Hilfen, mit denen man Gegner auch aus relativ großer Distanz beseitigt. Das entschärft besonders knifflige Situationen, zumal sich die Fähigkeiten nicht nur über das Besiegen der Widersacher aufladen, sondern ganz langsam auch im Laufe der Zeit. Ihre Ladung geht nach einem Tod zudem nicht verloren.
Musterschüler
Trotzdem kann das Trial&Error entmutigend sein. Denn bevor man die Räume nicht vollständig verstanden hat, kann man sie oft nicht meistern, was nichts anderes bedeutet, als dass man wieder und wieder das Zeitliche segnet, während man erst noch ausprobiert, was überhaupt funktioniert. Da jeder Treffer tödlich ist und die Wachen so extrem schnell sind, kann man Fehler ja nicht korrigieren. Man passt sich und seine Fähigkeiten also nicht der jeweiligen Situation an, sondern lernt immer nur ein für den aktuellen Raum funktionierendes Muster auswendig – was ich als weniger motivierend empfinde als die Kämpfe in Mirror’s Edge Catalyst.
Auch dessen physische Präsenz spürt man hier nicht, da der Ghostrunner alle Aktionen so rasant ausführt und so abrupt aneinander reiht, dass man eher eine Madeline aus Celeste spielt als eine Faith. Ärgerlich ist übrigens auch, dass es zwar etliche gut platzierte Rücksetzpunkte gibt, man aber den kompletten Level von vorn beginnen darf, falls man das Spiel mittendrin beenden musste.
Rätsel im Cyberspace
Immerhin spornen die kleinen Info-Häppchen und besonders die zusätzlichen Designs des eigenen Schwerts zum Erkunden der Umgebung an, was auch ein erneutes Anwählen der Levels reizvoll macht. Man ist ja nicht nur auf die hervorgehobenen Elemente angewiesen, sondern findet sowohl in ruhigen Momenten als auch im Kampf oft alternative Wege.
Nicht zuletzt hilft es dem freien Erkunden, dass die guten Sprecher der Kulisse im Kleinen erstaunlich viel Tiefe verleihen. Auch das schicke Artdesign trägt dazu bei, obwohl es durchgehend vertraut wirkt und mich besonders an Hard Reset erinnert hat. Zwischen manchen Abschnitten löst man außerdem kleine Rätsel im Cyberspace: Dessen Bildrate kann zwar weit unter den ansonsten stabilen 60 Bildern liegen, dafür spielen Timing und Genauigkeit dort eine untergeordnete Rolle, während die andersartige Umgebung auf eine angenehme Art für Abwechslung sorgt.