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Frostpunk (Taktik & Strategie) – Überleben im Eis

Im Mai 2018 inszenierte Frostpunk auf dem Rechner ebenso ungewöhnliche wie unterhaltsame Aufbau-Strategie: Als Anführer einer Gruppe apokalyptischer Exilanten musste man in eisiger Kälte eine funktionierende Siedlung aufbauen. Und dabei setzten die 11bit studios den Spieler ähnlich wie in This War of Mine mit moralischen und ethischen Fragen unter Druck. Wie spielt sich der Hit aus Polen auf Konsolen?

© 11 bit studios / Games Republic / Headup Games / 11 bit studios / Wild River

Die Arbeit hat sich gelohnt

Als Jakub Stokalski im April den Sommer als Termin für die Konsolen-Version in Aussicht stellte, war er wohl zu optimistisch. Aber die zusätzlich Arbeit, die der Senior Lead Designer und sein Team in die Steuerung sowie die Balance investiert haben, zahlt sich aus: Frostpunk spielt sich auf PlayStation 4 und Xbox One sehr gut. Und das ist nicht selbstverständlich, denn hinter dieser vermeintlich überschaubaren Aufbau-Strategie, die man in einem Krater mit ein paar Hütten und Reaktor startet, verbergen sich viele visuelle Kleinigkeiten und Mechaniken, Anzeigen und Technologiebäume, Dialogfenster, Interaktionen sowie eine Oberwelt mit Adventure-Flair. Es gibt einige Perspektivwechsel, dazu kleine Icons & Co, für die Maus und Tastatur prädestiniert scheinen.

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Die Steuerung an der Konsole ist trotz voll belegtem Gamepad überaus intuitiv. © 4P/Screenshot
Aber all das lässt sich dank intuitiver Belegung von Analogsticks und Schultertasten sowie hilfreichen Kreismenüs so gut bedienen, dass auch Einsteiger keine Probleme am Gamepad bekommen sollten – auch das Platzieren von Gebäuden oder Straßen geht in einer Draufsicht präzise von der Hand. Dazu trägt das subtil in die Kampagne integrierte Tutorial sowie die Option bei, sich alle Hilfen über Gebäudefunktionen, Lager & Co separat anzeigen zu lassen. Man kann jederzeit auf Knopfdruck pausieren oder in drei Stufen beschleunigen, die Kamera drehen und zoomen – wie auf dem PC aber leider nicht weit genug hinein, so dass es bei einer gewissen visuellen Distanz zur Bevölkerung bleibt, die ameisenhaft malocht oder demonstriert.

Überleben in der Eiswüste

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In einem Krater einer Eiswüste kämpft man bei bis zu minus 60 Grad ums Überleben – in der Mitte der wichtige Reaktor, der Kohle in Wärme verwandelt. © 4P/Screenshot
Trotzdem kann man jeden einzelnen Exilanten aufrufen, seinen Namen, Gesundheit, Arbeit sowie Aktion erkennen; außerdem melden sich Bewohner immer wieder in persönlichen  Portraits und geben Feedback zur aktuellen Lage: Man freut sich über Zusatzrationen oder äußert seine Hoffnung oder Angst angesichts gerade verabschiedeter Gesetze oder Ereignisse. Zwar hätte man die Schrift hier und da noch einen Tick größer gestalten können, aber unterm Strich kann man die Texte und Beschreibungen gut lesen, so dass recht zügig ein angenehmer, auch erzählerisch umrahmter Spielfluss auf der Couch entsteht.

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Was soll man als Gesetz verabschieden? Alles hat Vor- und Nachteile. © 4P/Screenshot
Aber so gemütlich das hervorragende Artdesign der 11 bit studios wirkt, wenn glutrote Öfen in der eisblauen Kälte wummern oder die Sonne am Morgen für etwas Wärme und Licht sorgt: Es geht knallhart zur Sache, denn die aus London vertriebenen Menschen kämpfen in der kargen Eiswüste mit ihren zweistelligen Minusgraden, die bis zu 60 Grad erreichen, jeden Tag ums Überleben – Eike hat das in seinem Test damals herausgearbeitet. Während es in vielen normalen Strategiespielen meist um die Wirtschaft und Warenketten geht, muss man hier neben Wohnraum und Nahrung, Holz, Stahl und Kohle nicht nur die Unzufriedenheit und Hoffnung seiner Bewohner im Auge behalten, sondern auch schwere politische Entscheidungen über Gesetze treffen, die fast alle das eigene Gewissen kitzeln und sich auf die Moral auswirken. Was für eine Art Anführer will man sein? Man kann auf verschiedene Art radikal regieren, aber auch mal ein Auge zudrücken oder sogar stets das Wohl der Bevölkerung im Auge behalten.