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Final Fantasy 16 (Rollenspiel) – Wie ein Phönix aus der Asche

Final Fantasy 16 hatte es im Vorfeld nicht gerade leicht: Zu tief sitzt der Stachel des zum Release unfertigen Vorgängers, zu stark scheint die Abneigung vieler Fans gegen das nun vollständig in Echtzeit ablaufende Kampfsystem. Um etwaige Zweifel mit Garudas Schwingen davon zu pusten, veröffentlichte Square Enix vergangene Woche eine Demo, die bereits ein starkes Bild zeichnen konnte. Mit dem Intro-Spektakel, bei dem sich politische Intrigen, explosionsartige Esper-Eskalation und das Kampfsystem die Klinke in die Hand geben, scheint sich der mittlerweile sechzehnte nummerierte Ableger der alteingesessenen Rollenspielreihe wieder einmal neu zu erfinden und wie ein Phönix aus der Asche von Final Fantasy 15 zu steigen. Wir haben rund 65 Stunden lang die Welt von Valisthea bereist und verraten im großen Test, ob wir auf einen prachtvollen Feuervogel oder ein verbranntes Küken gestoßen sind.

© Square Enix / Square Enix

Kolossale Kaiju-Keilereien
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Auch spielerisch werden die Esper-Gefechte nach und nach komplexer und abwechslungsreicher und gehen über reines Eye-Candy hinaus. © 4P/Screenshot

Weil das Beste bekanntlich ganz zum Schluss kommt, habe ich mir die anfangs angeschnittenen Esper-Kämpfe für das Ende meines Tests aufgehoben. Zwar hat man beim Vorgänger, beispielsweise mit dem beeindruckenden Bosskampf gegen Leviathan, bereits gezeigt, wie die bildgewaltigen Begegnungen mit den gottgleichen Geschöpfen aussehen können. Doch in Final Fantasy 16 sind die Esper-Kämpfe nicht nur deutlich zahlreicher, sondern auch spielerisch gelungener – obwohl die Intro-Sequenz rund um Phönix und Ifrit mit dem stumpfen Spammen der Dreieckstaste und einem gelegentlichen Ausweichmanöver zunächst anderes vermuten lässt.

 

 

Schon die Auseinandersetzung zwischen Feuervogel und gehörntem Dämon sowie kurze Zeit später zwischen dem gigantischen Titan und der grazilen Shiva sind inszenatorisch beeindruckend und sprengen Bildschirm und Audioanlage mit einem überbordendem Spezialeffektspektakel. Dass das Aufeinandertreffen dieser Naturgewalten sich im Spielverlauf angesichts der bisher verwendeten Superlative sogar noch steigern soll, mag überzogen klingen, entspricht aber trotzdem der Wahrheit. Selten hat es ein Videospiel geschafft, die aus der japanischen Popkultur bekannten Kaiju-Keilereien derart gelungen zu reproduzieren und mir die gleiche Gänsehaut auf die Arme zu zaubern, die ich beim Anblick Godzillas bekomme. Neben dem optischen Spektakel ist das auch dem Soundtrack zu verdanken, der in diesen Momenten zu orchestralen Höhenflügen ansetzt und mit intensivem Chorgesang für Stimmung sorgt.

 

Einiges davon findet in Zwischensequenzen statt, auch wenn man mir alibimäßig ab und an ein Quick-Time-Event abverlangt, dass ich persönlich immer noch ganz unterhaltsam finde, aber genauso anspruchslos ist, wie vor fast zwanzig Jahren bei Resident Evil 4. Zahlreiche der Esper-Eskalationen werden glücklicherweise durch substanzielleres Gameplay angereichert: Mal muss ich im Stil von David gegen Goliath die Riesenfüße mit meiner schwertgleichen Nähnadel attackieren, mal begegne ich einem verwandelten Dominus auf Augenhöhe. Weil bei letzterem ein klassisches Arsenal aus Nah- und Fernkampfangriffen samt Ausweichmanöver und einigen Spezialattacken auf mich wartet, sind viele der gigantischen Schlachten weit mehr als spielerisches Schäfchenzählen und deutlich interaktiver als das Schere-Stein-Papier-Prinzip, mit dem beispielsweise Bayonetta 3 die Monster-Gefechte inszeniert hat.

Wer es gerne bombastisch mag, ist bei Final Fantasy 16 genau richtig: Wenn Titan und Ifrit oder andere Esper sich zum Armdrücken versammeln, bleibt kein Auge trocken und kein Stein auf dem anderen.

Auch das Spielgefühl stimmt: Im Gegensatz zu den normalen Kämpfen, bei denen sich Clive dynamisch, aber nicht schwerelos steuert, sind die Esper-Schlachten noch eine ganze Ecke wuchtiger, ohne dabei zu behäbig oder schwerfällig zu wirken. Damit gelingt Final Fantasy 16 der Drahtseilakt und serviert Gameplay-Einlagen, die auf der einen Seite krachendes Trefferfeedback und angenehme Bewegungen bieten, und trotzdem zu der brachialen Größte und der mitunter blinden Zerstörungswut der kolossalen Kreaturen passen. Sich zwischendurch zurückzulehnen, den Controller aus der Hand zu legen und den Anblick zu genießen, wenn Odin mit seinem Schwert der Dunkelheit den Himmel und ein halbes Heer zerteilt oder Bahamut mit seinen Lichtstrahlen den Himmel in eine amerikanische Großstadt an Weihnachten verwandelt, während er auf dem Boden aus einem Häusermeer einen Ozean aus Schutt und Asche macht, ist allerdings auch ohne meine Beteiligung sehr unterhaltsam.

 

Technisch tragbare Wehwehchen

Dass ich mich auch 2023 auf einer PlayStation 5 zwischen Performance- und Grafik-Modus entscheiden muss, ist nervig, aber wenig überraschend. Umso enttäuschender, dass bei Final Fantasy 16 Namen Schall und Rauch zu sein scheinen, denn im Gegensatz zum Grafik-Modus, bei dem ihr euch auf ein konstantes Erlebnis mit 30 Bildern pro Sekunde und leicht aufgehübschter Optik einstellen könnt, bietet der Performance-Modus keine stabile Framerate. Die angepeilten 60 werden erreicht, fallen aber oft auch in den Bereich der 40er oder 50er, wenn es besonders hektisch auf dem Schlachtfeld wird oder ich in einer detailreichen Umgebung unterwegs bin. Weil ich schwankende 45 konstanten 30 vorziehe, empfand ich den Performance-Modus immer noch als bessere Wahl, trotzdem schmerzt der Kompromiss.

 

 

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Warten auf die Next-Gen: Die vereinzelten Tippfehler in den Untertiteln dürfte Square Enix gerade gebogen bekommen, doch für eine Verbesserung der instabilen Bildrate sehe ich eher schwarz. © 4P/Screenshot

Auch wenn ich die „Power der PS5“ bei der Bildrate also vermisst habe, macht sich die Konsolenleistung immerhin bei den beeindruckenden Partikeleffekten und extrem kurzen Ladezeiten bemerkbar: In weniger als fünf Sekunden lande ich vom PlayStation-Menü im Spiel und auch die Schnellreise dauert in der Regel nur drei Sekunden. Lediglich die geringfügigen grafischen Verzerrungen, die entstehen, wenn ich mich zu schnell umdrehe, sind bei scharfen Kurven und schnellem Sprinten ab und an etwas irritierend. Ansonsten lief Final Fantasy 16 technisch einwandfrei, Bugs oder Glitches sind mir in meiner gesamten Spielzeit nicht untergekommen. Sehr seltene Aussetzer bei den Mundbewegungen und die zwei Handvoll Tippfehler in den Untertiteln dürfen in einem kommenden Update aber gerne noch behoben werden.

 

 

Und wo wir dank der Untertitel schon bei Optionen für Barrierefreiheit sind: Dass sich hier die Schriftgröße anpassen, Hintergründe und Sprecher aktivieren und sogar visuelle Darstellungen von Umgebungsgeräuschen anzeigen lassen, ist sehr lobenswert. Dagegen sind die Einstellungen hinsichtlich Tastenbelegungen aber eine Katastrophe: Wer nicht zufrieden ist, wie die Knöpfe des Action-Rollenspiels verteilt worden sind, kann sich in den Einstellungen zwischen drei Controller-Layouts entscheiden, bei denen normale Schwertangriffe beispielsweise wahlweise über die Vierecks- oder die rechte Schultertaste ausgeführt werden. Individuelle Optionen, bei denen ihr den gesamten Controller nach euren eigenen Wünschen belegen könnt, fehlen aber vollständig.