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Unflätiges Schandmaul

Und er schert sich nicht um Konventionen. Ganz im Gegenteil: Er lässt keine Gelegenheit aus, um sich, das Genre und Pop-Kultur im Allgemeinen aufs Korn zu nehmen. Hier z.B. ein „Killing you is as easy as breathing“ als einer der unnachahmlichen und größtenteils nach wie vor zündenden Duke-Einzeiler sowie Verbeugung vor dem gleichsam gealterten Action-Opa John Rambo, dort ein Schauspieler in den Kulissen einer Talkshow, der wie Christian Bale einen Bühnentechniker nach allen Regeln der Kunst verbal zusammenfaltet. Dazu gesellen sich Plakate, in der vieles, was Hollywood oder dem Broadway heilig ist, geschlachtet und dukisiert wird wie z.B. das Musical „Hail to the King“.

Das ist nicht die feine englische Art. Doch das dürfte Duke herzlich wenig scheren. Er kümmert sich nicht um Konventionen oder Moral...

Das ist nicht die feine englische Art. Doch das dürfte Duke herzlich wenig scheren. Er kümmert sich nicht um Konventionen oder Moral…

Er trinkt Bier, um weniger Schaden zu nehmen. Er schluckt Steroide, um wie ein Berserker seine Gegner im Nahkampf auseinandernehmen zu können – im wahrsten Sinne des Wortes. Dieser Duke ist nicht zimperlich, wenn es um Gewaltdarstellung geht und erinnert nicht nur damit an die glorreichen Trash-Filme der Troma-Studios aus den späten 80ern und frühen neunziger Jahren.

Und er ist sexistisch und explizit wie nur selten zuvor: Angefangen von Oralsex und Phallus-Symbolik ohne Ende, Chauvi-Humor („Quit bleeding, you pussy“) über Glory Holes, die Dukes Ego (das Äquivalent einer Schildanzeige) permanent steigern bis hin zu wenig zaghaft angedeuteter Girl-on-Girl-Action reicht das Repertoire. Den Vogel im positiven Sinne schießen jedoch die unterirdischen Hive-Abschnitte ab. Mit ihrem organischen, offensichtlich bei H.R. Giger inspirierten Design samt Höhlen im Vagina-Look sowie Anus-Türen, die durch Kitzeln geöffnet werden müssen, entfernt sich Duke von seinen eigentlichen Wurzeln und beschreitet vollkommen überraschende Wege. Sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber ich bin dankbar, dass DNF wenigstens hier versucht, sich vom Shooter-Einerlei abzugrenzen. Denn in diesen Momenten geht der Atmosphäre-Pegel nach oben. Doch natürlich zeigt Duke in dieser Hinsicht auch seine hässlichen Seiten, so etwa, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten dem Helden eine Moralpredigt hält, diese aber vollkommen ihre Wirkung verfehlt, weil diese geskriptete Sequenz davon ausgeht, dass Duke vor Prez steht. Stellt man sich neben den Dialogpartner, dreht sich nicht einmal der Kopf, um einen wissen zu lassen, dass man der Adressat dieses Wutausbruchs ist – schade! Nein, nicht schade: schlampig!

Bruce? Bist du es?

Dass sich 2KGames für die deutsche Fassung von DNF die erlesenen Dienste von Manfred Lehmann als Synchronsprecher gesichert hat, passt wie die Faust aufs Auge. Zwar hat man bedingt durch die Synchron-Historie des stimmlichen Hauptdarstellers immer wieder Bruce Willis in Stirb Langsam vor dem geistigen Auge, doch dieser Vergleich schadet dem Duke nicht – er ist ebenso ein Action-Archetyp wie John McClane. Allerdings würde ich trotz der guten Besetzung vorrangig die englische Sprachvariante empfehlen. Denn so professionell  und enthusiastisch Herr Lehmann auch arbeitet, so schlecht und häufig unpassend sind die anderen Sprecher. Die englische Version hat darüberhinaus den Vorteil, dass man nicht ständig eine andere Figur vor Augen hat, wenn Duke den Mund öffnet.

Abwechslung ist Trumpf

In einem Punkt tut es DNF sogar gut, dass es nicht versucht, nur „ein weiterer“ Shooter zu sein. Natürlich stehen diese Elemente im Vordergrund. Doch die meist als Arena-Kämpfe oder Railsequenzen ausgelegten ballistischen Auseinandersetzungen bieten im besten Fall durchschnittliche Kost. Zu tumb ist die KI, zu vorhersehbar der Ablauf der Gefechte. Doch jedes Mal, wenn Duke sich von klassischer Ballerei entfernt und der billigen Action entsagt, die man mittlerweile im Dutzend billiger und besser aussehend bekommen kann, läuft er zur Hochform auf.

Der Zyklop aus dem Prolog gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die coolen, aber harten Bosskämpfe, die auf Duke warten.

Der Zyklop aus dem Prolog gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die coolen, aber harten Bosskämpfe, die auf Duke Nukem warten.

Wenn man statt mit einem nervösen Zeigefinger am Abzug eher mit dem Gehirn arbeitet, um eines der Umgebungsrätsel zu lösen oder sich in waghalsigen Sprungsequenzen beweisen darf, ohne auch nur einen Schuss abfeuern zu müssen, umgibt den Blondschopf-Muskelprotz ein Flair von Action-Adventure.  Wenn man durch düstere Höhlenabschnitte schlurft oder in stockfinsteren Gebieten nur mit seiner Nachtsicht-Brille etwas erkennen kann und man die düsteren Umgebungsgeräusche in sich aufsaugt, kommt beinahe Survival Horror-Feeling à la Dead Space auf.

In diesen Momenten ist man am ehesten geneigt, Duke seine rückständige Technik zu verzeihen. Wie auch in den richtig coolen Bosskämpfen, die diesen Namen wahrlich verdienen und die an gute alte Arcade-Gefechte erinnern. Dabei sollte man auch nicht den Fehler machen, den unglücklichen Einstieg als Maßstab zu nehmen. Der Alien-Zyklop des Prologs ist eine Lachnummer gegen die Bosse, die einem im Lauf der gut 16 bis 20 Stunden Spielzeit meist erfolgreich das Leben schwer machen und die nur auf Explosivgeschosse oder Sprengstoff reagieren.