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Dragon Age: Inquisition (Rollenspiel) – Ein Fantasy-Spielplatz in XXL

Vier Jahre hat BioWare an Dragon Age: Inquisition für PC, PlayStation 4 und Xbox One gearbeitet. Kein Wunder, dass sowohl die Vorfreude als auch die Erwartungen bei Rollenspielern groß sind. Mit der Übernahme des Studios durch Electronic Arts ist allerdings auch die Skepsis gewachsen. Können die Kanadier mit ihrem neuen XXL-Konzept begeistern? Können sie ein faszinierendes Abenteuer mit ihren erzählerischen Tugenden, mit dramatischen Entscheidungen und lebendiger Party-Interaktion erschaffen? Und all das in einer offenen Welt à la The Elder Scolls V: Skyrim inszenieren? Mehr dazu im Test.

© BioWare / Electronic Arts

Ein Einstieg, sie zu hetzen

Da wollte sie gerade den langjährigen Konflikt zwischen Templern und Magiern auf einer Versammlung schlichten, aber dann geschieht das Unfassbare: Ihre Heiligkeit und fast alle namhaften Anwesenden fliegen in die Luft. Damit nicht genug, öffnen sich mit der tödlichen Explosion überall Risse in der Welt, durch die Dämonen eindringen. Was ist hier los? Wer steckt dahinter? Am Ort des Geschehens findet man einen bewusstlosen Charakter, dessen Hand genauso grünlich pulsiert wie das klaffende Loch am Himmel. Die Sache scheint klar: Das muss der Terrorist sein! Und ihr dürft das Häufchen Schuld erstmal figürlich formen.

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Man erstellt einen Charakter aus vier Rassen sowie drei Klassen (plus zwei Varianten) mit eigenen Talentbäumen. © 4P/Screenshot

Kaum hat man sich für ein Geschlecht, eine Klasse (Magier, Krieger, Schurke), ein Volk (Mensch, Elf, Zwerg, Qunari) sowie Frisur, Narben, Stimme & Co entschieden, bekommt man es mit der Wut der Überlebenden zu tun, die einen am liebsten sofort hinrichten würden. Diese Ausgangslage ist zwar eine gewöhnliche: BioWare bedient sich beim traditionellen Motiv der mysteriösen äußeren Bedrohung, das u.a. an The Elder Scrolls IV: Oblivion oder an viele andere Abenteuer mit dämonischen Invasoren erinnert. Aber die Situation ist in diesem Fall dramaturgisch sehr interessant – gerade weil man in der Haut des vermeintlichen Täters steckt! Nur überspringt das hektische Drehbuch diesen potenziellen Konflikt, bevor er überhaupt wachsen kann.

Vom Terroristen zum Weltenretter

Für ruhiges Rollenspiel lässt BioWare trotz einiger Dialoge, in denen man als verdutzter Gefangener der Inquisition hilfsbereit, verstört oder wütend reagieren kann, nicht nur in diesem Einstieg zu wenig Raum – es geht Schlag auf Schlag. Man hat also gar nicht die freie Wahl, ob man z.B. fliehen oder kooperieren will. Es ist vollkommen egal, wie man reagiert. Obwohl die Inquisitorin ihr Misstrauen sehr überzeugend spielt, gibt sie es ein paar Minuten später schon auf und überlässt dem Terroristen eine

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Neben dem Geschlecht könnt ihr auch das Aussehen mit Frisuren, Narben & Co anpassen. Allerdings nur das gesicht, nicht den Körper. © 4P/Screenshot

Waffe. Hey BioWare, warum so oberflächlich, so hektisch? Warum darf ich nicht noch etwas mit dieser Situation schauspielen? Auch die Szenen der Empörung oder der Wut innerhalb der normalen Leute werden nur in den Zwischensequenz überzeugend eingesetzt, bevor man in der Spielwelt nichts mehr davon spürt. Dieses Problem der schnell durchschauten Oberfläche sowie des Widerspruchs zwischen Erzähltem und Erlebtem ist das ganze Abenteuer über zu beobachten.

Es ist sehr schade, dass sich die Kanadier im Einstieg nicht mehr Zeit für eine Entwicklung lassen, damit man sich besser mit seiner Rolle identifizieren kann – in Dragon Age: Origins oder Mass Effect wurde man wesentlich

Status quo der Spielwelt festlegen:

Ohne Spielstände aus dem Vorgänger kann man die aktuelle Situation aktiv simulieren. Über das kostenlose „Dragon Age Keep“ lassen sich zig Entscheidungen treffen, die dann im Hintergrund eine Rolle spielen. Wer darauf verzichtet, startet mit einer Standardvariante. Kenner von Dragon Age werden auch darin auf einige erzählerische Anspielungen und bekannte Charaktere treffen. Ihr braucht eine Story-Auffrischung? Was bisher geschah zeigt dieses Video. © 4P/Screenshot

besser in die Handlung geführt. Viel zu schnell mutiert man vom Hauptschuldigen zum Hoffnungsträger. Das ist rein erzählerisch natürlich nachvollziehbar, denn nur die grünlich wabernde Magie an der eigenen Hand kann die Risse schließen. Außerdem scheint jede weitere Ausbreitung der dämonischen Spalten den mysteriösen Fremden selbst zu verletzen. Man wird quasi gezwungen, zusammen mit der Inquisition sein eigenes Leben und gleichzeitig die Welt zu retten – selbst wenn man einen abtrünnigen Elfen spielt, dem ihre Heiligkeit eigentlich am Spitzohr vorbeigeht. Trotzdem: All das hätte man mit ruhiger Regie glaubwürdiger und offener gestalten können.