Auch Videospiele können Kollateralschäden verursachen. Ich weiß nicht, ob sich Nintendo der vielen Opfer bewusst ist, die dieses Dschungelabenteuer verursachen wird – der Herzklabaster auf der Couch ist jedenfalls garantiert. Ich höre das Wimmern und Jammern der Casualzivilisten bis nach Hamburg rauf: Wieso ist der Affe wieder tot, Papa? Warum beißen Haie so feste, Friedhelm? Wieso ist das Puzzelteil so böse versteckt, Gertrud? Warum ist das alles so schwer, Mami? Ist Nintendo der Bullemann?
Das ist kein Spiel für Kindergärten, Halmastrategen und Seniorenheime. Nur hart gesottene Veteranen mit Hüpferfahrung sollten sich an diese grausame Mission durch acht Welten wagen, bevor in einem goldenen Tempel abgerechnet wird – die Szenen kann man kaum beschreiben. Schon die Story hat es in sich, denn es geht um Drogenmissbrauch, Diebstahl und den Tod einer vom Aussterben bedrohten Spezies, die kaum noch Nachwuchs bekommt. Es geht um die Hardcore-Affen aka Jump’n Run-Primaten.
Dschungeldarwinismus
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Fluch der Karibik: Egal ob Riesenkraken oder Wal – die Kulisse ist klasse und es passiert ständig etwas im Hintergrund. |
Donkey und Diddy Kong müssen die Bananen finden, die von grausamen LSD-Maskenfreaks gestohlen wurden. Was haben diese hypnosegestählten Terroristen damit vor? Für ihr Überleben und eine Antwort kämpfen sich beide entweder mit waagerecht gehaltener Remote oder der Nunchuk-Unterstützung durch monsterverseuchte Dschungel, Strände, Ruinen, Höhlen, Wälder, Klippen, Fabriken und Vulkane. Der kunterbunte Stil der 90er wird hier verdächtig offensichtlich mit moderner Technik verknüpft, wenn Wellen aus dem Hintergrund heran rauschen und sich mächtig im Vordergrund brechen.
Auch die riesigen Wale, die plötzlich durch sichere Holzplanken brechen oder die perfiden Perspektivwechsel, wenn man die Affen über explosive Kisten von vorne nach hinten schießt (manchmal durch Piratenschiffe), lassen nur auf eines schließen: Effekthascherei, um auch die kleinen oder greisen Spieler zu beeindrucken. Vielleicht will Nintendo sogar alle Generationen mit dieser herrlich animierten Kulisse vor den Bildschirm locken. Denn es gibt Monster, die fast schon frech putzig erscheinen – man muss die Zähne fletschende Pelzpyramide oder die miesen Taschenkrebse einfach mögen. Und wer pustet nicht gerne eine Kerze aus oder trommelt mal auf den Boden, indem er die Remote schüttelt? Ja, Nintendo hat auch einige bewegungssensitive Neuerungen eingebaut – auch die Rolle in den Gegner verlangt nach Geschüttel.
Die schreckliche Bombenpute
Was aber vermutlich keiner in der Vorweihnachtszeit ahnt: Die Entwickler verbergen unter dieser kunterbunten Oberfläche knallharten Dschungeldarwinismus – wer falsch springt, verliert. Ich frage Nintendo ganz direkt: Muss man diesen punktgenauen Absprung im erholsamen Zeitalter von Fuchtelmainstream und Fitnessstretching wieder auspacken? Muss man sich dieser archaischen Hardcorezeit so anbiedern, dass man fast schon Angst vor dem Absprung hat? Will man etwa ohne Rücksicht Jump’n Run-Spannung erzeugen? Will man etwa Schweiß und Schwielen? Ich habe selbst hartgesottene Männer schreien hören.
Nein, sie quiekten in einem Bosskampf so panisch wie Ferkel im Angesicht des Adlers, als die hässliche Bombenpute mit dem blutroten Hals ihre bösen Bomben schmiss! Ihr glaubt mir nicht? Schaut euch die YouTube-Videos oder die Berichte auf DonkeyLeaks an! Oh, das sind schreckliche Szenen, wenn die Affen da immer wieder, ohne jegliche moralische Reflexion von Napalm vernichtet werden. Ja, richtig gehört: Die Mörderpute schmeißt nicht nur einfache Bomben, sie zündet sogar Pershings mit flächendeckendem Schaden und miesen Brandsprengstoff, der die Affen nach der Detonation verfolgt. Wer überleben will, muss nicht nur im Stakkato springen und rennen, sondern sich auch rechtzeitig ducken, weil die alte Pute noch zum Tiefflug ansetzt!